Durchsuchung im Steuerstrafverfahren

Durchsuchung im Steuerstrafverfahren: Das Landgericht Nürnberg-Fürth (12 Qs 26/24) hat die Frage beurteilt, ob steuerliche Sachverhalte in einem Durchsuchungsbeschluss nach § 103 StPO offengelegt werden dürfen, wenn der Geschäftsführer einer GmbH zugleich Beschuldigter einer Steuerhinterziehung ist. Das LG Nürnberg-Fürth hob dabei einen zuvor ergangenen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Nürnberg auf und entschied, dass die Kosten des Verfahrens von der Staatskasse zu tragen sind.

Sachverhalt

Das Amtsgericht Nürnberg hatte am 14. Dezember 2023 zwei Durchsuchungsbeschlüsse erlassen: Einen nach § 102 StPO, der sich auf die Wohn- und Geschäftsräume des Beschuldigten erstreckte, und einen nach § 103 StPO, der die Geschäftsräume einer GmbH betraf. Hintergrund war der Verdacht der Steuerhinterziehung durch den Geschäftsführer der GmbH, der als Mehrheitsgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer agierte.

Die Steuerfahndung war der Ansicht, dass der Beschuldigte Umsätze der GmbH in den Jahren 2018 und 2019 nicht ordnungsgemäß versteuert und verdeckte Gewinnausschüttungen vorgenommen habe. Dadurch habe er eigene Einkommensteuer für die Jahre 2017 bis 2020 hinterzogen und 2021 versucht, die Hinterziehung fortzusetzen. Zudem habe er zu Gunsten der GmbH Körperschaft- und Gewerbesteuer verkürzt.

Rechtliche Würdigung

1. Offenlegung steuerlicher Sachverhalte im Durchsuchungsbeschluss

Ein zentrales Problem des Falls betraf die Offenlegung steuerlicher Sachverhalte in einem Durchsuchungsbeschluss nach § 103 StPO. Das Gericht hatte zu prüfen, ob die steuerlichen Informationen über die GmbH offengelegt werden durften, obwohl der Geschäftsführer der Hauptbeschuldigte war.

Die Abgabenordnung (AO) enthält mit § 30 AO eine strenge Verschwiegenheitspflicht für steuerliche Sachverhalte. Die Frage war, ob diese Norm durch die strafprozessuale Regelung des § 103 StPO durchbrochen werden kann. Das Landgericht Nürnberg-Fürth kam zu dem Ergebnis, dass eine Offenbarung steuerlicher Verhältnisse in diesem Fall unzulässig war.

2. Durchsuchung nach § 103 StPO – Anforderungen und Abgrenzung zu § 102 StPO

Nach § 103 StPO dürfen Geschäftsräume Dritter durchsucht werden, wenn Tatsachen vorliegen, die darauf schließen lassen, dass sich dort Beweismittel befinden. Da es sich bei der GmbH formal um eine eigenständige juristische Person handelt, musste das Amtsgericht Nürnberg nachweisen, dass sich relevante Beweismittel in deren Geschäftsräumen befanden und dass die Durchsuchung verhältnismäßig war.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth stellte fest, dass dieser Nachweis nicht hinreichend erbracht wurde. Die Begründung des Amtsgerichts habe sich im Wesentlichen auf den Verdacht gegen den Geschäftsführer gestützt, ohne schlüssig darzulegen, warum eine Durchsuchung der GmbH notwendig war. Dies widersprach den Anforderungen an eine Durchsuchung nach § 103 StPO.

3. Kostenfolge und verfassungsrechtliche Aspekte

Da der Durchsuchungsbeschluss aufgehoben wurde, hatte die Staatskasse die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin zu tragen. Dies folgt aus § 467 StPO, wonach Kosten zu Lasten der Staatskasse gehen, wenn sich eine Maßnahme als rechtswidrig erweist.

Darüber hinaus ist die Entscheidung auch aus verfassungsrechtlicher Sicht bedeutsam. Durchsuchungen greifen in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) sowie in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Der Beschluss unterstreicht, dass solche Eingriffe nur unter strikter Beachtung der gesetzlichen Anforderungen erfolgen dürfen.

Für Steuerpflichtige, insbesondere Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften, bedeutet dies, dass Durchsuchungsbeschlüsse sorgfältig geprüft und gegebenenfalls angefochten werden sollten. Die Entscheidung verdeutlicht zudem, dass Ermittlungsbehörden bei der Beantragung von Durchsuchungsmaßnahmen eine genaue und differenzierte Begründung liefern müssen, insbesondere wenn es um Geschäftsräume von juristischen Personen geht.

Fazit

Die Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth stärkt die Rechte von Unternehmen in Steuerstrafverfahren und setzt hohe Maßstäbe für die Rechtmäßigkeit von Durchsuchungsmaßnahmen nach § 103 StPO. Sie betont, dass steuerliche Sachverhalte nicht ohne Weiteres in einem Durchsuchungsbeschluss offengelegt werden dürfen, wenn dies gegen die steuerliche Geheimhaltungspflicht verstößt.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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Rechtsanwalt Jens Ferner

Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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