BGH zur Rechtmäßigkeit der Beweisverwertung von SkyECC-Chats

Der (BGH) hat am 9. Januar 2025 (Az. 1 StR 142/24) einen weiteren Beschluss zur Verwertbarkeit von Chatnachrichten des verschlüsselten Messengerdienstes SkyECC gefasst. Die Entscheidung erfolgte im Rahmen eines Verfahrens wegen zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und bestätigt die Zulässigkeit der Nutzung dieser Chats als Beweismittel.

Dabei stützte sich der BGH auf die Maßstäbe, die bereits in den sogenannten -Fällen entwickelt wurden. Diese Entscheidung ist deshalb bemerkenswert, weil sie zentrale Fragen zur internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen, zur Zulässigkeit verdeckter Überwachungsmaßnahmen und zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aufwirft.

Hintergrund: SkyECC und die Ermittlungen

SkyECC war ein verschlüsselter Kommunikationsdienst, der vor allem von kriminellen Netzwerken genutzt wurde. Die Telefone mit vorinstallierter SkyECC-Software waren ausschließlich für die Nutzung dieses Dienstes ausgelegt und konnten weder über gewöhnliche Online-Shops erworben noch mit Identitätsnachweisen registriert werden. Ab 2016 führten niederländische und belgische Behörden Ermittlungen durch, die ergaben, dass SkyECC vor allem zur Koordination umfangreicher Drogenhandelsaktivitäten diente. Überwachung und Entschlüsselung der Kommunikation wurden durch eine internationale Ermittlungsgruppe durchgeführt, an der auch Europol und die französischen Behörden beteiligt waren.

Die deutschen Strafverfolgungsbehörden erhielten die Inhalte der SkyECC-Chats über Rechtshilfeersuchen. Auf dieser Basis stützte das Landgericht München I seine Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln. Die Revision des Angeklagten wandte sich gegen die Verwertung dieser Chats und führte insbesondere an, dass die deutschen Behörden von der Überwachung gewusst und sie nicht untersagt hätten, was nach § 91g Abs. 6 IRG erforderlich gewesen wäre. Diese Argumentation wies der BGH zurück.

Die rechtliche Analyse: Warum die SkyECC-Chats verwertbar waren

1. Keine Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze

Der BGH stellte fest, dass die Beweiserhebung durch die französischen Behörden nicht gegen wesentliche rechtsstaatliche Grundsätze verstieß. Die Ermittlungsmaßnahmen basierten auf richterlichen Anordnungen und waren zeitlich begrenzt. Die Überwachung richtete sich gezielt gegen Nutzer, die im Verdacht standen, Straftaten von erheblichem Gewicht zu begehen, insbesondere den bandenmäßigen Drogenhandel. Damit unterschied sich die Maßnahme fundamental von einer anlasslosen Massenüberwachung.

Die Entscheidung des BGH betonte, dass auch umfangreiche Überwachungsmaßnahmen zulässig sind, solange sie auf konkreten Verdachtsmomenten beruhen und durch unabhängige Gerichte angeordnet werden. Dass die Überwachung große Datenmengen betraf, war nicht entscheidend, solange die Maßnahmen verhältnismäßig waren und sich nicht gegen Unbeteiligte richteten. Dieser Punkt ist besonders wichtig, da er zeigt, dass die bloße Größe einer Überwachungsmaßnahme nicht automatisch zu einem führt.

2. Kein Verwertungsverbot wegen fehlender Benachrichtigung Deutschlands

Ein weiterer zentraler Punkt der Entscheidung war die Frage, ob die fehlende Benachrichtigung der deutschen Behörden durch die französischen Ermittler ein Beweisverwertungsverbot begründet. Der BGH verneinte dies mit der Begründung, dass die Verletzung der Benachrichtigungspflicht aus Artikel 31 der Europäischen Ermittlungsanordnung (EEA) nicht ausreicht, um die Verwertbarkeit der Beweise in Deutschland auszuschließen. Die Pflicht zur Benachrichtigung diene zwar auch dem Schutz der Beschuldigten, müsse aber im Lichte des erheblichen staatlichen Interesses an der Aufklärung schwerwiegender Straftaten gesehen werden.

Nach Ansicht des BGH wäre ein Verwertungsverbot unverhältnismäßig gewesen, da die Überwachung rechtsstaatlich einwandfrei erfolgte und die Chats belastbare Hinweise auf die Beteiligung des Angeklagten am Drogenhandel lieferten. Diese Abwägung zwischen dem Interesse an effektiver Strafverfolgung und dem Schutz der Beschuldigten ist typisch für die deutsche Rechtsprechung und zeigt, dass nicht jeder Verfahrensverstoß automatisch ein Verwertungsverbot nach sich zieht.

3. Keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Die Verteidigung argumentierte zudem, dass die Verwertung der SkyECC-Chats das allgemeine des Angeklagten verletze. Der BGH wies dies zurück, weil die überwachten Inhalte sich ausschließlich auf kriminelle Aktivitäten bezogen und der Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht betroffen war. Die Ermittlungsmaßnahmen waren gezielt auf die Kommunikation über Straftaten ausgerichtet und umfassten keine persönlichen oder vertraulichen Informationen des Angeklagten außerhalb der Straftaten.

Die Entscheidung macht deutlich, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht keinen absoluten Schutz bietet, sondern im Rahmen der Verhältnismäßigkeit abgewogen werden muss. Solange die Überwachung auf konkrete Verdachtsmomente beschränkt ist und keine Informationen aus dem privaten Lebensbereich betroffen sind, ist die Verwertung solcher Beweise zulässig.

Folgen der Entscheidung für die Praxis

Die Entscheidung des BGH hat erhebliche Folgen für die Praxis der Strafverfolgung in Deutschland. Sie bestätigt, dass die Verwertung international gewonnener Beweise auch dann zulässig ist, wenn bestimmte Verfahrensfehler vorliegen, solange diese nicht gegen fundamentale rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen. Für die Staatsanwaltschaften bedeutet dies mehr Rechtssicherheit bei der Nutzung von Daten, die im Rahmen internationaler Zusammenarbeit gewonnen wurden.

Gleichzeitig unterstreicht die Entscheidung die Bedeutung einer sorgfältigen und rechtmäßigen Durchführung von Überwachungsmaßnahmen, um die Verwertbarkeit der gewonnenen Beweise nicht zu gefährden. Die klare Abgrenzung zu anlasslosen Massenüberwachungen ist dabei ein wichtiges Signal für den Schutz der Persönlichkeitsrechte in Strafverfahren.

Fazit

Die Entscheidung des BGH vom 9. Januar 2025 schafft klare Leitlinien für die Verwertbarkeit von Beweisen aus internationalen Ermittlungen. Sie zeigt, dass selbst umfangreiche Überwachungsmaßnahmen zulässig sein können, wenn sie auf konkreten Verdachtsmomenten beruhen und rechtsstaatlich einwandfrei durchgeführt werden. Wobei man wohl diskutieren kann, was man unter “einwandfrei” versteht.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybersecurity & Softwarerecht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft.Als Softwareentwickler bin ich in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

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Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung.
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