In einem praxisrelevanten Urteil hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Urt. v. 25.02.2025 – 10 U 18/24) klargestellt, dass Banken bei berechtigten Verdachtsmeldungen nach dem Geldwäschegesetz (GwG) nicht für Anwaltskosten aufkommen müssen, die ein Kunde zur Freigabe seiner gesperrten Kontoguthaben aufwendet. Die Entscheidung unterstreicht die Grenzen zivilrechtlicher Ersatzpflichten im Spannungsfeld zwischen aufsichtsrechtlichen Pflichten der Kreditinstitute und dem Schutz berechtigter Kundeninteressen.
Sachverhalt
Die Klägerin unterhielt bei der beklagten Bank ein Girokonto. Nach Eingang zweier ungewöhnlich hoher Geldbeträge von insgesamt rund einer Million Euro meldete die Bank den Vorgang an die Financial Intelligence Unit (FIU) und fror das Konto vorübergehend ein. Die Klägerin bemühte sich noch am selben Tag mit anwaltlicher Hilfe um eine Freigabe der Gelder, da es sich ihrer Darstellung zufolge um eigene Vermögenswerte handelte, die nur versehentlich über ein Dritt- bzw. Verrechnungskonto transferiert worden waren.
Nachdem keine Maßnahmen der FIU oder Strafverfolgungsbehörden erfolgten, überwies die Bank den größten Teil des Geldes im weiteren Verlauf an die Klägerin zurück. Diese verlangte daraufhin unter anderem die Erstattung von knapp 10.000 Euro vorgerichtlicher Anwaltskosten – ohne Erfolg.
Zentrale Rechtsfragen
1. Besteht eine Pflicht zur Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten aus Verzug oder Pflichtverletzung?
Das Gericht prüfte zunächst die klassische Anspruchsgrundlage aus § 280 Abs. 1 und Abs. 2, § 286 BGB. Voraussetzung wäre, dass sich die Bank mit der Auszahlung des Guthabens in Verzug befand und dadurch ein ersatzfähiger Schaden – hier: die Beauftragung eines Anwalts – eingetreten ist. Entscheidend war somit, ob die Bank zum Zeitpunkt der anwaltlichen Mandatierung bereits ihre vertraglichen Pflichten verletzt hatte.
Das OLG verneinte diese Voraussetzung eindeutig. Die Bank habe sich in einem gesetzlich vorgegebenen Prüfungszeitraum nach § 46 Abs. 1 GwG bewegt, innerhalb dessen sie nicht zur Auszahlung verpflichtet war. Erst mit Ablauf der gesetzlichen Dreitagesfrist nach Meldung an die FIU wäre grundsätzlich eine Transaktion zulässig. Dass die Auszahlung dennoch nicht unmittelbar nach dieser Frist erfolgte, sei nicht als schuldhafte Verzögerung zu werten.
2. Wann entsteht die Auszahlungspflicht nach § 46 GwG – und wie eng ist sie zu fassen?
Ein zentraler Punkt der rechtlichen Beurteilung war die Auslegung des Begriffs „frühestens“ im Sinne von § 46 Abs. 1 Nr. 2 GwG. Das Gesetz gestattet Transaktionen nach Ablauf einer Frist von drei Werktagen ab Abgangstag der Verdachtsmeldung – verbietet sie aber nicht zwingend über diese Frist hinaus. Während erstinstanzliche Gerichte dies teils als unmittelbare Auszahlungspflicht interpretierten, folgte das OLG Frankfurt einer differenzierteren Linie:
Der Ablauf der Dreitagesfrist begründe noch keine zwingende Pflicht zur sofortigen Freigabe. Vielmehr sei der Bank – insbesondere bei komplexen Sachverhalten mit ungewöhnlichen Zahlungseingängen und Beteiligung Dritter – eine kurze Überlegungsfrist zuzugestehen. Diese Ansicht steht im Einklang mit den aktuellen Auslegungs- und Anwendungshinweisen der BaFin, wonach eine „regelmäßige“, aber nicht zwingende Auszahlung nach Fristablauf anzunehmen ist.
3. Greift eine zivilrechtliche Haftung der Bank trotz Rechtmäßigkeit der Verdachtsmeldung?
Das OLG stellte klar, dass die Bank im Rahmen ihrer Meldepflichten nach § 43 GwG durch § 48 Abs. 1 GwG ausdrücklich geschützt ist. Eine zivilrechtliche Haftung ist ausgeschlossen, solange keine vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Meldung vorliegt – was im konkreten Fall nicht gegeben war. Die Klägerin hatte demnach das Risiko zu tragen, dass ihre Transaktion im Lichte der gesetzlichen Meldepflicht zunächst blockiert wurde.
Der Umstand, dass die Bank das Geld schließlich nicht unmittelbar an die Klägerin, sondern an eine dritte Bank zurücküberwies, war für die Entscheidung über die Anwaltskosten irrelevant. Maßgeblich war allein der Zeitpunkt der Beauftragung und ob dieser in Kausalität zu einer Pflichtverletzung der Bank stand – was verneint wurde.
Bewertung
Die Entscheidung ist dogmatisch präzise und praxisorientiert zugleich. Sie anerkennt, dass das GwG Verpflichtete wie Banken in ein engmaschiges Netz aus Melde-, Prüf- und Rückhaltspflichten einbindet. Eine zivilrechtliche Sanktionierung dieser Tätigkeit – etwa durch die Auferlegung von Rechtsanwaltskosten – würde die gesetzgeberische Schutzintention unterlaufen.
Zugleich betont das OLG, dass die Grenze zwischen legitimer Prüfverzögerung und rechtswidriger Zurückhaltung nicht beliebig ist. Einmal mehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an: Die Komplexität des Zahlungswegs, der Umfang der Summe und der Grad der Transparenz über die Mittelherkunft sind entscheidend.
Schlussfolgerung
Die Quintessenz der Entscheidung liegt in der klaren Absage an eine reflexartige Ersatzpflicht für Anwaltskosten bei rechtmäßigem FIU-Meldeverhalten. Das OLG Frankfurt a. M. etabliert eine sachgerechte, differenzierte Auslegung der stillschweigenden Wartefrist nach § 46 GwG – als Regelinstrument, nicht als harte Frist. Die dogmatisch stringente und praxisrelevante Ausbeute: Rechtsanwälte müssen sorgfältig prüfen, ob tatsächlich eine schadensbegründende Pflichtverletzung vorlag, bevor sie Kostenerstattung verlangen. Für Banken bedeutet das Urteil indes eine gewisse Entlastung in einem bislang rechtlich steinigen Terrain.
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