Als ich den Auszug aus dem Sachverhalt einer Streitigkeit vor dem AG München (122 C 6879/09) gelesen hatte, dachte ich an ein dèjá vu:
Anfang Februar 2009 ersteigerte jemand für 3100 Euro dieses Fahrzeug. Anschließend wurde zusätzlich zwischen beiden ein schriftlicher Kaufvertrag mittels eines ADAC-Kaufvertragsformulars geschlossen.
Klar natürlich: Während in der Auktion noch ein „gebrauchter, aber gut erhaltener Zustand“ zugesichert wurde, war es letztlich eine Möhre. Doch warum kam mir das so bekannt vor? Weil ich kürzlich beim Landgericht Aachen auf einen ähnlichen Fall gestoßen bin und hier an eine Masche glaube: Man verkauft zuerst etwas bei eBay, später wird dann dem Käufer ein schriftlicher Vertrag angedient. In dem sind dann man bestimmte Felder gar nicht ausgefüllt (beim LG Aachen z.B. die Auswahlfelder ob der Wagen Unfallfrei ist) oder eben es steht was ganz anderes drin (etwa ein Gewährleistungsausschluss wie nun beim AG München).
Nun stellen sich im (vorprogrammierten) Streitfall die Verkäufer gerne auf den Standpunkt, dass man ja einen einen schriftlichen Vertrag geschlossen hätte und dieser an die Stelle des eBay-Vertrages getreten sei. Und ich finde, man darf Laien, die sich hier verunsichern lassen, nicht böse sein. Dennoch ist es ein nutzloser Versuch.
Das AG München ging einen klugen Weg, der inhaltlich überzeugt: Das Gericht sah keinen neuen Kaufvertrag, sondern nur den Willen, den via eBay geschlossenen Kaufvertrag zu modifizieren hinsichtlich des Preises, weil entgegen der Beschreibung ein Rückspiegel beschädigt war. Es ist damit zu rechnen, dass bei dieser Masche der Verkäufer versuchen wird, mit eben diesem Argument („Oh, mir ist ein Fehler unterlaufen – ändern wir doch bitte den Vertrag, ich mache auch Abstriche beim preis“) den Käufer zu überzeugen, einen schriftlichen Vertrag zu unterzeichnen. Bei diesem Verhalten handelt es sich aber eindeutig um eine Modifizierung. Und wenn dann plötzlich (bei einem Verzicht auf 50 Euro wie vor dem AG München) ganze Bauteile wie eine Standheizung fehlen, wird kein Richter glauben, dass der Käufer das wirklich so wollte.
Was heißt das nun: Vorsicht muss geboten sein, wenn nach einem eBay-Kauf plötzlich ein schriftlicher Vertrag angeboten wird. Man sollte sich genau überlegen, was man da eigentlich tut – und im Regelfall, wenn man ohnehin nur eine kleine Modifizierung wünscht, sollte auch genau das festgehalten werden.
Die Pressemitteilung aus München:
Eine Frau bot über die Internetplattform e-bay einen PKW VW T4 Multivan an. Bei der
Beschreibung des Fahrzeugs gab sie an, dass es sich in einem gebrauchten, aber gut
erhaltenen Zustand befinde. Es sei unfallfrei, scheckheftgepflegt und mit Standheizung und Tempomat ausgestattet.
Anfang Februar 2009 ersteigerte jemand für 3100 Euro dieses Fahrzeug. Anschließend
wurde zusätzlich zwischen beiden ein schriftlicher Kaufvertrag mittels eines ADAC-Kaufvertragsformulars geschlossen. Da der linke Außenspiegel des Fahrzeugs beschädigt war, einigte man sich auf einen um 50 Euro reduzierten Kaufpreis.
Als der Käufer das Fahrzeug erhielt, stellte sich heraus, dass das Auto weder über Standheizung noch über einen Tempomat verfügte. Es wies einen Kilometerstand von
233 000 Kilometer auf. Laut dem Serviceheft erfolgte die letzte Wartung in einer Werkstatt Anfang 2004 bei einem Kilometerstand von 195 648. Eine weitere Inspektion bei Kilometerstand 220 000 war entgegen der Empfehlung der Werkstatt nicht durchgeführt worden.
Der Käufer erklärte deshalb sofort den Rücktritt und wollte seinen Kaufpreis zurück. Die
Verkäuferin weigerte sich. Der Kaufvertrag sei gemäß dem ADAC-Kaufvertragsformular
zustande gekommen. Hier sei vereinbart worden, dass der Käufer das Fahrzeug wie besehen erwerbe. Daher käme es auf die Fahrzeugbeschreibung bei e-bay nicht an. Es sei eine Gewährleistungsausschluss vereinbart worden. Im Übrigen sei sie nicht zur Nachbesserung aufgefordert worden.
Der Käufer erhob Klage vor dem Amtsgericht München und bekam von der zuständigen Richterin Recht: Der Käufer sei wirksam zurückgetreten. Das Fahrzeug weise einen Mangel auf, da es nicht über eine Sitzheizung und einen Tempomaten verfüge, obwohl beides nach dem Kaufvertrag geschuldet sei. Die Beklagte habe schließlich bei der Fahrzeugbeschreibung unter dem Punkt „Komfortausstattung“ beides versprochen. Der Kaufvertrag sei auch durch den Zuschlag des Anbietenden schon auf e-bay wirksam geschlossen worden. Dass die Sitzheizung und der Tempomat in dem schriftlichen ADAC-Kaufvertragsformular nicht aufgeführt wurden, ändere daran nichts. Die Parteien hätten insoweit keinen neuen Kaufvertrag geschlossen.
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Die Parteien hätten den ursprünglichen Kaufvertrag nur hinsichtlich des Preises modifizieren wollen. Es lasse sich dem Vertrag nicht entnehmen, dass die Verkäuferin auch von ihren sonstigen Zusagen Abstand nehmen wollte und der Käufer damit einverstanden gewesen sei.
Die Parteien hätten auch die Gewährleistung nicht wirksam ausgeschlossen. Die Verkäuferin könne sich nicht durch widersprüchliches Verhalten von ihrer Gewährleistungspflicht befreien. Sie könne nicht eine ganz bestimmte Beschaffenheit angeben und sich dann auf schriftliche Klauseln über den Gewährleistungsausschluss berufen. Im Übrigen habe sie auch arglistig gehandelt, da sie Beschaffenheiten zugesichert habe, die gar nicht vorlagen. Aufgrund dessen habe der Käufer auch gleich zurücktreten dürfen. Sich wegen einer Nachbesserung an die Verkäuferin zu wenden, sei ihm nicht zuzumuten.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Urteil des AG München vom 11.12.2009, AZ 122 C 6879/09
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