Anwendbarkeit des Jugendstrafrechts bei Straftaten vor und nach Vollendung des 21. Lebensjahres

Der (BGH) hat in seinem Beschluss vom 16. Mai 2024 (3 StR 379/23) zur Anwendbarkeit des Jugendstrafrechts bei Straftaten Stellung genommen, die teilweise vor und teilweise nach Vollendung des 21. Lebensjahres begangen wurden.

Sachverhalt

Der Angeklagte, geboren am 12. April 1997, beging mehrere Taten im Zusammenhang mit Geldwäsche. Diese Taten erfolgten sowohl vor als auch nach Vollendung seines 21. Lebensjahres. Im Jahr 2017 fasste der Angeklagte gemeinsam mit seinen Eltern den Entschluss, Gelder aus Betrugstaten zum Nachteil des Jobcenters zur Finanzierung eines Immobilienkaufs zu verwenden. Die konkreten Geldtransaktionen und Verschleierungshandlungen erstreckten sich vom 4. Januar 2018 bis zum 9. August 2018. Der Angeklagte vollendete am 12. April 2018 sein 21. Lebensjahr.

Rechtliche Einordnung

Das Landgericht hatte versäumt zu prüfen, ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht anzuwenden ist. Der BGH stellte klar, dass diese Frage in Betracht zu ziehen sei, wenn eine Tat sowohl vor als auch nach Vollendung des 21. Lebensjahres begangen wurde. Hierbei ist § 32 JGG in Verbindung mit § 105 Abs. 1 JGG maßgeblich. Diese Regelungen sind auch analog anwendbar, wenn sich mehrere strafrechtlich bedeutsame Vorgänge, die im Rechtssinne als eine Tat zu werten sind, über mehrere Altersstufen hinziehen.

Kriterien für die Anwendung des Jugendstrafrechts

Entscheidend für die Anwendung des Jugendstrafrechts ist, ob das Schwergewicht der Tat im Zeitraum liegt, in dem der Täter als Heranwachsender im Sinne des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) zu beurteilen ist. Diese Beurteilung obliegt dem Tatgericht nach pflichtgemäßem Ermessen und ist grundsätzlich der Nachprüfung durch das Revisionsgericht entzogen:

Gemäß § 32 JGG kommt es daher maßgeblich darauf an, ob das Schwergewicht bei Tatteilen liegt, die nach Jugendstrafrecht zu beurteilen wären (…). Diese Beurteilung ist im Wesentlichen Tatfrage, die das Tatgericht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden hat und daher der Nachprüfung durch das Revisionsgericht grundsätzlich entzogen ist (…). Lässt sich nicht eindeutig erkennen, ob das Schwergewicht bei den vom Angeklagten als Heranwachsender begangenen und nach Jugendstrafrecht zu beurteilenden Straftaten liegt, so ist für alle Taten allgemeines Strafrecht anzuwenden

Konsequenzen der Versäumnisse des Tatgerichts

Da das Landgericht keine Überlegungen zur Anwendbarkeit des Jugendstrafrechts angestellt hatte, wurde der Strafausspruch aufgehoben. Dies zieht auch die Aufhebung der Einziehungsentscheidung nach sich. Das Revisionsgericht kann diese tatrichterliche Prüfung nicht ersetzen, weshalb die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen wurde.

Fazit

Der BGH betont die Notwendigkeit, bei Straftaten, die sich über die Vollendung des 21. Lebensjahres hinaus erstrecken, sorgfältig zu prüfen, ob Jugendstrafrecht oder allgemeines Strafrecht zur Anwendung kommt. Das Gewicht der einzelnen Tathandlungen und deren zeitliche Einordnung sind hierbei entscheidend. Durch die Rückverweisung an eine Jugendkammer soll gewährleistet werden, dass diese Prüfung ordnungsgemäß durchgeführt wird.

Dieser Beschluss verdeutlicht die Bedeutung einer differenzierten Betrachtung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit bei Heranwachsenden und jungen Erwachsenen, um eine gerechte und angemessene Sanktionierung sicherzustellen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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