OLG Celle: Keine Geldwäsche bei legal entkriminalisiertem Erwerb von Cannabis

Das Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 11. April 2025 (Az. 2 ORs 18/25) markiert eine bedeutsame dogmatische Weichenstellung im Spannungsfeld zwischen dem neu geschaffenen Konsumcannabisgesetz (KCanG) und dem traditionellen Strafbarkeitsdogma der Geldwäsche nach § 261 StGB. Im Kern steht die Frage, ob der Erwerb geringer Mengen , die nach dem KCanG nicht strafbar sind, gleichwohl eine Geldwäschestrafbarkeit auslösen kann. Das Gericht verneint dies mit überzeugender Argumentation – und positioniert sich damit klar gegen eine Überdehnung des § 261 StGB.

Sachverhalt

Der Angeklagte wurde ursprünglich vom Amtsgericht Hannover wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Cannabis in zwei Fällen verurteilt. Auf seine Berufung hin sprach ihn das Landgericht Hannover im Fall des 20. April 2023 frei. Die Staatsanwaltschaft legte gegen diesen Teil des Urteils Revision ein und argumentierte, das Landgericht habe versäumt zu prüfen, ob der Erwerb von sechs Gramm Cannabis nicht eine Geldwäschehandlung im Sinne des § 261 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB darstelle. Hintergrund ist, dass das Cannabis möglicherweise aus einem Anbauvorgang stammte, der als Vortat im Sinne des § 261 StGB qualifiziert werden könnte.

Juristische Fragestellungen

1. Erfasst § 261 StGB auch den Erwerb von Cannabis, wenn dieser unterhalb der Schwellenwerte des KCanG liegt?

Die zentrale Rechtsfrage drehte sich um die Reichweite des Geldwäschetatbestands. Die Staatsanwaltschaft vertrat die Auffassung, § 261 StGB sei wortlautgetreu anzuwenden. Der Erwerb auch geringer Mengen Cannabis aus einem strafbaren Anbau könne daher eine Geldwäsche darstellen, weil der Gegenstand (hier das Cannabis) aus einer tauglichen Vortat stamme. Das Landgericht hingegen hatte – gestützt auf die Gesetzeslage ab dem 1. April 2024 – keine Strafbarkeit erkannt.

Das OLG Celle bestätigte nun die Auffassung des Landgerichts: Eine teleologische Reduktion des § 261 StGB sei nicht nur möglich, sondern erforderlich. Das Gericht verweist auf die Entscheidung des OLG Hamburg vom 12. Dezember 2024 (5 ORbs 21/24) und macht sich deren Argumentation ausdrücklich zu eigen.

2. Besteht eine Sperrwirkung des KCanG gegenüber § 261 StGB?

Nach Ansicht des OLG Celle liegt eine sog. „privilegierende Spezialität“ vor. § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG stelle klar, dass der Besitz von Cannabis bis zu 25 Gramm straflos sei. Diese gesetzgeberische Entscheidung wirke sich auch auf andere Strafnormen aus: Wenn der Gesetzgeber bewusst bestimmte Mengen des Cannabisbesitzes entkriminalisiert habe, dürfe dieser Vorgang nicht durch eine parallele Anwendung des Geldwäschetatbestands konterkariert werden. Andernfalls käme es zu einer Wertungsdissonanz, die der Systematik und Intention der Reform widerspräche.

Das OLG betont hierbei die Einheit der Rechtsordnung: Der Wille des historischen Gesetzgebers zum Geldwäschetatbestand sei durch die neuere gesetzgeberische Entscheidung zur Entkriminalisierung überlagert worden.

3. Liegt eine planwidrige Regelungslücke vor, die eine teleologische Reduktion rechtfertigt?

Die Entscheidung nimmt eine dogmatisch saubere Prüfung der Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion vor. Eine solche sei nur zulässig, wenn der Gesetzgeber eine bestimmte Regelungslage ersichtlich nicht bedacht habe und der Wortlaut des Gesetzes zu Wertungswidersprüchen führe. Das OLG bejaht beides: Der Gesetzgeber des KCanG habe offenkundig nicht in Betracht gezogen, dass durch § 261 StGB eine Strafbarkeit für Handlungen bestehen bleibt, die nach dem KCanG straflos sind.

Insbesondere verweist das Gericht auf die Gesetzesbegründung, in der die Entlastung der Strafverfolgungsbehörden und der Verzicht auf aufwendige Laborauswertungen explizit genannt sind. Das Ziel, den Konsum entkriminalisierter Mengen nicht zu kriminalisieren, dürfe nicht durch eine systemwidrige Parallelstrafbarkeit unterlaufen werden.

Rechtsanwalt Jens Ferner, TOP-Strafverteidiger und IT-Rechts-Experte - Fachanwalt für Strafrecht und Fachanwalt für IT-Recht

Analyse und Bedeutung

Die Entscheidung des OLG Celle setzt ein deutliches Zeichen gegen eine übermäßige Ausweitung der Geldwäschestrafbarkeit. Sie schützt nicht nur das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, sondern sichert auch die Kohärenz des neuen Cannabisrechts. Die Betonung der privilegierenden Spezialität im Sinne der Gesetzeskonkurrenz schafft dringend benötigte Rechtsklarheit und verhindert, dass durch Strafnormen in anderen Gesetzen faktisch eine Re-Kriminalisierung erfolgt.

Dabei geht das OLG sorgfältig und fundiert mit den Argumenten der Gegenansicht um, insbesondere mit der Ansicht, dass eine Geldwäsche auch bei legal entkriminalisierten Besitzhandlungen noch strafwürdig sei. Letztlich weist das Gericht diesen Gedanken mit Verweis auf den Willen des aktuellen Gesetzgebers zurück, der den Konsumnahbereich bewusst aus dem Strafrecht herausgenommen habe – auch auf die Gefahr hin, dass dadurch Übergangsprobleme und Vollzugslücken entstehen.


Schlussfolgerung

Die Konklusion dieser Entscheidung ist ebenso deutlich wie richtungsweisend: Wer Cannabis in strafbefreiten Mengen gemäß KCanG erwirbt oder besitzt, kann nicht zugleich wegen Geldwäsche belangt werden. Die systematische und teleologische Auslegung des § 261 StGB gebietet in dieser Fallkonstellation eine einschränkende Interpretation. Nur so bleibt der Wille des Gesetzgebers gewahrt, bestimmte Handlungen nicht mehr strafrechtlich zu sanktionieren. Diese juristisch kohärente Ausbeute stärkt das Vertrauen in eine zielgerichtete und widerspruchsfreie Strafgesetzgebung.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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