Finalität der Gewaltanwendung im Raubtatbestand

BGH zur Abgrenzung von und mit Waffen: Mit seinem Beschluss vom 24. Oktober 2024 (Az. 4 StR 368/24) hat der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs erneut seine gefestigte Rechtsprechung zur tatbestandlichen Finalität des Raubes nach § 249 StGB bestätigt und zugleich konkretisiert, unter welchen Voraussetzungen eine spontane Mitnahme von Gegenständen nach einer bereits abgeschlossenen Nötigungshandlung nicht als Raub, sondern lediglich als Diebstahl mit Waffen zu qualifizieren ist. Die Entscheidung berührt damit ein zentrales Dogma des Raubstrafrechts: das Erfordernis der finalen Verknüpfung zwischen Gewalt oder Drohung und Wegnahmehandlung.

Sachverhalt und Verfahrensgang

Dem Verfahren lag eine Serie bewaffneter Überfälle auf Tankstellen zugrunde. Der Angeklagte betrat dabei mehrfach maskiert Verkaufsräume und forderte – unter Vorhalt eines Messers – die Herausgabe von Bargeld. In mehreren Fällen wurde ihm das verlangte Geld ausgehändigt; in einem Fall griff er eigenhändig in die . Bei einem dieser Überfälle entnahm er beim Verlassen des Raumes zusätzlich Waren im Wert von 60 Euro aus einer Auslage. Das Landgericht Bielefeld hatte diesen Sachverhalt als besonders schwere räuberische in Tateinheit mit besonders schwerem Raub gewertet. Auf die Revision des Angeklagten wurde der Schuldspruch in diesem Punkt durch den BGH geändert – es liege insoweit lediglich ein Diebstahl mit Waffen vor.

Tatbestandliche Anforderungen des Raubes

Zentraler Prüfmaßstab für die rechtliche Einordnung der Wegnahmehandlung war die sogenannte Finalität. Der Tatbestand des Raubes gemäß § 249 StGB setzt voraus, dass Gewalt gegen eine Person oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben mit dem Ziel erfolgt, eine fremde bewegliche Sache wegzunehmen. Diese Zielgerichtetheit – der final-teleologische Zusammenhang zwischen dem Einsatz des Nötigungsmittels und der Wegnahmehandlung – ist konstitutives Element des Raubtatbestandes.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH reicht es nicht aus, dass eine vorherige Drohung oder Gewaltanwendung noch psychisch fortwirkt und der Täter dies lediglich ausnutzt. Vielmehr muss die Nötigungshandlung zumindest konkludent auf die spätere Wegnahme bezogen werden. Wird der Vorsatz zur Wegnahme einer Sache erst nachträglich, also post-nötigend gefasst, so liegt ein Raub nur dann vor, wenn die Drohung aktualisiert oder erneuert wird.

Anwendung auf den entschiedenen Fall

In dem vom BGH geprüften Fall II.1. hatte der Angeklagte die Drohung mit dem primär auf die Herausgabe des Kasseninhalts gerichtet. Nach erfolgreicher Durchsetzung dieser Forderung und bei Verlassen des Verkaufsraums entschloss er sich spontan zur Wegnahme von Waren aus einer Auslage. Das Landgericht hatte diese Handlung unter dem Gesichtspunkt der fortwirkenden als Teil eines besonders schweren Raubes gewertet.

Der BGH hingegen stellt klar: Eine solche nachträgliche Wegnahme erfüllt die Voraussetzungen eines Raubes nur, wenn die Drohung oder Gewalt in irgendeiner Weise – sei es durch Mimik, Gestik, verbale Bekundung oder konkludentes Verhalten – auf diese neue Wegnahmehandlung bezogen wird. Das bloße Bewusstsein des Täters, dass das Opfer sich aufgrund der früheren Bedrohung weiterhin in einem Zustand der Einschüchterung befindet, genügt nicht.

Die spontane Entscheidung zur Mitnahme von Ware nach Abschluss der ursprünglichen Erpressung, ohne erkennbare neue , ist daher nicht mehr vom Finalitätsbegriff des § 249 StGB gedeckt. Vielmehr handelt es sich um einen eigenständigen Diebstahl, der wegen des mitgeführten Messers gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB als Diebstahl mit Waffen zu qualifizieren ist.

Zur Bedeutung der Finalität im Raubstrafrecht

Die Entscheidung fügt sich in eine lange Reihe von Beschlüssen ein, in denen der BGH die final-teleologische Struktur des Raubtatbestands verteidigt. Anders als im Zivilrecht, wo Kausalität und Zweckrichtung oft im Nachhinein subsumiert werden, verlangt das Strafrecht eine präzise Verknüpfung von Handlung und Ziel. Diese Finalitätsanforderung dient der Abgrenzung zum Nötigungsdelikt und schützt vor einer uferlosen Ausdehnung des Raubbegriffs.

Bemerkenswert ist auch, dass der Senat die – im Kontext einer aus mehreren Delikten bestehenden Serie – potenziell strafschärfend gewertete “Serienhaftigkeit” der Taten zwar erwähnt, aber letztlich keinen durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der äußert. Auch wenn die richterliche Formulierung, wonach die Tat “Teil einer Serie” sei, gelegentlich beanstandet wurde, sei sie in diesem konkreten Fall nicht entscheidungserheblich.

Rechtsanwalt Jens Ferner, TOP-Strafverteidiger und IT-Rechts-Experte - Fachanwalt für Strafrecht und Fachanwalt für IT-Recht

Die Konklusion lautet: Raub ist nicht jedes Verbrechen mit Gewalt und Beute – sondern nur die Wegnahme, die durch die Gewalt ermöglicht werden soll. Ein klarer und notwendiger Grenzstein im strafrechtlichen Gefüge.

Schlussfolgerung

Der Beschluss des BGH unterstreicht eindrücklich die Notwendigkeit, die Elemente des Raubtatbestands mit dogmatischer Strenge zu prüfen. Gerade in komplexen Tatkonstellationen, in denen Drohung, Gewalt und Wegnahmehandlungen zeitlich gestaffelt oder psychologisch vermittelt auftreten, darf der Finalitätsgedanke nicht verwässert werden. Nur wenn die Wegnahme erkennbar unter dem fortbestehenden Zwang erfolgt, liegt Raub vor – andernfalls ist die Handlung isoliert als Diebstahl zu qualifizieren, gegebenenfalls in besonders qualifizierter Form.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybercrime, Cybersecurity & Softwarerecht. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybercrime, Cybersecurity & Softwarerecht. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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