HCVO und Nahrungsergänzungsmittel: Wann sind spezielle gesundheitsbezogene Angaben „beigefügt“?

Wer etwa ein Nahrungsergänzungmittel mit einer nichtspezifischen Angabe im Sinne der bewirbt, der muss spezielle gesundheitsbezogene Angaben „beifügen“, wie sie in der Liste nach Art. 13 HCVO enthalten sind. Doch wann liegt ein solches beifügen überhaupt vor.

Inzwischen konnte die Rechtsprechung klären, dass der Begriff „beifügen“ im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 sowohl eine materielle als auch eine visuelle Dimension hat:

  • In seiner materiellen Dimension erfordert das „beifügen“ eine inhaltliche Entsprechung zwischen der allgemeinen gesundheitsbezogenen Angabe und der speziellen gesundheitsbezogenen Angabe. Dies setzt im Wesentlichen voraus, dass die spezielle Angabe die allgemeine Angabe umfassend untermauert.
  • Die visuelle Dimension des Erfordernisses des „Beifügens“ im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bezieht sich auf die sofortige Wahrnehmung eines unmittelbaren visuellen Zusammenhangs zwischen dem Verweis auf die allgemeinen, nicht spezifischen Vorteile für die Gesundheit und der speziellen gesundheitsbezogenen Angabe durch einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Durchschnittsverbraucher und erfordert grundsätzlich eine räumliche Nähe oder unmittelbare Nachbarschaft zwischen dem Verweis und der Angabe.

Wenn die speziellen gesundheitsbezogenen Angaben wegen ihrer großen Zahl oder Länge nicht vollständig auf der Seite der Verpackung dargestellt werden können, auf der sich der Verweis befindet, den sie untermauern sollen, kann das Erfordernis eines unmittelbaren visuellen Zusammenhangs ausnahmsweise auch durch einen ausdrücklichen Hinweis wie etwa einen Sternchenhinweis erfüllt werden.

Voraussetzung ist mit dem BGH allerdings, dass damit klar und für den Verbraucher vollkommen verständlich die inhaltliche Entsprechung zwischen den gesundheitsbezogenen Angaben und dem Verweis in räumlicher Hinsicht sichergestellt wird (siehe dazu BGH, I ZR 162/16).

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Das OLG Düsseldorf (15 U 8/15) konnte klarstellen, wann ein solchen „beifügen“ anzunehmen ist:

Die Angaben auf der Rückseite der Umverpackung und in den Gebrauchsinformationen sind „beigefügt“ im Sinne dieser Vorschrift. „Beifügen“ bedeutet, dass die spezielle gesundheitsbezogene Angabe mit dem Verweis räumlich zu verbinden ist (Rathke/Hahn in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Band II, C 111, 160. EL. März 2015, Art. 10 HCVO Rn. 41). Allerdings ist es nicht zwingend erforderlich, dass sich die spezielle Angabe unmittelbar neben oder unter dem Verweis oder zumindest so in dessen Nähe befindet, dass sich dazwischen keine anderen Angaben oder graphische Elemente, die eine Zuordnung der speziellen Angabe zu dem Verweis behindern, befinden (so Rathke/Hahn in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Band II, C 111, 160. EL. März 2015, Art. 10 HCVO Rn. 41). „Beigefügt“ ist etwas im allgemeinen Sprachgebrauch bereits, wenn es mitversandt wird oder enthalten ist, z. B. einem Produkt innerhalb der Umverpackung Informationen beiliegen. Der Sinn und Zweck von Art. 10 Abs. 3 HCVO gebietet eine davon abweichende, engere Auslegung nur insoweit, als sich bei einem Verweis auf der Verpackung die spezielle Angabe ebenfalls auf der Verpackung befinden und so ausgestaltet sein muss, dass sie deutlich lesbar ist und der Durchschnittsverbraucher unmittelbar eine inhaltliche Beziehung zwischen dem Verweis und der Angabe herstellt. Dies folgt aus dem Zweck der Regelungen über gesundheitsbezogene Angaben, im Rahmen des allgemeinen Ziels der Verordnung, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten (Art. 1 Abs. 1 HCVO), dem Verbraucher die notwendigen Informationen für eine sachkundige Entscheidung zu liefern (Erwägungsgründe 9 und 10 der HCVO). Diese Informationen müssen ihm bei der Kaufentscheidung vorliegen, weshalb Angaben auf einem Beipackzettel in der Verpackung nicht genügen. Demgegenüber sind deutliche lesbare Angaben auf der Rückseite der Verpackung, die inhaltlich einen eindeutigen Bezug zu einer nichtspezifischen Angabe auf der Vorderseite herstellen, grundsätzlich ausreichend, weil der Verbraucher sie vor dem Kaufentschluss durch bloßes Umdrehen der Umverpackung zur Kenntnis nehmen kann und derjenige, der sich für diese Entscheidung nach der konkreten Zusammensetzung des Lebensmittels richtet und dem es somit nach dem Leitbild des Durchschnittsverbrauchers auf eine sachkundige Entscheidung über seine Ernährung ankommt, regelmäßig – ebenso wie er das Zutatenverzeichnis liest – auch die Rückseite der Umverpackung nach weiteren Informationen über das Lebensmittel überprüft.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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