Mit Urteil vom 14. Januar 2025 (Az. 7 SLa 175/24) hat das Landesarbeitsgericht Köln entschieden, dass ein Arbeitnehmer für übermäßige Verschmutzungen und Beschädigungen am Innenraum eines ihm überlassenen Firmenwagens haftet – auch dann, wenn es sich um die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte handelt.
Die Entscheidung präzisiert die Grenzen des arbeitgeberseitig zur Verfügung gestellten Eigentums, legt die Voraussetzungen einer arbeitnehmerseitigen Pflichtverletzung nach § 241 Abs. 2 BGB aus und grenzt zugleich die sogenannte beschränkte Arbeitnehmerhaftung dogmatisch sauber von Fällen rein privater Nutzung ab.
Sachverhalt und rechtlicher Rahmen
Dem Verfahren lag ein alltäglicher, aber rechtlich vielschichtiger Sachverhalt zugrunde: Ein langjähriger Mitarbeiter einer Karosseriewerkstatt hatte über einen Zeitraum von knapp zwei Jahren einen dienstlichen Pkw auch für die tägliche Fahrt zur Arbeit genutzt. Als der Wagen bei Beendigung des Nutzungsverhältnisses zurückgegeben wurde, war der Innenraum erheblich verschmutzt, roch stark nach Zigarettenrauch und wies mehrere Brandlöcher in Polstern und Verkleidungen auf. Der Arbeitgeber verlangte daraufhin Schadensersatz für Reinigungs- und Instandsetzungskosten. Der Arbeitnehmer hingegen bestritt ein pflichtwidriges Verhalten und argumentierte, die Nutzung des Fahrzeugs sei betrieblich veranlasst und die Schäden alters- und nutzungsbedingt.
Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht. Es hielt dem Arbeitnehmer eine schuldhafte Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Nebenpflicht zur pfleglichen Behandlung des ihm überlassenen Fahrzeugs vor und verurteilte ihn zur Zahlung der Kosten für Reinigung und Geruchsbeseitigung in Höhe von rund 900 Euro.
Die vertragliche Nebenpflicht und ihre Reichweite
Im Zentrum der Entscheidung steht die Auslegung des § 241 Abs. 2 BGB, wonach der Arbeitnehmer zur Rücksichtnahme auf die Rechte und Rechtsgüter des Arbeitgebers verpflichtet ist. Diese Pflicht konkretisiert sich – unabhängig von einer etwaigen schriftlichen Nutzungsvereinbarung – auch in Bezug auf Betriebsmittel wie Fahrzeuge. Das Gericht betont, dass auch ohne ausdrückliches Rauchverbot eine Pflicht besteht, Schäden zu vermeiden, die über die üblichen Gebrauchsspuren hinausgehen. Dazu zählen insbesondere Geruchsbelastungen durch Nikotin, sichtbare Brandlöcher und Verschmutzungen, die nicht durch den normalen Gebrauch erklärbar sind.
Die Berufung auf ein allgemeines Persönlichkeitsrecht, das auch das Rauchverhalten umfasse, ließ das Gericht nicht gelten. Zwar stehe es dem Arbeitnehmer frei, über seine Lebensweise zu entscheiden – doch ende diese Freiheit dort, wo fremdes Eigentum beeinträchtigt werde. Ein Firmenwagen sei kein privater Raum, sondern ein anvertrautes Betriebsmittel, mit dem pfleglich und rücksichtsvoll umzugehen sei. Das Gericht betont, dass es sich bei der Pflicht zur sorgfältigen Nutzung fremden Eigentums um eine Selbstverständlichkeit handle, die keines gesonderten vertraglichen Hinweises bedürfe.
Die Ablehnung der beschränkten Arbeitnehmerhaftung
Besonders präzise grenzt das Landesarbeitsgericht in seiner Entscheidung die Voraussetzungen der sog. beschränkten Arbeitnehmerhaftung ab. Diese setzt eine betriebliche Veranlassung der schadensstiftenden Handlung voraus. Dabei genügt es nicht, dass das Fahrzeug dem Arbeitnehmer von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellt wurde oder dass es sich im Eigentum der Arbeitgeberin befindet. Vielmehr muss der Schaden in Ausübung einer arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit verursacht worden sein.
Im konkreten Fall diente das Fahrzeug ausschließlich den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Solche Wege, so das Gericht, seien primär dem privaten Lebensbereich des Arbeitnehmers zuzurechnen. Der Arbeitnehmer habe keinen Anspruch auf Erstattung dieser Fahrtkosten, sie seien vielmehr Teil seines allgemeinen Lebensrisikos. Dass der Arbeitgeber ihm ein Fahrzeug zur Verfügung stelle, begründe noch keine betriebliche Veranlassung im haftungsrechtlichen Sinne. Die Nutzung des Wagens sei damit als privat einzuordnen – mit der Folge, dass der volle Maßstab der zivilrechtlichen Haftung gelte.
Keine kurze Verjährung analog § 606 BGB
Schließlich verwarf das Gericht auch die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung. Die reguläre Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) sei gewahrt. Eine analoge Anwendung der kurzen sechsmonatigen Verjährung des § 606 BGB, die für Mängelansprüche bei Gebrauchsüberlassungen gilt, komme im arbeitsrechtlichen Kontext nicht in Betracht. Anders als bei reinen Mietverhältnissen handele es sich beim Arbeitsverhältnis um ein komplexes Dauerschuldverhältnis, in dem Gebrauchsanordnungen lediglich untergeordnete Bedeutung haben. Eine eigenständige, abgekürzte Verjährungsregel wäre systemwidrig.
Schlussfolgerung
In einer Abschlussbewertung macht das Urteil deutlich, dass Arbeitgeber von ihren Beschäftigten einen gewissenhaften und pfleglichen Umgang mit zur Verfügung gestellten Betriebsmitteln erwarten dürfen. Die Freiheit des Einzelnen endet nunmal dort, wo sie in das Eigentum und die Interessen anderer eingreift.
Die Entscheidung konkretisiert nicht nur die vertraglichen Nebenpflichten des Arbeitnehmers, sondern liefert auch eine wichtige Klärung zur Reichweite der beschränkten Arbeitnehmerhaftung: Wer Betriebsmittel außerhalb des betrieblichen Wirkungskreises nutzt, haftet in vollem Umfang für schuldhaft verursachte Schäden – selbst wenn diese im Rahmen täglicher Abläufe wie dem Arbeitsweg entstehen. Für Arbeitgeber bietet das Urteil eine klare Grundlage zur rechtssicheren Geltendmachung von Ansprüchen, für Arbeitnehmer einen ebenso klaren Maßstab für sorgsames Verhalten im Umgang mit fremdem Eigentum.
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