OVG Hamburg zur Werbewirkung von Markennamen auf Tabakprodukten

„Power“ ohne Wirkung: In seinem Urteil vom 28.11.2024 (Az. 3 Bf 250/20) hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht ein aufsehenerregendes Urteil gefällt, das die Grenzen der werberechtlichen Zulässigkeit von Markennamen auf Tabakerzeugnissen neu justiert. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob die Bezeichnung „Power“ – kombiniert mit einem stilisierten Löwenkopf – auf Zigarettenpackungen gegen das Werbe- und Irreführungsverbot des Tabakerzeugnisgesetzes (TabakerzG) verstößt. Das Gericht entschied: Nein – ein solches Verbot sei nicht haltbar.

Sachverhalt

Die Klägerin, ein führender Anbieter von Tabakwaren, vertreibt Produkte unter der seit 1994 eingetragenen Dachmarke „Power“. Diese wird auf Verpackungen und teils auch auf den Zigaretten selbst angebracht. Verschiedene Landesbehörden beurteilten den Markennamen in Verbindung mit dem Löwenkopf als irreführend. Sie unterstellten eine suggerierte Leistungssteigerung, was einen Verstoß gegen § 21 Abs. 1 Nr. 1 und § 18 Abs. 2 TabakerzG darstellen könnte. Die zuständige Hamburger Behörde erließ daraufhin ein Verbot des weiteren Inverkehrbringens. Die Klägerin wehrte sich gerichtlich – mit Erfolg.

Rechtliche Würdigung

1. Werbliche Information – auch der Markenname?

Das Gericht stellte zunächst klar: Auch Markennamen wie „Power“ können eine werbliche Information im Sinne des § 2 Nr. 4 TabakerzG darstellen. Sie fallen unter den weiten Begriff der „Bezeichnung“. Entscheidend sei, ob durch die Verwendung eine direkte oder indirekte verkaufsfördernde Wirkung erzielt wird. Der Begriff „Power“ sei im deutschen Sprachgebrauch etabliert und positiv konnotiert – damit grundsätzlich geeignet, Aufmerksamkeit zu erzeugen.

2. Kein Verstoß gegen das Werbeverbot des § 21 Abs. 1 Nr. 1 TabakerzG

Dennoch sah das Gericht keinen Verstoß gegen das Werbeverbot. Es fehle an einer konkreten, gesundheitsbezogenen Wirkaussage. Der Begriff „Power“ sei vage und mehrdeutig – er könne körperliche oder geistige Stärke, soziales Ansehen oder schlicht einen markanten Produktnamen bedeuten. Gerade im Kontext von Tabakprodukten, bei denen das Risiko gesundheitlicher Schädigung allgemein bekannt sei, sei es unwahrscheinlich, dass ein durchschnittlicher Verbraucher aus dem Begriff „Power“ eine gesundheitsfördernde Wirkung ableite.

3. Auch kein Verstoß gegen das Irreführungsverbot (§ 18 Abs. 2 TabakerzG)

Ebenso verwarf das Gericht die Annahme, dass der Begriff „Power“ über Wirkungen täusche, die wissenschaftlich nicht gesichert sind. Das sei bei rein schlagwortartigen Markenbezeichnungen, die keine konkrete Wirkung behaupten, nicht der Fall. Eine suggestive Wirkung auf das soziale Ansehen sei kein hinreichender Anknüpfungspunkt für ein Verbot.

4. Keine Vorrangstellung des Markenrechts – aber auch keine Tabakrechtsschranke

Interessant ist die Abwägung mit dem Markenrecht: Die Eintragung der „Power“ stehe einer verwaltungsrechtlichen Überprüfung nicht entgegen. Dennoch könne allein die Markenexistenz kein Verbot begründen oder ausschließen – ausschlaggebend sei die tatsächliche Wahrnehmung durch den verständigen Durchschnittsverbraucher. Und dieser erkenne im Regelfall keinen gesundheits- oder leistungssteigernden Effekt in einer Zigarette mit dem Namen „Power“.

Rechtsanwalt Jens Ferner, TOP-Strafverteidiger und IT-Rechts-Experte - Fachanwalt für Strafrecht und Fachanwalt für IT-Recht

Der Markenname „Power“ auf Tabakerzeugnissen verstößt nicht gegen das Tabakerzeugnisgesetz. Entscheidend ist, dass er keine konkrete Wirkung suggeriert, sondern vielmehr eine allgemeine, positiv besetzte Markenidentität ausdrückt. Damit bekräftigt das OVG Hamburg den Grundsatz: Nicht jede starke Marke ist automatisch eine gesundheitsbezogene Werbebotschaft.

Schlussfolgerung

Das Urteil des OVG Hamburg markiert eine rechtlich ausgewogene und realitätsnahe Betrachtung markenrechtlicher und gesundheitsbezogener Werbeverbote im Tabakrecht. Es würdigt sowohl die Verbrauchererwartung als auch die unternehmerische Werbefreiheit und mahnt zur Differenzierung zwischen werblicher Suggestion und tatsächlicher Gesundheitsaussage. Der bloße Umstand, dass ein Markenname kraftvoll klingt, reicht für ein Werbeverbot nicht aus – solange keine spezifische Wirkung suggeriert wird.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybercrime, Cybersecurity & Softwarerecht. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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Rechtsanwalt Jens Ferner

Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybercrime, Cybersecurity & Softwarerecht. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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