Bußgeld bei Tragen einer Schutzmaske als Autofahrer?

Droht ein Bußgeld, wenn man als Autofahrer eine Schutzmaske oder Mund-Nase-Bedeckung trägt? Aktuell wird vermehrt in der Presse berichtet, dass in jedem Fall ein Bußgeld im Raum steht – Hintergrund ist eine neuere Regelung in der StVO (die ich, wie die meisten wichtigen Gesetzesänderungen, damals kommentiert hatte). Allerdings sehe ich das zwingende Bußgeld eher skeptisch, wie immer kommt es auf den Einzelfall an.

Hinweis: Ich beschäftige mich hier mit der Rechtslage in NRW, für die anderen Bundesländer muss man die Ausführungen dann entsprechend verstehen unter Berücksichtigung der jeweiligen Verordnungen. Rechtsprechung zu dem Thema gibt es nicht, daher ist das hier eine persönliche juristische Einschätzung!

Grundsatz: Vermummungsverbot im Auto

Richtig ist, dass es ein „Vermummungsverbot“ für KFZ-Führer gibt. Dieses Verbot sollte zwar seit je her restriktiv verstanden werden, allerdings sind ausdrücklich jegliche Masken erfasst, wie man der Gesetzesbegründung auf Seite 28 entnehmen kann:

Unter das Verbot fällt damit das Tragen von Masken, Schleiern und Hauben, die das ganze Gesicht oder wesentliche Teile des Gesichts verdecken. Dies stellt auch kein Übermaß dar, schließlich sind solche Gesichtsbedeckungen jederzeit ohne großen Aufwand auf- und absetzbar.

Drucksache 556/17; Seite 28 – in meinem Artikel zum Download

Dieser Grundsatz steht auch fest, aber: Es ist eben ein Grundsatz. Wie immer im Ordnungswidrigkeitenrecht kommt es auf die einzelnen Umstände an.

Besonderer Umstand: Corona-Pandemie

So fängt es bereits damit an, dass damals, als 2017 die Änderung beschlossen wurde, der Gesetzgeber gerade keine existenzbedrohende Pandemie vor Augen hatte. ALs der Gesetzgeber „Maske“ in die Begründung schrieb hatte er Verkleidung etc. vor Augen, aber nicht medizinisch indizierte Masken zum Schutz von sich und anderen.

Um das deutlich zu sagen: Das ist aus meiner Sicht kein Grund, zu argumentieren, dass nun das Vermummungsverbot im Auto gar nicht gilt oder Einschränkung mit Blick auf Schutzmasken etc. zu verstehen ist. Das wäre falsch und wird von den üblichen Methoden zur Auslegung von Gesetzen auch nicht gedeckt – gerade weil in der Begründung ja darauf hingewiesen wird, dass solche Masken „jederzeit ohne großen Aufwand auf- und absetzbar“ sind, was auch beim Mundschutz/Alltagsmasken gilt. Insoweit bietet sich sogar ein Argument, warum der Mundschutz erst Recht von dem Vermummungsverbot erfasst sein sollte.

Allerdings gibt es im OWI-Recht eine viel schärfere Prüfung, ob im Einzelfall nicht eine Rechtfertigung vorlag, eine persönliche Ausnahme, die ein Bußgeld unbillig erscheinen lässt. Und vor dem Hintergrund der Pandemie lässt sich diese Diskussion durchaus leichter führen – denn es gibt Fälle, in denen das Vermummungsverbot im PKW an seine Grenzen stößt.


Ausnahme: Transport von Hilfsbedürftigen

Es muss eine Ausnahme machen, wenn man einen nahe stehenden Menschen aus dem Bereich der Risikogruppe, dem man sozial zur Hilfe verpflichtet ist und mit dem man nicht in einem Haushalt lebt, irgendwo hin fährt. Der Klassiker sind die Grosseltern, die kein Auto mehr fahren und die zum Arzt müssen. Oder, andere Beispiel woran viele nicht denken: Die betagte Grossmutter muss wegen eines Erbscheins zum Gericht gefahren werden, weil ihr Mann gestorben ist.

In diesen Fällen ist den Beteiligten nicht zumutbar, dass sie gegen ihr eigenes Empfinden auf einem Raum im PKW sitzen aber nicht alle eine Schutzmaske tragen dürfen. Auch der Verweis auf ein Taxi verfängt für mich nicht – das muss man sich zum einen leisten können und zum anderen ist es wegen dieses rein formalen Arguments für mich nicht mehr vertretbar, dass Familien sich entweder gar nicht mehr helfen können oder nur mit ungutem Gefühl (angesichts einer Regelung, ohne die der Strassenverkehr immerhin fast 70 Jahr in Deutschland auskam).

Dieser Fall wäre daher aus meiner Sicht eine Ausnahme, die auch Richtern in OWI-Sachen zu vermitteln sind, wobei ich sowohl von kontrollierenden Polizisten und auch der Ordnungsbehörde erwarte, dass man hier sein ggfs. nur rudimentär vorhandenes Rechtswissen proaktiv einsetzt und nicht nur an dem Wortlaut der StVO klebt. Denn: Dieses „Kleben am Wortlaut der Norm“ ist unserem Rechtssystem fremd, die Auslegung und sinnvolle Anwendung von Gesetzen ist Kern der Ausbildung von Juristen – und Vollstreckungsbehörden sollten dieses Instrument zumindest dem Grundsatz nach ebenso beherrschen.

Dieses „Kleben am Wortlaut der Norm“ ist unserem Rechtssystem fremd

Dass ich das so betonen muss liegt daran, dass in den letzten Jahren in meinem Alltag immer deutlicher wird, dass gerade jüngere Polizisten/O-Amtler hier einfach zu wenig Basics mitbringen und unnötige Verfahren erzeugen. Das Problem ist inzwischen allerdings durchaus bekannter geworden, wie etwa SPON berichtet hatte.


Landesregelungen beachten

Ich muss dazu aufrufen, sich mit den Landesregierungen zu beschäftigen. In NRW etwa ist laut der Vorab-Version der Verordnung, die ab morgen gelten soll, vorgesehen, dass es eine Pflicht zum Tragen nur unter bestimmten Umständen gibt, nicht allgemein. Insbesondere sind Berufs-Kraftfahrer vom Tragen der Maske als Pflicht ausgenommen (anders die Gäste im Personenverkehr!). Das bedeutet, es gibt keine Kollision mit der Norm.

Interessant wird es, wenn eine Landesverordnung tatsächlich eine ständige Pflicht vorsähe – hier würde sich m.E. eine so genannte „rechtfertigende Pflichtenkollision“ erheben, zu Gunsten der Pflicht zum Tragen von Masken.

Bedenken Sie auch, dass bei „Tricksereien“ schnell Fahrtenbuchauflagen drohen. Es lohnt sich schlichtweg nicht, irgendwelche Schlupflöcher zu suchen, allein um des querulatorischen Weges wegen.

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Jens Ferner

Rechtsanwalt

Corona-Pandemie ist keine Ausrede!

Im Ergebnis komme ich dahin, dass die Corona-Pandemie keine Ausrede ist, um nun pauschal das Gesicht zu verdecken und insbesondere kein „Schlupfloch“ darstellt, um nun mit verdecktem Gesicht durch die Städte zu rasen. So funktioniert es nicht.

Aber: Ebenso falsch wäre es, nun zu denken, dass es gar keine sinnvolle Ausnahmesituation gibt. Unter bestimmten Umständen muss man mit Ausnahmen leben, auch als Ordnungsbehörde.

Wenn man verantwortungsbewusst damit umgeht, darf man die Oma zum Arzt fahren und sowohl sich als auch die Oma mit einem Mundschutz schützen.

Aus meiner Sicht ist davon auszugehen, dass in all den Fällen, in denen auf der einen Seite ein rein formales Bußgeld steht, das man nur wegen des Tragens der Maske erhalten hat – auf der anderen Seite aber eine Situation vorlag, in der man geholfen und lediglich sich und andere geschützt hat, Richter sofort für eine zugänglich sein werden. Das bedeutet: Wenn man verantwortungsbewusst damit umgeht, darf man die Oma zum Arzt fahren und sowohl sich als auch die Oma mit einem Mundschutz schützen.

Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)

Rechtsanwalt Dieter Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht und Anwalt in der Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf. Spezialgebiete von RA DF: Verkehrsstrafrecht, Kapitalstrafsachen, Drogendelikte, Sexualstrafrecht und Arbeitsstrafrecht.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht.