Wann liegt eine Steuerhinterziehung bei Veranlagungssteuern vor: Der Bundesgerichtshof (1 StR 60/21) konnte nochmals hervorheben, dass bei Veranlagungssteuern – wie etwa der Körperschaft- und Gewerbesteuer –
die Steuerhinterziehung durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) dann vollendet ist, wenn aufgrund unrichtiger oder unvollständiger Angaben zu niedrige Festsetzungen vorgenommen werden.
Im Fall der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2
AO) ist die Tat in dem Zeitpunkt vollendet, in dem ein Schätzungsbescheid mit zu niedrigen Festsetzungen bekannt gegeben wird oder wenn zuvor die Veranlagungsarbeiten für die betreffende Steuerart und den betreffenden Zeitraum im Wesentlichen abgeschlossen werden.
Zur Steuerhinterziehung bei uns:
Die hier angeführte Entscheidung zeigt auch nochmals auf, dass die Gerichte es sich hier mitunter viel zu einfach machen – die vorliegende Entscheidung des Landgerichts wurde aufgehoben, weil das Gericht die wesentlichen Fakten gar nicht festgestellt hatte:
Soweit mit Blick auf die jeweils unterlassene fristgerechte Abgabe von
Steuererklärungen eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) in Frage kommt, kann den Urteilsfeststellungen nicht entnommen werden, ob … gegen den Angeklagten Schätzungsbescheide gegen die C. UG ergangen waren … und – wenn dies nicht erfolgt sein sollte – wann die Veranlagungsarbeiten beim zuständigen Finanzamt D. für die Körperschaft- und Gewerbesteuern in den Jahren 2011, 2012 und 2013 jeweils im Großen und Ganzen abgeschlossen waren. Letztgenannte Lücke kann dabei nicht über die Feststellung des rund ein Jahr nach dem gesetzlichen Abgabetermin erfolgten Abschlusses der Veranlagungsarbeiten beim Finanzamt D. bezüglich der Körperschaft- und Gewerbesteuern für das Jahr 2009 (UA S. 5) geschlossen werden. Für eine Übertragung jenes Wertes auf spätere Zeiträume ermangelt es bereits an einer verlässlichen Grundlage. Überdies könnte dies nicht über die vordringliche Beantwortung der Frage hinweghelfen, ob und wenn ja mit welchem Inhalt vor dem Abschluss der Veranlagungsarbeiten Schätzungsbescheide erlassen worden waren.Die Verurteilung wegen vollendeter Steuerhinterziehung wird auch nicht
durch die verspätet unter dem 8. Juni 2016 erfolgte Abgabe der jeweiligen Steuererklärungen getragen. Soweit der Angeklagte in diesen Erklärungen unrichtige Angaben zu den Betriebsausgaben gemacht hatte, lässt sich den Urteilsfeststellungen nicht entnehmen, dass diese zu niedrige Steuerfestsetzungen bewirkt hatten.
Diese Problematik müssen wir häufiger Beobachten, insbesondere sind Entscheidungen von Schöffengerichten im Steuerstrafrecht von dem Gedanken geprägt, dass „bereits die verspätete Abgabe von Erklärungen bei Veranlagungssteuern eine Steuerhinterziehung darstellt“. In dieser Absolutheit ist es aber schlicht falsch.
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