Zwischen ökonomischem Druck und politischer Bedrohung: Die Lage der Pressefreiheit in Europa, einst als globales Vorbild gerühmt, befindet sich im Wandel – und nicht zum Besseren. Die jüngste Rangliste der Pressefreiheit 2025 von Reporter ohne Grenzen offenbart eine dramatische Verschiebung der Parameter: Ökonomischer Druck, politische Einflussnahme und juristische Einschüchterung setzen der vierten Gewalt sichtbar zu. Auch Deutschland, bislang verlässlich in den Top 10 verankert, rutscht auf Rang 11 ab – ein kleiner Schritt auf dem Papier, ein signifikanter in der Realität eines fragiler werdenden Mediensystems.
Was sich in der globalen Gesamtschau als bedrohliches Muster zeigt – autoritäre Tendenzen, wachsende Medienkonzentration, zunehmende Gewalt gegen Journalisten – nimmt auch in Europa und Deutschland greifbare Gestalt an. Der ökonomische Druck, so trivial er zunächst erscheinen mag, wird dabei zum zentralen Risikofaktor: Redaktionen kämpfen um ihre Existenz, nicht selten in strukturell unterversorgten Räumen, in denen Lokaljournalismus zunehmend verschwindet. Die Folge: Einzeitungskreise und digitale Monokulturen, in denen Plattformen wie Meta, Google und TikTok die Informationslandschaft dominieren – algorithmisch, kommerziell und ohne publizistische Verantwortung.
In diesem Klima geraten nicht nur ökonomische Überlebensstrategien unter Druck, sondern auch redaktionelle Unabhängigkeit. Reporterinnen, die sich rechtsextremen Strukturen oder außenpolitisch heiklen Themen wie dem Nahostkonflikt widmen, sehen sich vermehrt Bedrohungen ausgesetzt – digital, körperlich, juristisch. Der Schutz des Berufsstandes bleibt vielfach unzureichend, insbesondere im Kontext von Demonstrationen oder politisch aufgeheizten Debatten.
Gleichzeitig manifestieren sich neue Formen der Zensur nicht mehr durch Verbot, sondern durch Überformung: Staatsnahe Anzeigenpolitik, asymmetrische Medienförderung oder das gezielte Überziehen unbequemer Stimmen mit sogenannten SLAPP-Klagen – strategischen Klagen zur Einschüchterung – unterminieren investigative Berichterstattung schleichend, aber wirksam. Die EU hat mit der neuen Anti-SLAPP-Richtlinie erste Instrumente geschaffen, doch ihre Wirkung wird entscheidend von der nationalen Umsetzung abhängen. Deutschland steht hier ebenso in der Pflicht wie bei der Stärkung gemeinnütziger, unabhängiger publizistischer Modelle – ein bislang weitgehend unbearbeitetes Feld.
Europaweit zeigen sich ähnliche Dynamiken: Selbst in Ländern mit traditionell stabiler Pressefreiheit – wie Schweden oder den Niederlanden – häufen sich strukturelle Herausforderungen. Estland, das 2025 als bestplatziertes EU-Mitglied auf Rang 2 aufrückt, profitiert von einem starken rechtlichen Rahmen und gesellschaftlicher Wertschätzung für unabhängige Medien. Doch dieses Modell bleibt die Ausnahme. In Ungarn etwa wird über die gezielte Verteilung staatlicher Anzeigen massiv in den Markt eingegriffen. In Polen, Bulgarien oder Griechenland ist die politische Einflussnahme auf Medien nach wie vor spürbar – und medienethisch fatal.
Parallel dazu nimmt die physische Gefährdungslage für Journalistinnen und Journalisten in Teilen Europas wieder zu. Die Verurteilung der Mörder von Peter R. de Vries in den Niederlanden war ein wichtiges Signal – doch sie bleibt ein Einzelfall in einem europäischen Raum, der sich zunehmend mit Straflosigkeit für Übergriffe und struktureller Einschüchterung konfrontiert sieht. Dass China, Iran oder Eritrea am Ende der weltweiten Rangliste stehen, überrascht nicht – dass aber auch europäische Demokratien ins medienpolitische Wanken geraten, sollte beunruhigen.
Die Pressefreiheit 2025 markiert somit keinen Status quo, sondern eine Wegscheide. Zwischen digitaler Ökonomie, politischer Instrumentalisierung und struktureller Erosion der Öffentlichkeit entscheidet sich, ob die Idee eines freien, pluralistischen Journalismus in Europa eine Zukunft hat. Der gesetzliche Rahmen ist dabei nur ein Teil der Lösung. Gefordert ist auch eine gesellschaftliche Rückbesinnung auf die Rolle der Medien als demokratische Infrastruktur – nicht als Marktprodukt, nicht als Feindbild, sondern als elementarer Teil des Gemeinwesens.
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