Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat einen Angeklagten wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens zu einer Geldstrafe verurteilt, nachdem dieser sich innerorts mit einer Zivilstreife ein Rennen lieferte (Amtsgericht Frankfurt am Main, Urt. v. 18.10.2021, 975 Ds 3230 Js 217464/21).
Nach den Feststellungen des Gerichts beobachtete eine Zivilstreife den Angeklagten dabei, als er innerorts an einer Ampel einen sog. Kavalierstart hinlegte. Als die Beamten sich daraufhin dazu entschlossen, den Angeklagten einer Verkehrskontrolle zu unterziehen, und zum Überholen ansetzten, beschleunigte der Angeklagte mit seinem Fahrzeug Marke BMW, Modell 535d, auf mindestens 117 km/h. Entsprechend seinem spontan gefassten Plan wollte der Angeklagte eine möglichst hohe Geschwindigkeit erreichen, da er die Zivilstreife für einen mutmaßlichen Rennkonkurrenten hielt.
Das Amtsgericht Frankfurt am Main sah den Angeklagten im Ergebnis der Hauptverhandlung des verbotenen Kraftfahrzeugrennens nach § 315d StGB überführt. Der Angeklagte habe sich mit unangepasster Geschwindigkeit fortbewegt, nachdem er die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als das Doppelte überschritten habe, was zugleich auch grob verkehrswidrig sei. Die Strafverfolgung sei nach dem Dafürhalten des Gerichts auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Verhalten der Polizeibeamten als Tatprovokation zu werten sei. Weder sei ihr Handeln materiell rechtswidrig gewesen, noch hätten die Beamten den Angeklagten zur Tat verleiten wollen. So habe die Beweisaufnahme ergeben, dass es den Beamten lediglich darauf ankam, den Angeklagten anzuhalten, als diese neben dem Angeklagten beschleunigten, um ihn zu überholen und vor ihm einzuscheren. Im Übrigen hätte der Angeklagte sich durch dieses, objektiv neutrale (Überhol-)Verhalten der Polizeibehörde, nicht provozieren lassen dürfen (Quelle: Pressemitteilung des Gerichts)
Insoweit führte das Gericht aus:
Bedenken an der Verfassungswidrigkeit, insbesondere der Unbestimmtheit der Norm (§ 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB) bestehen nicht. Die Norm kann vielmehr mithilfe der herkömmlichen Auslegungsmethoden ausgelegt werden (s. auch BGH, Beschl. v. 17.02.2021 – 4 StR 225/20 = NJW 2021, 1173).
Der Angeklagte befuhr die Fahrbahn mit unangepasster Geschwindigkeit, er überschritt die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als das doppelte. Dabei handelte er auch grob verkehrswidrig, dies ergibt sich bereits aus der Massivität des Geschwindigkeitsverstoßes.
Subjektiv wollte der Angeklagte die höchstmögliche Geschwindigkeit erreichen, dabei wollte er die zulässige Höchstgeschwindigkeit auch in erheblichem Maß überschreiten. Nach alldem ist der Tatbestand von § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB erfüllt. Er handelte dabei auch rechtswidrig und schuldhaft.
Eine Tatprovokation, die nach hiesiger Ansicht ein Strafverfolgungshindernis darstellen würde (so auch EGMR, Urt. v. 15.10.2020 – 40495/15 (Akbay u.a. ./. Deutschland) = BeckRS 2020, 28627) hat zur Überzeugung des Gerichts nicht stattgefunden. Eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation liegt dann vor, wenn dem Staat zurechenbare Akteure emotionalen oder sonstigen Druck ausüben, die Initiative ergreifen, ein Angebot zur Tatbegehung trotz Ablehnung erneuern oder insistieren (a.a.O., Rn. 112 ff; Payandeh, EMRK: Agent provocateur und faires Strafverfahren, JuS 2021, 185).
Aufgabe der Ermittlungsbehörden ist es, Straftaten aufzuklären und nicht erst zu solchen anzustiften. Um festzustellen, ob es sich bei den Ermittlungsmaßnahmen um lediglich „passive“ Maßnahmen, die der Strafverfolgung und Aufklärung dienen, handelt, muss festgestellt werden, aus welchem Grund bestimmte polizeiliche Maßnahmen vorgenommen werden. Es muss überprüft werden, ob es tatsächliche und objektive Verdachtsmomente für eine Straftat bzw. für eine zukünftige Begehung des jeweiligen Angeklagten gab (Rn. 114). Insbesondere muss evaluiert werden, ob der Angeklagte zum Objekt staatlichen Handelns gemacht und Druck auf ihn ausgeübt wurde, um eine Straftat zu begehen (Rn. 116).
Bei der Anwendung der oben genannten Kriterien liegt die Beweislast bei den Behörden. Es obliegt der Staatsanwaltschaft zu beweisen, dass keine Anstiftung vorlag, sofern die Behauptungen des Angeklagten nicht völlig unwahrscheinlich sind, dass es sich um eine Verleitung zur Straftat handelt (Rn. 118). Im Rahmen einer materiellen Prüfung muss festgestellt werden, ob die Ermittlungsbehörden den/ die jeweilige/n Angeklagte/n zur Begehung einer Straftat verleitet haben.
Nach der hiesigen Rechtsauffassung muss es für die Tatprovokation und die Verleitung zu einer Straftat – unter Beachtung der oben ausgeführten Kriterien – darauf ankommen, inwiefern das Handeln der jeweiligen Angehörigen einer Ermittlungsbehörde darauf abzielte, eine Straftat aufzudecken und inwiefern es für einen objektiven Dritten nachvollziehbar ist, die jeweilige Maßnahme zur Aufdeckung – und nicht zur Verleitung einer Straftat – zu ergreifen. Es kommt sowohl subjektiv auf die Vorstellung der handelnden Beamten/Beamtinnen an, als auch auf deren materielle Rechtmäßigkeit.
Aus der Beweiswürdigung ergibt sich, s.o., dass es den handelnden Polizeibeamten lediglich darauf ankam, den Angeklagten anzuhalten, als diese neben dem Angeklagten beschleunigten – um ihn zu überholen und vor ihm einzuscheren. Es ist nach der Beweisaufnahme objektiv nachvollziehbar, warum die Polizeibeamten diese Maßnahme ergriffen haben und den Angeklagten nicht direkt mit Blaulicht angehalten und diesem einer polizeilichen Kontrolle ausgesetzt haben. Selbst wenn die Polizeibeamten allerdings mit dem Vorsatz an dem Angeklagten vorbeigefahren wären, diesen zu einer Beschleunigung auf die höchstmögliche Geschwindigkeit zu provozieren, so hätte der Angeklagte sich durch dieses – objektiv neutrale Verhalten der Polizeibehörde des Überholens – nicht provozieren lassen dürfen. Es kann zumindest für den Angeklagten nicht anstiftend zu einem Kraftfahrzeugrennen wirken, dass er überholt wird.
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