Encrochat gehackt: Nachdem im Juli 2020 bekannt wurde, dass Ermittlungsbehörden Zugriff auf die Encrochat-Infrastruktur hatten, fangen auch in Deutschland Ermittlungsverfahren an, sich zu mehren – bisher in erster Linie nach meiner Kenntnis im Bereich Waffen, Sprengstoff und Betäubungsmittel, dabei kam es auch zu Festnahmen mit Untersuchungshaft.
Update: Beachten Sie die weiteren Beiträge zum Thema Encrochat bei uns. Die Zahl der Ermittlungsverfahren ist inzwischen stetig angestiegen.
Hinweis: Zum Thema Kryptomessaging und Beweisverwertungsverbot findet sich von RA JF in der Literatur eine Darstellung bei §174 TKG Rn. 4, 35 im BeckOK-StPO (Beweisverwertungsverbot und EUGH-Rechtsprechung) sowie in jurisPR-StrafR 11/2023 Anm. 4 (LG Darmstadt)!
Beachten Sie auch die zahlreichen Beiträge in unserem Blog zum Schlagwort „Kryptomessenger“!
Auch wenn deutsche Behörden zuerst nicht unmittelbar beteiligt waren, wurden und werden Informationen an das Bundeskriminalamt weitergegeben, die ausgewertet werden und dann zu weiteren Ermittlungsmaßnahmen führen.
Encrochat war technisch überzeugend aufgestellt und durchdacht – gleichwohl gibt es keine absolute Sicherheit, was ITler als Binsenweisheit bestätigen können. Wer auf digitale Kommunikation setzt macht sich angreifbar, egal wie durchdacht das System ist – häufig noch geht es gut, aber sowohl Transportserver als auch Endpunkte sind technisch bedingte Angriffsmöglichkeit, auf die man als schlichter Nutzer keine Einflussnahme hat. Jedem muss klar sein, dass er dem Betreiber letztlich „ausgeliefert“ ist.
Jens Ferner
StrafverteidigerEs ist davon auszugehen, dass die digitale Forensik in den nächsten Jahren auf Seiten der staatlichen Behörden zumindest in Teilen aufholen wird. Insbesondere werden die nächsten 10 Jahre davon geprägt sein, dass „Datenberge“, die bisher mühsam ausgewertet werden müssen, mit neuartiger Technik (Stichwort KI) automatisiert nach Offline-Ermittlungsansätzen in einem Bruchteil der Zeit durchforstet werden.
So seltsam es beim Thema Encrochat klingt: Wer nicht versteht, wie viel Wahrheit darin steckt, dass eine Brieftaube sicherer als ein verschlüsselter Chat ist, ist ungeeignet moderne Kommunikation „sicher“ zu nutzen.
Doch was bedeutet dies nun für Betroffene: Schlaflose Nächte, in denen man grübelt, was nun konkret bereits gefunden wurde und ob man selber identifizierbar ist. Grade, wer zu vertrauensvoll mit solchen Diensten umgeht, ist letztlich sogar relativ leicht identifizierbar – vielleicht nicht für normale Nutzer, aber jedenfalls für Ermittlungsbehörden.
Mehr bei uns zu digitalen Beweismitteln:
- Zugriffe der Polizei: WhatsApp-Nachrichten, Mails, TOR-Netzwerk und Kryptowährungen
- Handyauswertung: Wie arbeiten Ermittler?
- Digitale Beweismittel im deutschen Strafprozess
- Foto von Fingerabdruck führt zu Encrochat-Nutzer
- Beiträge zu Encrochat
- Blackbox im PKW
- IT-Forensik: Was nutzen Ermittler?
- Nachweis von Software-Urheberrechtsverletzung
- Wann ist eine Mail zugegangen?
- SIRIUS Report: Verwendung digitaler Beweismittel
- EGMR zu digitalen Beweismitteln
- EUGH: Beweisverwertungsverbot bei mangelnder Verteidigung
- e-Evidence-Verordnung: Grenzüberschreitender Zugriff auf digitale Beweise in der EU ab 2026
Eine besondere Rolle spielt dabei mal wieder EUROPOL, die wohl letztlich bei der Informationsweitergabe an das BKA federführend waren. Dabei ist davon auszugehen, dass dem BKA seit einigen Wochen zahlreiche unverschlüsselte Chat-Protokolle vorliegen, die ausgewertet wurden und derzeit weiter werden.
- Justizminister wünschen allgemeine Autoschlüssel-Kopie für Ermittler - 7. Dezember 2024
- KCanG: BGH zur Zusammenrechnung von Freimengen - 5. Dezember 2024
- BVerfG zu Encrochat: Keine generellen Beweisverwertungsverbote - 5. Dezember 2024