Wann liegt eine strafbare Beleidigung vor: Immer wieder für Nachfragen sorgt die Thematik der „Beleidigung“. Wann liegt eine solche schon vor, wann (noch) eine zulässige Meinungsäusserung? Gerne wünschen Betroffene dabei eine detaillierte Kasuistik, heisst, man wünscht für eine konkrete Aussage die konkrete Bewertung, dass dies „eindeutig unzulässig“ ist. Doch so einfach ist es nicht, denn am Ende kommt es immer auf eine Würdigung des Gesamtbildes an. Und da liegt die Unsicherheit bei der Frage, was nun eine Beleidigung ist.
Dazu auch bei uns:
- Schmerzensgeld nach einer Beleidigung
- Bundesverfassungsgericht zur Meinungsäußerungsfreiheit vs. Beleidigung
Zulässigkeit von Äußerungen
Bei der Frage, welche Äusserungen zulässig sind, fange ich gerne hinten in der juristischen Prüfung an. Als erstes ist zu Fragen, ob überhaupt eine Meinungsäußerung oder nicht vielmehr eine Tatsachenbehauptung vorliegt. Wenn dies geklärt ist, muss man mehrstufig vorgehen:
- Unzulässig ist die Meinungsäußerung, die sich als Verletzung der Menschenwürde, Formalbeleidigung oder Schmähkritik einordnen lässt;
- Wenn man dies verneint, ist eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Ehrenschutz vorzunehmen, wobei alle wesentlichen Umstände des Falles zu berücksichtigen sind und hierbei auch die Schwere der Beeinträchtigung der betroffenen Rechtsgüter einzubeziehen ist (zusammenfassend OLG Köln 1RVs 180/19; 1RVs 110/17; 1RVs 296/17; 1 RVs 150/18)
Die Kundgabe der Missachtung muss sich durch ein Verhalten mit einem entsprechenden Erklärungswert manifestieren. Dabei kann die Äußerung mündlich, schriftlich, bildlich, symbolisch, durch Gesten, schlüssige Handlungen oder Tätlichkeiten erfolgen. Zudem muss sich der Täter mit dem ehrenrührigen Inhalt seiner Äußerung identifizieren. Die Weitergabe beleidigender Urteile Dritter reicht ebenso wenig wie die bloße Wiedergabe einer fremden ehrenrührigen Tatsachenbehauptung gegenüber dem Betroffenen. Erforderlich für eine Beleidigung ist weiterhin, dass eine Kenntnisnahme der Äußerung durch einen anderen als den Adressaten als ehrenrührig wahrgenommen werden muss. Es ist also der objektive Sinngehalt zu ermitteln. Maßgebend ist, dafür, wie ein verständiger Dritter unter Beachtung der Begleitumstände und des Gesamtzusammenhangs die Äußerung versteht.
Strafbarkeit von Beleidigungen
Eine Beleidigung ist strafbar entsprechend §185 StGB:
Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
§185 StGB
Hier gilt, dass eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB dann begangen wird, wenn man einen anderen rechtswidrig in dessen Ehre angreift. Dies indem er vorsätzlich dem anderen durch eine Äußerung von Missachtung oder Nichtachtung seinen sittlichen, personalen oder sozialen Geltungswert ganz oder teilweise abspricht, ihm also unter einem dieser drei Aspekte seine Minderwertigkeit oder Unzulänglichkeit attestiert (OLG Köln, 1RVs 6/12). Dabei erfasst die strafbare Beleidigung sowohl herabsetzende Werturteile als auch ehrverletzende Tatsachenbehauptungen – so genannte „Formalbeleidigungen“ im Sinne des § 192 StGB.
Abwägung der Rechtsgüter
Ob eine an sich ehrverletzende Meinungsäußerung noch durch das Grundrecht des Art. 5 GG beziehungsweise als berechtigte Interessenwahrnehmung geschützt ist oder ob sie ihren Grundrechtsschutz verliert erfordert eine umfassende Prüfung unter Berücksichtigung folgender Faktoren (hierzu zusammenfassend Oberlandesgericht Köln, 1 RVs 180/19):
- Persönlichkeit des Täters,
- gewöhnliche Ausdrucksweise des Täters,
- durch den Anlass der Interessenwahrnehmung hervorgerufene besondere Erregung,
- alle sonstigen wesentlichen Umstände des Einzelfalls.
Dabei kommt der zutreffenden Deutung von Äußerungen bei der Prüfung von Beeinträchtigungen der Meinungsfreiheit und des Persönlichkeitsrechts weichenstellende Bedeutung zu. Durch eine unzutreffende Deutung von Äußerungen darf weder die Meinungsfreiheit noch der grundrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts verkürzt werden (zu alle dem siehe BVerfG, 1 BvR 49/00; 1 BvR 55/00; 1 BvR 2031/00; „Babycaust“).
Kunstfreiheit
Insbesondere im Bereich kritischer oder satirischer Auseinandersetzung muss man vorsichtig sein: So ist mit gefestigter Rechtsprechung des OLG Köln zu bedenken, dass es auch im Bereich von Karikatur und Satire am Merkmal der Beleidigung nur dann fehlt, wenn die Überzeichnung menschlicher oder sachlicher Schwächen eine ernstliche Herabwürdigung der Person nicht enthält (siehe Oberlandesgericht Köln, 1 RVs 180/19). Die Kunstfreiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG unterliegt zwar nicht dem Gesetzesvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG, sie gilt aber gleichwohl nicht schrankenlos und kann ihrerseits durch verfassungsrechtlich legitimierte Werte, insbesondere durch die in Art. 1 GG garantierte Würde des Menschen sowie durch verfassungsrechtlich geschützte Persönlichkeitsrechte, begrenzt werden.
Kritik an Maßnahmen staatlicher Gewalt
Auch wenn mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG grundsätzlich eine Gewichtung der Beeinträchtigung vorzunehmen ist, die der Meinungsfreiheit des sich Äußernden einerseits und der persönlichen Ehre des von der Äußerung Betroffenen andererseits droht, betont das Bundesverfassungsgericht immer wieder, dass das Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, zum Kernbereich der Meinungsfreiheit gehört – weshalb deren Gewicht insofern besonders hoch zu veranschlagen ist (nochmals hervorgehoben im Jahr 2019 in BVerfG, 1 BvR 2433/17).
Die Meinungsfreiheit erlaubt es insbesondere nicht, den Betroffenen auf das „zur Kritik am Rechtsstaat Erforderliche zu beschränken“ und ihm damit ein Recht auf polemische Zuspitzung abzusprechen, so das BVerfG ausdrücklich. Insbesondere müssen sich auch Richter eine teils harsche und beissende Kritik gefallen lassen, ich hatte den gerichtlich erzwungene Respekt erfolgreich bereits beim OLG Köln selber zum Thema gemacht, darüber hinaus gilt mit dem BVerfG, dass Historische Vergleiche mit nationalsozialistischer Praxis für sich besehen nicht die Annahme des Vorliegens von Schmähkritik begründen (so ausdrücklich BVerfG, 1 BvR 2973/14 und dann nochmals 1 BvR 2433/17).
Keine vorschnelle Annahme einer Schmähkritik
Einen Sonderfall bei der Auslegung und Anwendung der §§ 185 ff. StGB bilden herabsetzende Äußerungen, die sich als so genannte Formalbeleidigung oder Schmähkritik darstellen. In diesen Fällen ist mit gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird.
Diese für die Meinungsfreiheit einschneidende Folge verlangt dann aber, dass hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik strenge Maßstäbe angelegt werden. Die Qualifikation einer ehrenrührigen Aussage als Schmähkritik und der damit begründete Verzicht auf eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Ehre erfordern mit dem Bundesverfassungsgericht regelmäßig die Berücksichtigung von Anlass und Kontext der Äußerung, wie Eingangs bereits dargestellt.
Daher, wegen dieses „die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts“ ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassung wegen immer eng zu verstehen. Merkmal der Schmähung ist die das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung. Von ihr ist daher nur dann auszugehen, wenn sich der ehrbeeinträchtigende Gehalt der Äußerung von vorneherein außerhalb jedes in einer Sachauseinandersetzung wurzelnden Verwendungskontextes bewegt.
Ansprüche des Verletzten einer Beleidigung
Im Persönlichkeitsrecht gibt es eine Mehrzahl wichtiger Ansprüche für Verletzte. Hierbei sind die folgenden Ansprüche von besonderer Bedeutung, bei denen ein Rechtsanwalt für Persönlichkeitsrechte bzw. ein Medienanwalt helfen kann.
Grundsätzliche Ansprüche
Sie haben grundsätzliche Ansprüche bei Äusserungen im Allgemeinen, wenn die Äußerungen unzutreffend sind bzw. Sie in Ihrer Ehre verletzen:
- Gegendarstellung und Unterlassung
- Die Berichtigung: Speziell in der Form von Widerruf und Richtigstellung
- Auskunft, hieran anknüpfend dann Schadensersatz und Schmerzensgeld
Gegendarstellung
Im Presserecht, also wenn eine Äußerung in professionellen Medien im Raum steht, sollten Sie immer einen Blick auf die Möglichkeit der Gegendarstellung haben. Bei diesem Anspruch handelt es sich letztlich um einen Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Kombination mit dem Gedanken der „Waffengleichheit“ im Medienrecht. Wer von einer Publikation in der Presse betroffen ist, sich mit dem in der Öffentlichkeit auseinandersetzen muss, was das Medium da verbreitet, der muss sich auch mit „gleicher Waffe“ wehren können.
Schmerzensgeldanspruch nach Beleidigung
Es gibt die Möglichkeit eines Schmerzensgeldanspruchs nach Beleidigung oder anderer Persönlichkeitsrechtsverletzung. Doch dies ist kein Selbstläufer, denn bei der Frage ob es eine Zahlung gibt und wie hoch diese ausfällt, sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen. Es braucht im Ergebnis in der Rechtsprechung daher immer eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung, also etwa eine gravierende Beleidigung, für ein Schmerzensgeld bzw. eine Geldentschädigung (mehr dazu hier bei uns)
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