Wann ist bedingter Tötungsvorsatz anzunehmen?

Bedingter Tötungsvorsatz: Wann liegt ein bedingter Tötungsvorsatz vor? Die Frage stellt sich immer dann, wenn durch eine nicht auf den Tod zielgerichtete Handlung dazu führt, dass jemand stirbt – insbesondere im Straßenverkehr eine häufige Problematik. In rechtlicher Hinsicht ist mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein bedingter Tötungsvorsatz dann in zweistufiger Prüfung gegeben, wenn

  • der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und
  • dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit dem Eintritt des Todes abfindet, mag ihm im Ergebnis der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement)

Ihre Bejahung oder Verneinung kann dabei nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen. Dabei ist die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator (BGH, 4 StR 147/20).

Gefährliches Verhalten indiziert bedingten Tötungsvorsatz

Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt die Annahme von zumindest bedingtem Tötungsvorsatz zwar nahe (BGH, 2 StR 428/17). So liegt es bei gefährlichen Gewalthandlungen wie Messerstichen gegen den Oberkörper eines Tatopfers regelmäßig nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit, das Opfer könne dabei zu Tode kommen, rechnet und, weil er sein gefährliches Handeln gleichwohl fortsetzt, einen solchen Erfolg auch billigend in Kauf nimmt.

Auch in einem solchen Fall ist das Gericht jedoch nicht von einer umfassenden Prüfung beider Elemente des bedingten Tötungsvorsatzes und ihrer Darlegung in den Urteilsgründen entbunden (BGH, 4 StR 448/19). Voraussetzung der Anwendung der hier geschilderten Grundsätze ist aber stets der tragfähige Beleg der Gefährlichkeit der Tathandlung (5 StR 601/19).

Insbesondere bei der Würdigung des voluntativen Vorsatzelements ist es regelmäßig erforderlich, dass sich das Tatgericht auch mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung sowie seine Motivation in Betracht zieht (BGH, 2 StR 140/20 und 2 StR 323/21).

Einzelheiten müssen beachtet werden

Das Wissens- oder das Willenselement des Vorsatzes können aber auch hier im Einzelfall fehlen, etwa wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko einer Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung oder alkoholischen Beeinflussung zur Tatzeit nicht bewusst ist (BGH, 2 StR 176/13, 1 StR 704/86) – oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (5 StR 601/19). Das Vertrauen auf einen glimpflichen Ausgang lebensgefährdenden Tuns darf dabei aber nicht auf bloßen Hoffnungen beruhen, sondern muss tatsachenbasiert sein (5 StR 517/18).

Hochgradige Alkoholisierung und psychische Beeinträchtigungen gehören daher zu den Umständen, die der Annahme eines bedingten Vorsatzes entgegenstehen können und deshalb ausdrücklicher Erörterung in den Urteilsgründen bedürfen (BGH, 4 StR 251/18).

Auseinandersetzung durch das Tatgericht bei bedingtem Tötungsvorsatz

Insbesondere bei der Würdigung des voluntativen Vorsatzelements („Willenselement“) ist es regelmäßig erforderlich, dass sich das Gericht mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung sowie seine Motivation mit in Betracht zieht (BGH, 4 StR 502/10).

Hochgradige Alkoholisierung und affektive Erregung gehören dabei zu den Umständen, die der Annahme eines Tötungsvorsatzes entgegenstehen können und deshalb in den Urteilsgründen erörtert werden müssen (BGH, 4 StR 251/18 und 4 StR 185/05).

Der drückt die Frage er Prüfung des Tötungsvorsatzes dann so aus:

Bedingter Tötungsvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit dem Eintritt des Todes abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement).

Beide Elemente des bedingten Vorsatzes müssen in jedem Einzelfall umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 1. März 2018 – 4 StR 399/17 aaO, 1623; vom 7. Juli 2016– 4 StR 558/15, BGHR § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 67). Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalls erfolgen (vgl. BGH, Urteile vom 1. März 2018 – 4 StR 399/17 aaO, 1623; vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186), in welche insbesondere die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen sind (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, NStZ 2013, 581, 582).

Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau stellt die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung einen wesentlichen Indikator sowohl für das kognitive als auch für das voluntative Vorsatzelement dar (vgl. BGH, Urteile vom 7. Juli 2016 – 4 StR 558/15 aaO; vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13 aaO; vom 23. Februar 2012– 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444 mwN). Hat der Täter eine offensichtlich äußerst gefährliche Gewalthandlung begangen, liegt es – vorbehaltlich in die Gesamtbetrachtung einzustellender gegenläufiger Umstände des Einzelfalls – nahe, dass er den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Tuns erkannt und, indem er gleichwohl sein gefährliches Handeln begonnen oder fortgesetzt hat, den Todeserfolg auch billigend in Kauf genommen hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 7. Juli 2016 – 4 StR 558/15 aaO; vom 1. Dezember 2011– 5 StR 360/11, NStZ 2012, 207, 208 mwN).

BGH, 4 StR 432/18
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht.