Am 13. Februar 2025 entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf (Az.: 2 U 54/23) über die Rechtsansprüche einer Klägerin auf Vergütung und Schadensersatz im Zusammenhang mit mehreren Diensterfindungen eines ehemaligen Mitarbeiters. Im Zentrum des Falles standen Fragen der Passivlegitimation im Zuge eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB sowie die Auslegung geständnisfähiger Tatsachen nach § 288 Abs. 1 ZPO. Zudem beleuchtet das Urteil die Wirksamkeit vertraglicher Regelungen zur Übertragung von Arbeitnehmererfindungen im Lichte der AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB.
1. Passivlegitimation bei Betriebsübergang nach § 613a BGB
Materiell-rechtliche Aspekte der Passivlegitimation
Ein zentraler Streitpunkt war die Frage, ob die beklagte Gesellschaft überhaupt passivlegitimiert war, also ob sie als richtige Anspruchsgegnerin für die Forderungen der Klägerin infrage kam. Das Gericht stellte fest, dass Ansprüche aus dem Arbeitnehmererfindergesetz (ArbEG) nicht gegen eine Gesellschaft geltend gemacht werden können, die zum Zeitpunkt der Erfindungsmeldung und der Inanspruchnahme der Diensterfindung nicht mehr Arbeitgeberin des Erfinders war.
Diese Bewertung stützte sich auf § 613a BGB, der die Rechte und Pflichten aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis auf den Erwerber eines Betriebs überträgt. Da das Arbeitsverhältnis des Erfinders Dr. J. H. bereits zum 1. Juli 2001 durch einen Betriebsübergang auf die Beklagte übergegangen war, kam es maßgeblich darauf an, ob die Inanspruchnahme der Diensterfindungen durch die richtige Arbeitgeberin erfolgt war.
Rubrumsberichtigung und Klarheit der Arbeitgeberstellung
Das OLG lehnte eine Korrektur der Parteibezeichnung durch Rubrumsberichtigung ab. Eine solche Berichtigung kommt nur dann in Betracht, wenn sich aus der Klageschrift und den Anlagen zweifelsfrei ergibt, dass die im Rubrum bezeichnete Gesellschaft nicht die richtige Anspruchsgegnerin ist. Da dies nicht der Fall war und die Klägerin ihre Klage nicht auf die tatsächliche Arbeitgeberin beschränkt hatte, fehlte es an der notwendigen Passivlegitimation. Das Urteil bestätigt damit die bisherige Rechtsprechung des BGH, die eine strikte Auslegung der Passivlegitimation im Kontext von Betriebsübergängen verlangt, um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden.
2. Geständnisfähige Tatsachen nach § 288 Abs. 1 ZPO
Juristisch eingekleidete Tatsachen als Geständnisgegenstand
Ein weiterer wesentlicher Punkt des Urteils war die Frage, welche Tatsachen nach § 288 Abs. 1 ZPO Gegenstand eines Geständnisses sein können. Das Gericht stellte klar, dass nicht nur „reine Tatsachen“, sondern auch juristisch eingekleidete Tatsachen, die präjudizielle Rechtsverhältnisse betreffen, geständnisfähig sind. Im konkreten Fall ging es um die Erklärung der Beklagten, die Erfindungen uneingeschränkt in Anspruch genommen zu haben. Diese Erklärung stellte eine geständnisfähige Tatsache dar, die im Prozess als unstreitig galt. Auch die Übertragung der Erfindungsrechte an die Arbeitgeberin auf der Grundlage dieser Inanspruchnahme war damit bindend und einer erneuten Überprüfung entzogen.
Präjudizielle Rechtsverhältnisse und ihre Bindungswirkung
Das Gericht führte aus, dass geständnisfähige Tatsachen nicht nur einfache Tatsachen umfassen, sondern auch solche, die das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses präjudizieren. Die Anerkennung der Inanspruchnahme durch die Beklagte hatte daher unmittelbare Bindungswirkung für die Frage der Rechteübertragung und der Vergütungspflicht. Dieses Verständnis erweitert die Bedeutung des Geständnisses im Zivilprozessrecht erheblich, insbesondere in komplexen Fällen wie dem vorliegenden.
3. Vertragsgestaltung und AGB-Kontrolle bei Arbeitnehmererfindungen
Formularmäßige Vereinbarungen und die Übertragung von Erfindungsrechten
Ein besonders kontroverser Aspekt des Urteils betraf die Wirksamkeit formularmäßiger Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Übertragung von Erfindungsrechten. Das Gericht sah keine Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit einer Klausel, die vorsah, dass die Rechte an Diensterfindungen auch dann auf den Arbeitgeber übergehen, wenn die Inanspruchnahme unwirksam sein sollte.
Diese Regelung zielte darauf ab, die Rechtssicherheit für den Arbeitgeber zu erhöhen und eine doppelte Absicherung zu schaffen: Zum einen durch die formale Inanspruchnahme der Erfindung, zum anderen durch eine vorsorgliche Rechteübertragung im Falle einer Unwirksamkeit dieser Inanspruchnahme.
AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB: Keine unangemessene Benachteiligung
Das Gericht prüfte die Klausel anhand der §§ 305 ff. BGB und stellte fest, dass keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers vorliege. Entscheidendes Kriterium war die Vorhersehbarkeit der Rechtsfolgen für den Arbeitnehmer: Es sei nachvollziehbar und zu erwarten gewesen, dass der Arbeitgeber nur dann eine Vergütung für die Erfindung zahlen würde, wenn ihm auch die entsprechenden Rechte daran zustünden.
Darüber hinaus sah das Gericht die Transparenzanforderungen des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB als erfüllt an. Die Klausel war hinreichend klar formuliert und ließ keinen Zweifel daran, unter welchen Voraussetzungen die Rechteübertragung erfolgen sollte. Eine überraschende Klausel im Sinne des § 305c BGB lag ebenfalls nicht vor, da die Vereinbarung dem typischen Regelungsinhalt von Arbeitsverträgen mit Bezug auf Diensterfindungen entsprach.
Bewertung im Lichte des ArbEG und der Vertragsfreiheit
Die Entscheidung des OLG stärkt die Vertragsfreiheit im Bereich der Arbeitnehmererfindungen und bestätigt die Zulässigkeit vorsorglicher Rechteübertragungen durch formularmäßige Vereinbarungen. Das Gericht stellte klar, dass solche Regelungen nicht nur dem Arbeitgeber zugutekommen, sondern auch zur Vermeidung von Rechtsunsicherheiten für beide Vertragsparteien beitragen.
Die AGB-rechtliche Kontrolle beschränkt sich dabei auf die Prüfung, ob die Regelung überraschend oder unangemessen benachteiligend ist. Solange dies nicht der Fall ist, bleibt es den Parteien unbenommen, die Übertragung von Erfindungsrechten umfassend zu regeln.
Fazit
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf setzt deutliche Akzente in der Auslegung des Arbeitnehmererfindungsrechts sowie des AGB-Rechts. Sie stellt klar, dass die Passivlegitimation bei Betriebsübergängen streng zu prüfen ist und geständnisfähige Tatsachen im Zivilprozessrecht eine erhebliche Bindungswirkung entfalten. Zudem bestätigt das Urteil die Zulässigkeit formularmäßiger Übertragungsvereinbarungen für Diensterfindungen, sofern diese klar und vorhersehbar ausgestaltet sind. Damit schafft das Urteil Rechtssicherheit für Arbeitgeber und zeigt zugleich die Grenzen der AGB-Kontrolle auf. Für Arbeitnehmer unterstreicht die Entscheidung die Bedeutung sorgfältiger Vertragsprüfung und -gestaltung im Zusammenhang mit Diensterfindungen.
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