Am 14. August 2024 (Az. 4 StR 135/24) entschied der Bundesgerichtshof (BGH) über die Revision eines Angeklagten, der wegen zahlreicher Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz (KrWaffG) und das Waffengesetz (WaffG) verurteilt worden war. Der Fall wirft grundlegende Fragen zum Umgang mit Kriegswaffen und Waffenrecht auf, darunter die Abgrenzung verschiedener Tathandlungen, die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips und die Behandlung von Scheingeschäften mit verdeckten Ermittlern.
Sachverhalt
Der Angeklagte, ein Betreiber einer Pizzeria, nutzte diese als Basis für den Handel mit Kriegswaffen und Munition. Zwischen 2020 und 2022 tätigte er mehrfach Waffengeschäfte mit einer Vertrauensperson der Polizei und einem verdeckten Ermittler. Zu den gehandelten Waffen gehörten unter anderem Sturmgewehre, Maschinenpistolen und halbautomatische Pistolen. Die Geschäfte fanden im Rahmen von Observationsmaßnahmen und unter Einsatz eines verdeckten Ermittlers statt, der die Transaktionen dokumentierte.
Das Landgericht Zweibrücken verurteilte den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten. Gegen das Urteil legte der Angeklagte Revision ein.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Konkurrenzen und Subsidiaritätsprinzip
Der BGH stellte klar, dass bestimmte Tathandlungen des KrWaffG, wie der Erwerb und die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen, zueinander in einem Subsidiaritätsverhältnis stehen. Der Auffangtatbestand des „sonst die tatsächliche Gewalt ausübt“ (§ 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffG) tritt hinter den spezifischeren Tatbestand des Erwerbs (§ 22a Abs. 1 Nr. 2 KrWaffG) zurück. Diese Präzisierung dient der Systematik des Kriegswaffenkontrollrechts und verhindert eine Überbestrafung.
Scheingeschäfte mit verdeckten Ermittlern
Ein zentraler Punkt der Entscheidung war die Bewertung von Scheingeschäften. Der BGH stellte fest, dass das „Überlassen“ von Kriegswaffen an verdeckte Ermittler keine Strafbarkeit auslöst, da die Waffen in staatliche Kontrolle überführt werden. Diese teleologische Reduktion berücksichtigt den Gesetzeszweck, nämlich die Verhinderung unkontrollierten Waffenverkehrs. Für den Versuch bleibt der Täter jedoch strafbar, sofern die subjektiven Voraussetzungen erfüllt sind.
Konkurrenzrechtliche Bewertung
Die gleichzeitige Ausübung der tatsächlichen Gewalt über mehrere Waffen führt nicht zu einer Tatmehrheit, sondern wird als Tateinheit behandelt, da die Handlungen einen einheitlichen Lebenssachverhalt darstellen. Dies gilt insbesondere, wenn Waffen über einen längeren Zeitraum gemeinsam verwahrt oder veräußert werden.
Rechtliche Würdigung und praktische Implikationen
Schutzgüter des Waffenstrafrechts
Das Waffenstrafrecht dient dem Schutz der öffentlichen Sicherheit, indem es den Zugang zu Waffen und Munition streng reglementiert. Der Gesetzgeber verfolgt mit dem KrWaffG insbesondere das Ziel, die Verbreitung von Kriegswaffen zu verhindern, während das WaffG sich auf den allgemeinen Umgang mit erlaubnispflichtigen Waffen konzentriert.
Die Differenzierung zwischen den Tatbeständen des Erwerbs, Besitzes und Überlassens von Waffen zeigt die Komplexität dieses Rechtsgebiets. Besonders im Kontext internationaler Sicherheitsfragen ist eine präzise Anwendung der Normen essenziell.
Relevanz der teleologischen Reduktion
Die Entscheidung betont die Notwendigkeit einer gesetzeszweckorientierten Auslegung. Scheingeschäfte mit verdeckten Ermittlern führen zwar nicht zur Vollendung bestimmter Straftatbestände, bleiben aber im Rahmen des Versuchs strafbar. Dies schützt die Integrität polizeilicher Ermittlungen, ohne den Gesetzeszweck zu unterlaufen.
Strafrechtliche Risiken für Betroffene
Betroffene, die in illegale Waffenaktivitäten verwickelt sind, müssen sich der weitreichenden Konsequenzen bewusst sein. Neben der Strafbarkeit von Kernhandlungen wie Erwerb oder Handel können bereits vorbereitende Akte wie die Weitergabe von Waffen an Nichtberechtigte oder das Lagern in unsicheren Räumen strafrechtlich relevant sein.
Der Beschluss des BGH zeigt die Vielschichtigkeit des Waffenstrafrechts und betont die Bedeutung einer systematischen und zweckorientierten Auslegung der Normen. Er bietet wertvolle Orientierung für den Umgang mit Kriegswaffen und verdeutlicht die Grenzen polizeilicher Ermittlungen.
Bedeutung für die Verteidigung
Verteidiger in waffenrechtlichen Verfahren müssen die genaue Abgrenzung von Tathandlungen und die Subsumtion unter die jeweiligen Tatbestände prüfen. Die Konkurrenzproblematik bietet Anknüpfungspunkte, um übermäßige Strafzumessungen anzufechten. Insbesondere in Fällen mit verdeckten Ermittlungen ist die Geltendmachung teleologischer Reduktionen ein wesentlicher Aspekt der Verteidigungsstrategie.
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