Der BGH beschäftigte sich in seinem Urteil vom 14. März 2024 (Az. 4 StR 354/23) mit einem Fall, in dem zwei Angeklagte durch die Explosion von Sprengkörpern erhebliche Sachschäden verursachten und eine Brechstange als potenziell gefährliches Werkzeug einsetzten.
Die zentrale Frage des Verfahrens betraf die rechtliche Bewertung des Einsatzes der Brechstange und der Sprengkörper sowie die daraus resultierenden strafrechtlichen Konsequenzen, insbesondere hinsichtlich des Diebstahls mit Waffen und des vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion.
Sachverhalt
Die Angeklagten, die in einem Munitionsbergungsunternehmen tätig waren, planten, Fahrkartenautomaten mit Feuerwerkskörpern aufzusprengen und das enthaltene Bargeld zu entwenden. Bei der ersten Tat in Ba. zerstörten sie den Automaten teilweise durch einen Sprengkörper mit einer Explosivmasse von über 100 Gramm, konnten aber das Schloss nicht aufsprengen. Daraufhin setzten sie eine Brechstange ein, um den Automaten zu öffnen und Bargeld im Wert von 2.440,40 Euro zu entwenden.
Nach dieser Tat versuchten die Angeklagten, an einem weiteren Bahnhof einen Fahrkartenautomaten aufzusprengen, wurden jedoch durch die Anwesenheit von Polizeifahrzeugen davon abgehalten. Während der anschließenden Flucht vor der Polizei warfen sie erneut Sprengkörper auf die Fahrbahn, um die Verfolgung zu stoppen, was jedoch nicht zum Erfolg führte. Die Polizei setzte ihre Verfolgung fort, bis die Angeklagten schließlich nach mehreren riskanten Manövern festgenommen wurden.
Rechtliche Analyse
1. Diebstahl mit Waffen (§ 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB)
Das Landgericht Neuruppin hatte die Angeklagten ursprünglich lediglich wegen Diebstahls verurteilt und den Einsatz der Brechstange als ungefährlich eingestuft, weil sie der Vollendung der Wegnahme diente. Der BGH korrigierte dies und stellte klar, dass die Brechstange objektiv als gefährliches Werkzeug einzustufen ist, unabhängig davon, ob sie im konkreten Fall nur zur Öffnung des Automaten genutzt wurde. Entscheidend ist die Eignung, durch ihre Beschaffenheit erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Die Einstufung als gefährliches Werkzeug war daher gerechtfertigt.
2. Vorsätzliches Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion (§ 308 StGB)
Die Verwendung der Sprengkörper mit einer Explosivmasse von über 100 Gramm erfüllte den Tatbestand des vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion. Der BGH betonte, dass die Sprengkörper eine erhebliche Explosionswirkung hatten, die über den üblichen Gebrauch von Feuerwerkskörpern hinausging, und daher als Sprengstoffe im strafrechtlichen Sinne zu qualifizieren sind.
3. Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB)
Im Rahmen der Verfolgungsjagd warfen die Angeklagten Sprengkörper auf die Fahrbahn, in der Hoffnung, die Polizei von der Verfolgung abzubringen. Der BGH stellte fest, dass eine konkrete Gefahr im Sinne eines „Beinahe-Unfalls“ jedoch nicht vorlag, da die Sprengkörper in ausreichender Entfernung von den Polizeifahrzeugen explodierten und kein direkter Schaden an diesen verursacht wurde.
4. Verbotenes Kraftfahrzeugrennen (§ 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB)
Der BGH prüfte auch, ob das Verhalten des Angeklagten M., der mit überhöhter Geschwindigkeit und riskanten Fahrmanövern die Flucht antrat, als verbotenes Kraftfahrzeugrennen zu werten sei. Die Rücksichtslosigkeit des Angeklagten und die Missachtung der Straßenverkehrsregeln, um der Festnahme zu entgehen, legten nahe, dass es sich um ein Alleinrennen im Sinne der Norm handelte.
5. Mögliche Einschränkung der Schuldfähigkeit (§ 21 StGB)
Die Angeklagten hatten vor der Tat Alkohol und Betäubungsmittel konsumiert, was ihre Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt haben könnte. Das Landgericht hatte jedoch die Blutalkoholkonzentration nicht genau festgestellt und die Auswirkungen des Konsums auf die Steuerungsfähigkeit nur unzureichend berücksichtigt. Der BGH sah hierin einen Mangel in der Beweiswürdigung und forderte eine umfassende psychodiagnostische Bewertung.
Fazit
Der BGH hob die Verurteilungen teilweise auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung an eine andere Strafkammer des Landgerichts.
Die Entscheidung unterstreicht die strengen Anforderungen an die rechtliche Bewertung des Einsatzes gefährlicher Werkzeuge und Sprengstoffe sowie die präzise Feststellung der Schuldfähigkeit unter Berücksichtigung von Drogen- und Alkoholkonsum. Insbesondere betonte der BGH, dass auch Werkzeuge, die primär der Tatbegehung dienen, als gefährlich einzustufen sind, wenn sie objektiv zur Verletzung geeignet sind.
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