Körperverletzung im Amt durch Polizisten

Wenn Ermittlungen gegen Polizisten drohen: im Amt durch Polizisten aus strafrechtlicher Sicht. Körperverletzungsvorwürfe gegen Polizeibeamte sind kein Randthema mehr. Gerade in Zeiten zunehmender Sensibilität gegenüber polizeilichem Handeln und einer breiten medialen Aufmerksamkeit kann eine Anzeige wegen “Körperverletzung im Amt” mehr als nur eine dienstrechtliche Komplikation sein.

Die Vorwürfe sind ernst, die rechtlichen Folgen können gravierend sein, und nicht selten steht mehr auf dem Spiel als nur ein Strafverfahren: Die beamtenrechtliche Existenz, das berufliche Ansehen und die psychische Belastung wiegen schwer. Dieser Beitrag will einen juristisch fundierten, aber verständlichen Überblick geben, was hinter dem Tatvorwurf steckt, was ihn von der “normalen” Körperverletzung unterscheidet und welche Entwicklungen die Rechtsprechung zuletzt genommen hat.

Hinweis: Wir vertreten keine Opfer von Straftaten. Wenn Sie vermeintliches Opfer von Polizeigewalt sind, wenden Sie sich an den Weißen Ring. In unserer Kanzlei werden regelmäßig Justizangehörige, speziell Polizisten und auch Richter, verteidigt.

Die Norm: § 340 StGB – Körperverletzung im Amt

Nach § 340 StGB macht sich ein Amtsträger strafbar, wenn er in Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf den Dienst eine Körperverletzung begeht. Es handelt sich um eine Qualifikation der einfachen Körperverletzung, d.h. der Strafrahmen ist höher: von drei Monaten bis zu fünf Jahren. In minder schweren Fällen kann auch eine verhängt werden. Besonders relevant ist, dass hier keine Strafverfolgung auf Antrag des Verletzten erforderlich ist – anders als bei § 223 StGB greift hier die Offizialmaxime.

Hinzu kommt, dass die §§ 224 bis 229 bei einer Körperverletzung im Amt entsprechend gelten – man wird also bei üblichen Polizeieinsätzen, etwa wenn ein Polizeihund oder ein Pfefferspray zum Einsatz kommen, schnell über eine nachdenken müssen. Straferwartung: 6 Monate mindestens.

Was ist eine “Körperverletzung im Amt”?

Nicht jede Verletzung im Dienst ist eine Körperverletzung im Amt. Zentral ist der sachliche Bezug zur Dienstausübung. Reine Privatstreitigkeiten fallen nicht unter § 340 StGB, auch wenn sie in Uniform stattfinden. Umgekehrt reicht bereits eine Überschreitung von Eingriffsbefugnissen aus, um den Tatbestand zu erfüllen. Beispielhaft sind überzogene Gewaltanwendungen bei Festnahmen oder rechtswidrige Blutprobenentnahmen ohne richterliche Anordnung.

Fahrlässigkeit und ihre Grenzen

Auch fahrlässige Körperverletzung im Amt ist möglich, dann greift § 229 StGB. Die Strafe kann dann deutlich milder ausfallen – Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. Die Verweisung in § 340 Abs. 3 StGB auf die §§ 224 bis 229 macht das möglich. Die Rechtsprechung (etwa KG NJW 2000, 1352) macht deutlich, dass bei Fahrlässigkeit nicht der erhöhte Strafrahmen des § 340 anzuwenden ist.

Die Praxis: Strafzumessung und Generalprävention

Ein immer wiederkehrendes Motiv in gerichtlichen Urteilen ist der Spannungsbogen zwischen Individualschuld und der symbolischen Wirkung des Urteils. Das OLG Bremen (BeckRS 2018, 48299) hat betont, dass der erhöhte Strafrahmen des § 340 StGB bereits dem Schutz des Vertrauens in den Rechtsstaat dient und deshalb dieser Umstand nicht nochmals strafschärfend bei der berücksichtigt werden darf (Stichwort: Doppelverwertungsverbot). Dennoch gibt es Konstellationen, in denen Gerichte Freiheitsstrafen (auch ohne ) aussprechen, etwa bei besonders brutalen Exzessen (vgl. LG Köln, Urteil vom 17.09.2021).


Beamtenrechtliche Folgefragen

Schon eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr hat gravierende beamtenrechtliche Konsequenzen. § 24 BeamtStG sieht hier die Entfernung aus dem Dienst vor. Entsprechend setzen sich Gerichte in ihren Urteilen auch mit der Frage auseinander, ob eine solche Schwelle bewusst überschritten wird – mitunter aus Generalprävention, mitunter als Ausdruck des individuellen Unrechtsgehalts.

Disziplinarrechtliche Konsequenzen: Zwischen Zurückstufung und Entfernung aus dem Dienst! Parallel zum Strafverfahren wird regelmäßig ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Dabei zeigen Urteile wie die des VG Wiesbaden (BeckRS 2013, 45701) und des VGH München (BeckRS 2017, 105512), dass das Spektrum möglicher Konsequenzen breit ist – es reicht von einer Zurückstufung um zwei Besoldungsgruppen bis zur Entfernung aus dem Dienst.

Das VG Wiesbaden sah in einem doppelten Pfeffersprayeinsatz gegen eine in Gewahrsam befindliche Person eine massive Pflichtverletzung, die mit einer Herabstufung vom Polizeihauptkommissar auf einen Polizeioberkommissar sanktioniert wurde. Entscheidend war hier insbesondere das ausgenutzte Obhutsverhältnis und die fehlende Verhältnismäßigkeit der Maßnahme.

Der VGH München beurteilte eine Körperverletzung mit Schlagstock gegen einen bereits gefesselten Festgenommenen als ebenso schwerwiegend, nahm jedoch von der Entfernung aus dem Dienst Abstand – wegen erheblicher Milderungsgründe, insbesondere einer psychischen Ausnahmesituation im Anschluss an eine Verfolgungsjagd. Das zeigt: Persönlichkeitsbild, Einsicht und Nachtatverhalten können entscheidenden Einfluss auf die Disziplinarmaßnahme haben.

Disziplinarrechtlich wird also stets individuell gewichtet, aber eines ist klar: Der Maßstab liegt hoch. Der Staat erwartet, dass Polizeibeamte selbst unter Stresslagen rechtsstaatlich handeln – und bemisst daran letztlich auch die persönliche Eignung für das Amt.

Amtshaftung: Wenn der Staat für seine Beamten haftet

Neben strafrechtlichen und disziplinarrechtlichen Folgen rückt zunehmend auch die zivilrechtliche Ebene in den Fokus: Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG. Diese greifen, wenn ein Beamter in Ausübung seines Amtes schuldhaft eine Rechtsverletzung begeht und ein Dritter dadurch zu Schaden kommt. Der Dienstherr – also regelmäßig das Land – haftet dann für das Verhalten seiner Bediensteten. Besonders deutlich wird das bei Verletzungen durch Polizeihundeinsätze.

So hat das OLG Karlsruhe (NVwZ-RR 2016, 45) entschieden, dass eine Vielzahl von Bissverletzungen bei einem Jugendlichen durch einen Diensthund eine fahrlässige Amtspflichtverletzung darstellen kann, wenn mildere Mittel zur nicht ausgeschöpft wurden. Auch das OLG Hamm (NVwZ-RR 1997, 460) betonte, dass bei unkontrollierten Bissreaktionen eines Polizeihundes eine Haftung des Landes in Betracht kommt, wenn der Hundeführer die gebotene Sorgfalt nicht beachtet hat.

Das OLG Düsseldorf (NJW-RR 1995, 661) stellte klar: Wird ein besonders „aktiver“ Diensthund ohne Maulkorb in einer Menschenmenge eingesetzt, kann dies zu einer Haftung führen, wenn der Beamte nicht ausreichende Vorkehrungen trifft. In allen Fällen gilt: Auch wenn der grundsätzlich rechtmäßig ist, bedeutet das nicht automatisch, dass der konkrete Einsatz des Mittels – etwa eines Hundes – auch verhältnismäßig und sorgfältig erfolgt ist.

Für Polizeibeamte kann das nicht nur persönlich belastend sein, sondern auch zu regressrechtlichen Fragen führen, wenn der Dienstherr Ansprüche an sie weiterreicht. Die Einzelfallumstände – insbesondere Kontrollierbarkeit, Verhältnismäßigkeit und Dokumentation – sind deshalb von erheblicher Bedeutung.

Körperverletzung im Amt -> Rechtsanwalt Jens Ferner, TOP-Strafverteidiger und IT-Rechts-Experte - Fachanwalt für Strafrecht und Fachanwalt für IT-Recht

Verteidigungsperspektive

Aus anwaltlicher Sicht ist es entscheidend, die Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe aus dem Polizeirecht, aber auch aus – und Nothilfegrundsätzen sauber zu prüfen. Die Abgrenzung zwischen einem intensiven, aber rechtmäßigen Zwangsmittel und einer strafbaren Körperverletzung kann sehr fein sein. Oft ist es eine Frage des Beweises: Was konnte der Beamte wann erkennen, wie hat er die Lage eingeschätzt, welche Dynamik hatte der Einsatz?

Speziell für Kolleginnen und Kollegen, die plötzlich mit einem konfrontiert sind, ist frühe anwaltliche Beratung deshalb essenziell. Fehler im Umgang mit der eigenen Aussage oder bei der Kommunikation mit Dienststelle oder Außenwelt können kaum revidiert werden. In unserer Kanzlei bietet dabei Fachanwalt für Strafrecht Jens Ferner eine Zusatzausbildung als zertifizierter Experte für Krisenkommunikation. Denn die im öffentlichen Dienst verbreitete Haltung, unreflektiert immer alles schönzureden, kann die öffentliche Meinung vollends zum Kippen bringen.

Fazit zur Körperverletzung im Amt

Der Vorwurf der Körperverletzung im Amt stellt für Polizeibeamte ein erhebliches Risiko dar – juristisch, beruflich, menschlich. Es geht um mehr als ein Verfahren: Es geht um die Integrität des Rechtsstaates ebenso wie um die Rechte und Pflichten von Amtsträgern. Eine rechtliche Auseinandersetzung verlangt Differenzierung, Sorgfalt und einen kühlen Kopf. Wer betroffen ist, sollte nicht abwarten, sondern sich frühzeitig qualifizierte Unterstützung suchen.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybersecurity & Softwarerecht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft.Als Softwareentwickler bin ich in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung.
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