Der Tatrichter muss für seine Entscheidung, von einem Regelfahrverbot abzusehen, eine eingehende, auf Tatsachen gestützte Begründung geben. Diese darf sich nicht nur in einer unkritischen Wiedergabe der Einlassung des Betroffenen erschöpfen.
Beschluss 4 Ss OWi 728/04 OLG Hamm
Das Amtsgericht hat seinen Rechtsfolgenausspruch wie folgt begründet: \r\n
„Er hat sich dahingehend eingelassen, dass er an Boriolose erkrankt sei. Diese zunächst nicht erkannte Krankheit habe zu einer schweren Beschädigung eines Rückenwirbels geführt. Er sei zu außergewöhnlich häufigen und umfangreichen Behandlungen bei drei verschiedenen Ärzten genötigt. Zum Anfahren dieser Ärzte könne er auf seinen privaten PKW nicht verzichten, zumal er in Winterberg-Siedlinghausen wohne und die dortigen Verkehrsverbindungen, insbesondere auch zu dem Arzt seines Vertrauens in Warstein-Hirschberg einen Besuch ausschlössen. \r\n
Trotz erheblicher Bedenken ist das Gericht der Meinung, dass hier von der Verhängung eines Fahrverbots gem. § 4 Abs. 4 Bußgeldkatalogverordnung abgesehen werden kann gegen angemessene Erhöhung der Geldbuße, hier also Verdoppelung auf 150,00 €.“ \r\n
Zwar kann das Amtsgericht im Einzelfall von der Verhängung eines Regelfahrverbotes absehen, wenn eine erhebliche Härte oder zumindest eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher Umstände vorliegen, die das Tatgeschehen aus dem Rahmen typischer Begehungsweise im Sinne einer Ausnahme herausheben. Der Richter muss jedoch nach übereinstimmender Rechtsprechung der Obergerichte die Grundentscheidung des Verordnungsgebers für Verkehrsverstöße der vorliegenden Art respektieren und für seine Entscheidung eine eingehende, auf Tatsachen gestützte Begründung geben. Diese darf sich insbesondere nicht nur in einer unkritischen Wiedergabe der Einlassung des Betroffenen erschöpfen (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Juli 2003 – 4 Ss OWi 585/03 OLG Hamm m. w. N.). Gegen diese Grundsätze verstößt die angefochtene Entscheidung, da der Tatrichter weder die vom Betroffenen angegebene Erkrankung noch die behaupteten Krankheitsfolgen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft und mithin die Einlassung des Betroffenen unkritisch übernommen hat. Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, warum der Betroffene nicht für die Dauer eines Monats die von ihm für erforderlich gehaltenen Fahrten zu verschiedenen Ärzten nicht mit Hilfe eines Fahrers oder eines Taxis durchführen können soll.
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