Der Bundesgerichtshof (I ZB 32/23) hat klargestellt, dass zu den Geschäftsgeheimnisstreitigkeiten im Sinne des § 16 Abs. 1 GeschGehG auch das selbständige Beweisverfahren gehört. Soweit § 20 Abs. 5 Satz 4 GeschGehG die Anfechtbarkeit von Beschlüssen nach § 16 Abs. 1 und § 19 Abs. 1 GeschGehG einschränkt, gilt dies nicht für Beschlüsse, die in einem selbständigen Beweisverfahren ergangen sind. Insbesondere kann nach Auffassung des BGH ein sich an das selbständige Beweisverfahren gegebenenfalls anschließendes Klageverfahren nicht als Hauptsache im Sinne des § 20 Abs. 5 Satz 4 GeschGehG zum selbständigen Beweisverfahren angesehen werden.
Der BGH führt aus, warum die Vorschrift des § 20 Abs. 5 Satz 4 GeschGehG auf im selbständigen Beweisverfahren ergangene Anordnungen nach § 16 Abs. 1 und § 19 Abs. 1 GeschGehG nicht anwendbar ist:
(1) Das selbständige Beweisverfahren endet mit dem Abschluss der Beweiserhebung. Ein Rechtsmittel ist nicht vorgesehen. Dies führt dazu, dass in einem selbständigen Beweisverfahren ergangene Anordnungen nach § 16 Abs. 1 GeschGehG und § 19 Abs. 1 GeschGehG bei Anwendung des § 20 Abs. 5 Satz 4 GeschGehG niemals anfechtbar wären. Erkennbar widerspricht dies der Vorstellung des Gesetzgebers, nach der die Vorschrift des § 20 Abs. 5 Satz 4 GeschGehG lediglich zu einem Aufschub der Anfechtung eines Beschlusses führen soll, mit dem einem Antrag auf Einstufung von Informationen als geheimhaltungsbedürftig und die Anordnung von Zugangsbeschränkungen stattgegeben wird.
(2) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann ein dem selbständigen Beweisverfahren eventuell nachfolgendes Klageverfahren nicht als Hauptsache im Sinn des § 20 Abs. 5 Satz 4 GeschGehG zu dem selbständigen Beweisverfahren angesehen werden. Zwar ist der Antrag auf selbständige Beweiserhebung nach § 486 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 ZPO bei dem Prozessgericht oder, wenn ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist, bei dem Gericht zu stellen, das nach dem Vortrag des Antragstellers zur Entscheidung in der Hauptsache berufen wäre. Auch steht die selbständige Beweiserhebung nach § 493 Abs. 1 ZPO einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleich. Allerdings muss das in § 486 Abs. 2 Satz 1 ZPO als Hauptsache bezeichnete Klageverfahren eigenständig eingeleitet werden. Dessen Einleitung ist keineswegs zwingend. Das selbständige Beweisverfahren dient auch der Vermeidung eines Klageverfahrens (vgl. BGH, Beschluss vom 14. März 2018 – V ZB 131/17, NJW 2018, 1749 [juris Rn. 16] mwN).
Dies kommt insbesondere in der Regelung des § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO zum Ausdruck, nach der das erforderliche rechtliche Interesse für die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens anzunehmen ist, wenn sie der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. Nach § 492 Abs. 3 Halbsatz 1 ZPO kann das Gericht die Parteien zudem im selbständigen Beweisverfahren zur mündlichen Erörterung laden, wenn eine Einigung zu erwarten ist. Auch ohne gütliche Einigung folgt dem selbständigen Beweisverfahren nicht stets ein Klageverfahren nach. Der Antragsgegner kann dem Antragsteller zwar nach § 494a Abs. 1 ZPO durch das Gericht eine Frist zur Klageerhebung setzen lassen. Die Nichteinhaltung dieser Frist führt nach § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO aber lediglich dazu, dass der Antragsteller die dem Antragsgegner im selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten zu tragen hat.
- Rückzug aus der Cloud: Kosten, Herausforderungen und rechtliche Aspekte der Re-Migration - 2. November 2024
- Schlag gegen die Plattformen „Flight RCS“ und „Dstat.CC“. - 2. November 2024
- Sophos‘ „Pacific Rim“-Bericht zu chinesischen Cyberangriffsstrategien - 2. November 2024