Konkurrenzen & Tateinheit beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln

: Wann liegt Tateinheit beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln vor? Immer wieder in BTM-Strafverfahren sehen sich nicht spezialisiert im BTM-Recht erfahrene Gerichte damit konfrontiert, wie man nun die Anzahl der Taten beim Handeltreiben richtig bestimmt. Naturgemäß ist das Handeltreiben gerade bei längerem Zeitraum mit mehreren Erwerbs- und Veräußerungshandlungen kombiniert. Doch das bedeutet noch lange nicht, dass zwingend mehrere Taten vorliegen.

Dazu auch bei uns:

Allgemeine Grundsätze der Tateinheit auch im BTM-Strafrecht

Eine für die Annahme von Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB erforderliche Verknüpfung der Tatbestände kann allein in der Überlagerung der objektiven Ausführungshandlungen gesehen werden was ausdrücklich auch im Bereich der Betäubungsmittelstraftaten gilt (BGH, GSSt 4/17).

Ausführungshandlungen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG sind aber nicht nur Tätigkeiten, die unmittelbar der Beschaffung und der Weitergabe von Betäubungsmitteln an Abnehmer dienen, sondern ebenfalls etwa dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz nachfolgende Zahlungsvorgänge. Dies gilt auch für die bloße Übermittlung des für eine Betäubungsmittellieferung zu entrichtenden Geldbetrages vom Abnehmer an den Lieferanten.

Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) kann also auch durch Ausführungshandlungen nach Vollendung bis zur Beendigung der Taten begründet werden (dazu auch BGH, 4 StR 528/13). Auch die Besonderheiten des weiten Tatbegriffs beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln begründen insoweit keine durchgreifenden Bedenken gegen die Annahme von Tateinheit infolge von Verbaläußerungen in Gestalt der Vereinbarung von Zahlungsaufschüben oder -ermäßigungen (siehe BGH, 1 StR 641/19).

Der einschränkenden Ansicht, mit der eine teilidentische Ausführungshandlung nur dann zu einer tateinheitlichen Verbindung zweier an sich unabhängiger, sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehender Handelsgeschäfte führen sollte, wenn sie für jedes dieser Geschäfte einen nicht unerheblichen eigenen Unrechts- und Schuldgehalt aufweist, hatte sich der Große Senat für Strafsachen gerade nicht angeschlossen.

Tateinheit durch Zahlungsvorgänge beim Handeltreiben

Dementsprechend stehen aufeinanderfolgende, sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehende Umsatzgeschäfte in (gleichartiger) Tateinheit. Das bedeutet für die Frage, ob weitere Handlungen zu demselben Betäubungsmittelgeschäft gehören, gilt insbesondere:

  • Speziell ein Aufsuchen des Abnehmers zur Entgegennahme des Kaufpreises aus der früheren Lieferung und zum Anbieten und Übergeben einer neuen Rauschgiftmenge dient als verbindendes Element gleichermaßen beiden Umsatzgeschäften und stellt sich als teilidentische Ausführungshandlung und damit als „dieselbe Handlung“ im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB dar (BGH, 3 StR 91/20).
  • Dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz nachfolgende Zahlungsvorgänge wie etwa die Übermittlung des für eine Betäubungsmittellieferung zu entrichtenden Geldbetrages vom Abnehmer zum Lieferanten sind ebenfalls erfasst (BGH, 3 StR 340/14).
  • Genauso das Beitreiben des Kaufpreises (BGH, 1 StR 791/96) und wenn ein Lieferant seinerseits im Rahmen einer bestehenden Handelsbeziehung Rauschmittel an seinen Abnehmer übergibt und gleichzeitig das Geld für vorangegangene Lieferungen entgegennimmt (BGH, 3 StR 448/18 und 6 StR 553/21).
  • Auch Tätigkeiten, die allgemein der Erfüllung von Zahlungsverbindlichkeiten dienen, wie etwa das Bemühen um das Eintreiben des Kaufpreises (BGH, 5 StR 119/96 und 2 StR 154/99) oder das Bemühen um einen Zahlungsaufschub oder dessen Vereinbarung (BGH, 4 StR 347/15), gehören zu demselben Betäubungsmittelgeschäft.
  • Bei aufeinanderfolgenden, sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehenden Umsatzgeschäften liegt eine jedenfalls teilweise, Tateinheit begründende Überschneidung der objektiven Ausführungshandlungen darin, dass sich der Täter zu seinem Lieferanten begibt, um einerseits die vorangegangene Lieferung zu bezahlen und dabei zugleich eine neue, zuvor bestellte Lieferung abzuholen. In diesen Fällen dient das Aufsuchen des Lieferanten als verbindendes Element gleichermaßen beiden Umsatzgeschäften, so dass dieses als teilidentische Ausführungshandlung die Annahme von Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB begründet (BGH, 6 StR 553/21).
  • Achtung: Selbst ohne eine für alle Umsatzgeschäfte teilidentische Ausführungshandlung verbinden sich mehrere Handelsgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit, wenn es im Rahmen einer bestehenden Lieferbeziehung zur Entgegennahme weiterer Betäubungsmittel aus Anlass der Bezahlung bereits zuvor „auf Kommission“ erhaltener Rauschgiftmengen kommt (BGH, GSSt 4/17)

Gesonderte Anbauvorgänge

Speziell hinsichtlich einer Cannabisplantage ist davon auszugehen, dass gesonderte Anbauvorgänge, die auf gewinnbringende Veräußerung der dadurch erzeugten Betäubungsmittel abzielen, grundsätzlich als für sich selbständige, zueinander in Tatmehrheit stehende Taten des Handeltreibens zu bewerten sind. Hierbei kann eine Bewertungseinheit allein durch den Besitz verschiedener zum Handeltreiben bestimmter Rauschgiftmengen aus verschiedenen Liefer- oder Anbauvorgängen nicht begründet werden (BGH, 3 StR 106/05).

Aber: Dies gilt nicht, wenn die Betäubungsmittel zu einem einheitlichen Verkaufsvorrat vereint wurden!

Einheitlicher Verkaufsvorrat

Da das Vorhalten einer Handelsmenge zum Vertrieb als Teilakt des Handeltreibens anzusehen ist, vermag der gleichzeitige Besitz zweier für den Verkauf bestimmter Vorräte jedenfalls dann Tateinheit in diesem Sinne zu begründen, wenn die Art und Weise der Besitzausübung über eine bloße Gleichzeitigkeit hinausgeht und die Wertung rechtfertigt, dass – etwa wegen eines räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs (BGH, 3 StR 642/14) – die tatsächliche Ausübung des Besitzes über die eine Menge zugleich die Ausübung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die andere darstellt (BGH,3 StR 642/14, 4 StR 315/98 und 3 StR 615/17).

Insbesondere bei zeitlicher Überschneidung der Verkäufe von jeweils kleinen Mengen sowie die – ebenfalls auf einen gewerbsmäßigen Handel mit Betäubungsmittel hindeutenden – sichergestellten Utensilien für einen Betäubungsmittelhandel und erheblichen Bargeldbeträge eines einkommenslosen Angeklagten können mit dem BGH konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das veräußerte BTM aus derselben – durch einen einheitlichen Erwerbsvorgang erlangten – Rauschgiftmenge stammte. In diesem Fall darf die konkurrenzrechtliche Einordnung nicht allein auf die Anzahl der Veräußerungsgeschäfte abstellen, sondern es muss anhand der Grundsätze der Bewertungseinheit geprüft werden, ob die Verkäufe lediglich unselbständige Teilakte einer einzigen Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln waren (BGH, 5 StR 529/20 und 2 StR 176/19).

Mehrere Umsatzgeschäfte mit einem Lieferanten

Die mit jeweils einem Lieferanten getätigten mehrfachen Umsatzgeschäfte werden zu einer einheitlichen Tat im materiell-rechtlichen Sinne verbunden, weil das sowohl dem Transport des Kaufgeldes für den Erwerb der früheren als auch der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen des Lieferanten sich als teilidentische Ausführungshandlung und damit als „dieselbe Handlung“ im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB darstellt (BGH, GSSt 4/17).

Die Konkurrenzen, also die Frage und Bewertung, wie viele rechtliche Taten bei ggfs. mehrfachen tatsächlichen Handlungen vorliegen, ist im BTM-Strafrecht besonders knifflig. An dieser Schnittstelle zeigt sich recht schnell, ob ein Strafverteidiger bereits im Bereich des Handeltreibens mit BTM tätig war und Erfahrung sammeln konnte (übrigens auch bei Gerichten). Dabei bietet gerade diese Frage deutliches Verteidigungspotential.

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Jens Ferner

Strafverteidiger

Keine Zusammenrechnung der einzelnen BTM-Mengen

Wenn eine rechtliche Tat vorliegt, werden auf keinen Fall die aus den einzelnen Teilhandlungen betroffenen BTM-Mengen addiert, dies ist ein häufiger Fehler in BTM-Verfahren! So ist es bis heute verbreitet, dass ein Gericht von Tateinheit ausgehend die jeweils von einem Betäubungsmittellieferanten stammenden Mengen zur Bestimmung der Überschreitung des Grenzwertes zur nicht geringen Menge addiert hat und deshalb in jedem der Fälle jeweils von Handeltreiben mit bzw. Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ausgeht.

Aber: Eine Zusammenrechnung der BTM-Mengen kommt nur dann in Betracht, wenn die Umsatzgeschäfte im Sinne einer Bewertungseinheit miteinander zu einer Tat im Rechtssinne verbunden sind. Eine solche liegt indes nur vor, wenn sich Bemühungen des Täters um einen Rauschgiftabsatz auf dieselbe Betäubungsmittelmenge beziehen, also insbesondere dann, wenn die Drogen aus einem einheitlichen Erwerbsvorgang stammen oder Betäubungsmittel aus verschiedenen Erwerbsvorgängen zu einem einheitlichen Verkaufsvorrat vereint werden (BGH, 3 StR 487/16 und 3 StR 536/19).

Daher nochmals kurz: Eine teilidentische Ausführungshandlung begründet lediglich die gleichartige Tateinheit zwischen den einzelnen Erwerbsgeschäften (BGH, 3 StR 65/19), die eine Zusammenrechnung der jeweiligen Betäubungsmittelmengen nicht erlaubt.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht.