Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hat am 19. Oktober 2023 (Az. 6 Sa 209/23) eine wichtige Entscheidung zur Frage der Zahlung von Annahmeverzugslohn und der Voraussetzungen des böswilligen Unterlassens anderweitigen Verdienstes getroffen. Im vorliegenden Fall ging es um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung und die Berechtigung von Entgeltansprüchen nach Annahmeverzug. Dieser Blog-Beitrag beleuchtet die wesentlichen rechtlichen Probleme und die Urteilsbegründung des Gerichts im Detail.
Sachverhalt
Die Klägerin war bei der Beklagten als Exportsachbearbeiterin in der Buchhaltung und in der Personalverwaltung tätig und erhielt zuletzt ein Bruttomonatsgehalt von 3.738,58 Euro. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos am 22. Oktober 2018. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage, und das Arbeitsgericht Siegburg erklärte die fristlose Kündigung für unwirksam, erkannte jedoch die ordentliche Kündigung an, die das Arbeitsverhältnis zum 31. Mai 2019 beendete.
Die Klägerin forderte Entgelt für den Zeitraum von Oktober 2018 bis Mai 2019 aus Annahmeverzug, da die Beklagte ihre Arbeitsleistung nicht annahm. Die Beklagte machte ein Zurückbehaltungsrecht geltend und argumentierte, die Klägerin habe es böswillig unterlassen, eine zumutbare Tätigkeit anzunehmen.
Rechtliche Analyse
1. Voraussetzungen des Annahmeverzugs
Das LAG Köln stellte fest, dass die Beklagte sich im Annahmeverzug befand, da sie die Arbeitsleistung der Klägerin nicht annahm. Der Annahmeverzug setzte ein, nachdem die fristlose Kündigung als unwirksam erkannt wurde und die ordentliche Kündigungsfrist bis zum 31. Mai 2019 lief.
2. Böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes
Ein zentraler Streitpunkt war, ob die Klägerin böswillig unterlassen hatte, anderweitigen Verdienst zu erzielen. Nach § 615 Satz 2 BGB und § 11 Nr. 2 KSchG kann der Lohnanspruch des Arbeitnehmers gekürzt werden, wenn er böswillig darauf verzichtet, eine zumutbare Arbeit anzunehmen. Das Gericht entschied, dass ein solches böswilliges Unterlassen nicht vorlag, da die Klägerin innerhalb von drei Monaten nach der fristlosen Kündigung eine neue Beschäftigung aufgenommen hatte. Das LAG Köln stellte klar, dass ohne besondere Umstände nicht davon auszugehen ist, dass ein Arbeitnehmer böswillig anderweitigen Verdienst unterlässt, wenn er innerhalb von drei Monaten eine neue Stelle findet und antritt.
3. Erfüllung der Auskunftspflicht
Ein weiterer Streitpunkt war, ob die Klägerin ihre Auskunftspflicht erfüllt hatte. Die Klägerin hatte eine eidesstattliche Versicherung über ihre Bemühungen zur Arbeitsaufnahme und ihre erzielten Einkünfte abgegeben. Das Gericht erkannte diese Versicherung als hinreichend an und stellte fest, dass die Beklagte keine ausreichenden Indizien vorgelegt hatte, die die Angaben der Klägerin widerlegten.
Gerichtliche Beurteilung
Das LAG Köln gab der Berufung der Klägerin statt und änderte das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg ab. Es verurteilte die Beklagte zur Zahlung des geforderten Entgelts in Höhe von 17.598,87 Euro brutto nebst Zinsen. Das Gericht befand, dass die Klägerin ihre Auskunftspflicht erfüllt und keinen böswilligen Unterlassens anderweitigen Verdienstes vorzuwerfen sei. Daher stand ihr der Anspruch auf Annahmeverzugslohn zu.
Fazit und Auswirkungen
Diese Entscheidung verdeutlicht die hohen Anforderungen an den Nachweis eines böswilligen Unterlassens anderweitigen Verdienstes und die Bedeutung der Auskunftspflicht im Rahmen des Annahmeverzugs. Arbeitgeber müssen klare und nachvollziehbare Beweise vorlegen, um den Vorwurf des böswilligen Unterlassens zu untermauern. Arbeitnehmer sollten sicherstellen, dass sie ihre Bemühungen zur Arbeitsaufnahme und erzielten Einkünfte umfassend dokumentieren und gegebenenfalls durch eine eidesstattliche Versicherung belegen.
Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist diese Entscheidung von Bedeutung, da sie die Anforderungen und Pflichten im Zusammenhang mit dem Annahmeverzug und der Auskunftspflicht klärt. Sie zeigt, dass Arbeitnehmer ausreichend Zeit haben, um nach einer Kündigung eine neue Stelle zu finden, ohne dass ihnen böswilliges Unterlassen vorgeworfen werden kann.
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