Stille SMS: Der Bundesgerichtshof (3 StR 400/17) konnte in einem Beschluss nunmehr klären, dass § 100i Abs. 1 Nr. 2 StPO eine geeignete Rechtsgrundlage für das Versenden sogenannter „stiller SMS“ durch Ermittlungsbehörden ist und somit die Nutzung „stiller SMS“ zulässig ist. Damit ist die Ermittlung von Standort-Daten durch „stille SMS“ durch Ermittlungsbehörden letztlich geklärt worden.
Stille SMS
Eine stille SMS ist eine Kurznachricht, die versendet und zugestellt aber nirgendwo angezeigt wird – das Ziel ist die Ermittlung des Standortes des Empfängers durch die Ermittlungsbehörden:
Bei einer stillen SMS (auch „stealth ping“ genannt) wird eine spezielle Kurzmitteilung (SMS) an eine Mobilfunknummer gesandt, die zwar eine Verbin- dung mit dem angewählten Mobiltelefon erzeugt, jedoch von dessen Nutzer nicht bemerkt werden kann, da sie im Nachrichteneingang nicht angezeigt wird. Der Empfang der SMS bewirkt – wie eine gewöhnliche Telefonverbindung zu einem Mobilfunkgerät – eine Rückmeldung des Mobiltelefons bei der Funkzelle, in der es eingebucht ist, wodurch bei dem jeweiligen Netzbetreiber ein Ver- kehrsdatensatz erzeugt wird, der auch die Angabe der benutzten Funkzelle beinhaltet. Nach einer Abfrage der Daten bei dem Netzbetreiber kann – abhängig von der Größe der Funkzelle – der ungefähre Standort des Mobiltelefons im Zeitpunkt des Empfangs der stillen SMS bestimmt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass das angewählte Mobiltelefon eingeschaltet und empfangsbereit ist („Standby-Modus“).
Rechtsgrundlage für stille SMS
Es geht vorliegend um §100i Abs.1 StPO, der unter anderem festhält:
Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung (…) begangen hat (…) so dürfen durch technische Mittel (…) der Standort eines Mobilfunkendgerätes (…) ermittelt werden, soweit dies für die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten erforderlich ist.
Diese Fassung des Gesetzes existiert seit dem Januar 2008 und war seitdem von einiger Kritik seitens Strafverteidiger ausgesetzt. Dies nicht zuletzt, weil sich im Alltag ein ausuferndes Nutzungsverhalten der Ermittlungsbehörden zeigt und durch die Formulierung „technischer Mittel“ ein quasi grenzenloser technischer Katalog zur Ermittlung eröffnet wird.
Eben dieser Katalog ist für den BGH aber zulässig und eröffnet nun den Weg zur stillen SMS. Denn eigentlich ging es dem Gesetzgeber bei der Einführung dieser Vorschrift ganz zu Beginn – im Jahr 2002 – in erster Linie um den sogenannten „IMSI-Catcher“; doch hierauf ist die Norm schon ihrem Wortlaut nach ja nicht beschränkt. Der BGH wertet die Wahl des Begriffs „technische Mittel“ als einen zulässigen Weg, um dem technischen Fortschritt Rechnung tragen zu können und die Anwendbarkeit der Vorschrift auch für weitere kriminaltechnische Neuerungen offenzuhalten. Dies ist mit dem BGH und dem Bundesverfassungsgericht in der Tat verfassungsrechtlich zulässig und verletzt insbesondere nicht die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Anforderungen an Tatbestandsbestimmtheit und Normenklarheit, die für Vorschriften des Strafverfahrensrechts gelten. Dies mag man kritisch sehen, andererseits wäre es zu viel verlangt, wenn quasi für jedes einzelne technische Ermittlungsmittel eine einzelne ausdrückliche Benennung im Gesetz erfolgen müsste. Insgesamt verbleibt es damit bei der Zulässigkeit der stillen SMS, was der BGH auch mit der historischen Entwicklung begründet:
Die Gesetzgebungshistorie bestätigt die Zulässigkeit der Subsumtion der stillen SMS unter diese Vorschrift. Die stille SMS zur Ermittlung des ungefähren Standorts eines Mobilfunkgeräts wird meist observationsunterstützend eingesetzt. Nachdem § 100i Abs. 1 Nr. 2 StPO in seiner ursprünglichen Fas- sung die Ermittlung des Standorts eines Mobilfunkendgeräts nur zur vorläufigen Festnahme oder Ergreifung des Täters auf Grund eines Haft- oder Unterbringungsbefehls zuließ, hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaß- nahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3198) diese Einschränkung gestrichen. Hierdurch wollte er ausdrücklich ermöglichen, dass technische Mittel im Sinne dieser Vorschrift auch zur Unterstützung von Observationsmaßnahmen oder zur Vorbereitung einer Verkehrsdatenerhebung nach § 100g StPO eingesetzt werden können (BT-Drucks. 16/5846, S. 56).
Andere Rechtsgrundlagen kommen mit dem BGH für die stille SMS nicht in Betracht:
- § 100a StPO i.V.m. § 161 Abs. 1 Satz 1, § 163 Abs. 1 StPO: Diese scheidet mit dem BGH schon aus, weil die hier relevanten Daten nicht im Rahmen einer Telekommunikation anfallen. Als Kommunikation in diesem Sinne ist mit dem Bundesverfassungsgericht die „unkörperliche Übermittlung von Informationen an individuelle Empfänger mittels Fernmeldetechnik gleich welcher Art zu verstehen“. Daran aber fehlt es, denn bei dem Versand stiller SMS liegt ein menschlich veranlasster Informationsaustausch, der sich auf zu übermittelnde Inhalte bezieht, ja gerade nicht vor. Vielmehr beschränkt es sich auf einen Datenaustausch zwischen technischen Geräten, der keinen Rückschluss auf Kommunikationsbeziehungen erlaubt. Zudem erfasst § 100a StPO seinem Wortlaut nach nur die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation, also die Auskunft über vorhandene Daten: „Das Erzeugen solcher Daten, das eine aktive Einflussnahme auf den vorhandenen Datenbestand darstellt, geht jedoch darüber hinaus und bedarf daher einer eigenen Ermächtigungsgrundlage“.
- § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO: Interessant ist, dass dieser – auf den auch die Kommentierung teilweise verweise – als gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für das Versenden stiller SMS mit dem Bundesgerichtshof durchaus in Betracht gezogen werden könnte. Da es aber eine speziellere Eingriffsnorm gibt, die die Ermittlung des Standorts eines Mobiltelefons durch Einsatz technischer Mittel ausdrücklich regelt, ist der Rückgriff auf §100h StPO versperrt.
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