BGH zur erweiterten Vermögensabschöpfung bei Wohnungseinbruch: Die erweiterte Einziehung gemäß § 73a StGB ist ein wirkmächtiges Instrument der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung. Sie erlaubt es, Gegenstände auch dann einzuziehen, wenn sie nicht unmittelbar aus der verfahrensgegenständlichen Tat stammen – unter bestimmten Voraussetzungen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 17. Oktober 2024 (6 StR 408/24) erneut klargestellt, dass diese Form der Einziehung nicht auf bloße Vermutungen oder abstrakte Möglichkeiten gestützt werden darf. Vielmehr bedarf es belastbarer Anhaltspunkte, die eine konkrete Zuordnung zu einer rechtswidrigen Herkunftstat ausschließen – eine präzise Entscheidung mit weitreichenden Folgen für die Praxis.
Sachverhalt
Der Angeklagte war wegen dreier Fälle des schweren Wohnungseinbruchdiebstahls (§ 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Darüber hinaus ordnete das Landgericht Hildesheim sowohl die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73c StGB) als auch die erweiterte Einziehung einer Vielzahl von sichergestellten Schmuckstücken an, die bei einer Wohnungsdurchsuchung in Plastikbeuteln hinter Küchenschränken entdeckt worden waren.
Das Landgericht ging davon aus, dass diese Schmuckstücke aus anderen, dem Verfahren nicht zugrunde liegenden Einbruchdiebstählen stammen. Tatsächlich hatten einige Opfer anderer Einbrüche einzelne Schmuckstücke wiedererkannt.
Rechtliche Bewertung des BGH
1. Zur Systematik: § 73 vs. § 73a StGB
Der BGH erinnert an die grundlegende Unterscheidung:
- § 73 StGB greift bei konkretem Nachweis, dass ein Vermögensgegenstand aus einer bestimmten Tat stammt.
- § 73a StGB greift ergänzend, wenn ein Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat stammt, deren genaues Delikt jedoch nicht sicher ermittelbar ist, solange eine sichere Zuordnung nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht möglich ist.
Diese Norm ist somit subsidiär: Besteht eine konkrete Zuordnungsmöglichkeit, ist ausschließlich § 73 StGB anzuwenden.
2. Der Fehler: Theoretische Möglichkeit reicht nicht
Das Landgericht hatte die erweiterte Einziehung allein deshalb vorgenommen, weil nicht ausgeschlossen werden konnte, dass die Schmuckstücke aus anderen rechtswidrigen Taten stammten. Dies genügt – so der BGH – nicht. Entscheidend ist, dass:
- konkrete Hinweise auf bestimmte Taten oder Tatopfer vorliegen,
- und sich daraus eine hinreichend bestimmte Herkunftstat ergibt.
Die bloße Tatsache, dass einige Schmuckstücke von Geschädigten anderer Delikte wiedererkannt wurden, spricht gerade gegen die Anwendung von § 73a StGB. In solchen Fällen ist vielmehr die Einziehung nach § 73 im Rahmen eines eigenständigen Verfahrens wegen der anderen Taten zu prüfen.
Da das Landgericht jedoch nicht sauber zwischen konkret zuordenbaren und nicht zuordenbaren Gegenständen differenziert hatte, konnte der BGH die Einziehungsanordnung nicht aufrechterhalten und verwies die Sache zur erneuten Prüfung an eine andere Kammer zurück.
Bedeutung der Entscheidung
Der BGH schärft mit dieser Entscheidung die Konturen der erweiterten Einziehung und begrenzt deren Reichweite. Er stellt klar:
- Die bloß theoretische Möglichkeit, ein Gegenstand könne aus einer Straftat herrühren, genügt nicht für § 73a StGB.
- Erforderlich sind konkrete Ausschlusskriterien, dass keine andere (zuordenbare) Tat zugrunde liegt.
- Die Entscheidung fordert von Gerichten eine differenzierte, beweisgestützte Bewertung jedes einzelnen sichergestellten Gegenstands.
Für Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden bedeutet dies: Eine pauschale Einziehung in Zweifelsfällen ist unzulässig. Es bedarf einer sorgfältigen Zuordnung und – wo möglich – auch der Einleitung gesonderter Verfahren zur Einziehung nach § 73.
Fazit
Die Entscheidung des 6. Strafsenats ist ein klarer Hinweis darauf, dass die rechtsstaatlichen Sicherungen im Bereich der Vermögensabschöpfung ernst zu nehmen sind. Die erweiterte Einziehung darf nicht zu einem Freifahrtschein für pauschale Vermögenszugriffe werden. Gerade weil sie tief in das Eigentumsrecht eingreift, müssen ihre Voraussetzungen mit Sorgfalt und rechtlicher Präzision geprüft werden.
Kernaussage: Wer mehr einziehen will als das, was im Urteil nachweislich erfasst ist, braucht mehr als nur kriminalistische Intuition – er braucht belastbare, gerichtsfeste Anhaltspunkte. Der BGH liefert damit einen wichtigen Beitrag zur Klarheit und Begrenzung der Einziehungspraxis im deutschen Strafrecht.
- Opensource-Software-Compliance - 17. Juni 2025
- Systematik der Konkurrenzen bei mitgliedschaftlicher Beteiligung - 17. Juni 2025
- Teilnahme an Telemedizinplattform durch Apotheker - 17. Juni 2025