Mit Urteil vom 27. September 2023 hat der Bundesgerichtshof (BGH, IV ZR 177/22) entschieden, dass aus Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO grundsätzlich kein Anspruch auf Abschriften von Begründungsschreiben zu Prämienanpassungen in privaten Krankenversicherungen abgeleitet werden kann. Diese Entscheidung wirft ein Schlaglicht auf die Auslegung der Auskunftsansprüche nach der DSGVO und deren Begrenzungen.
Sachverhalt
Der Kläger, ein Versicherungsnehmer, begehrte von seiner Krankenversicherung Einsicht in bestimmte Dokumente, die Begründungen für vergangene Prämienanpassungen enthielten. Konkret verlangte er Abschriften von Begründungsschreiben sowie von dazugehörigen Anlagen. Der Kläger begründete dies mit seinem Recht auf Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO, wonach eine betroffene Person das Recht hat, eine Kopie der sie betreffenden personenbezogenen Daten zu erhalten.
Die Beklagte, ein privater Krankenversicherer, lehnte dies ab und argumentierte, dass Art. 15 DSGVO keine Pflicht zur Herausgabe von Abschriften solcher Dokumente begründe.
Rechtliche Würdigung des BGH
Der BGH hat in seinem Urteil wesentliche Aspekte des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO präzisiert:
- Kein genereller Anspruch auf Abschriften
Art. 15 Abs. 3 DSGVO gewährt der betroffenen Person das Recht, eine Kopie ihrer personenbezogenen Daten zu erhalten. Der Anspruch erstreckt sich jedoch nicht automatisch auf die Herausgabe von Abschriften von Dokumenten, die personenbezogene Daten enthalten. Der BGH argumentiert, dass die DSGVO eine Verpflichtung zur Bereitstellung der konkreten Dokumente nicht vorsieht. Vielmehr genüge es, wenn die betroffenen Daten in geeigneter Form bereitgestellt werden. - Grenzen des Anspruchs nach Art. 15 DSGVO
Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung wird durch Erwägungsgrund 63 der DSGVO konkretisiert, der sicherstellt, dass das Recht der betroffenen Person auf eine Kopie der personenbezogenen Daten nicht die Rechte und Freiheiten anderer beeinträchtigen darf. Die Herausgabe von Abschriften könnte jedoch Geschäftsgeheimnisse oder urheberrechtlich geschützte Inhalte betreffen und damit diese Rechte Dritter verletzen. - Abgrenzung zur allgemeinen Informationspflicht
Art. 15 DSGVO dient primär der Transparenz und Kontrolle über personenbezogene Daten und ist kein Instrument zur allgemeinen Informationsbeschaffung. Für spezifische Nachfragen oder die Anforderung bestimmter Dokumente sieht das Gesetz keine erweiterte Auskunftspflicht vor.
Auswirkungen der Entscheidung
Dieses Urteil begrenzt die Reichweite des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO erheblich und stellt klar, dass die DSGVO nicht als Mittel zur umfassenden Einsichtnahme in Unternehmensdokumente genutzt werden kann. Die Entscheidung hat insbesondere folgende praktische Konsequenzen:
- Klarheit für Unternehmen
Unternehmen können sich darauf berufen, dass sie personenbezogene Daten in strukturierter Form bereitstellen können, ohne dazu verpflichtet zu sein, vollständige Dokumente oder deren Abschriften herauszugeben. - Erhöhte Anforderungen an Antragsteller
Betroffene Personen müssen ihre Anträge präziser formulieren und können nicht pauschal auf die Herausgabe von Dokumenten bestehen. - Stärkung des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen
Die Abwägung zwischen dem Auskunftsrecht der betroffenen Person und dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen wurde durch den BGH ausdrücklich zugunsten der Unternehmen konkretisiert.
Fazit
Mit seinem Urteil zur Reichweite des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO hat der Bundesgerichtshof eine wichtige Klarstellung vorgenommen und die Balance zwischen den Rechten betroffener Personen und den Interessen von Unternehmen betont. Die Entscheidung schafft Rechtssicherheit für Unternehmen und schränkt zugleich überzogene Forderungen nach Einsichtnahme ein. Dies unterstreicht die Rolle der DSGVO als ein Instrument des Datenschutzes, nicht jedoch als allgemeines Mittel zur Informationsbeschaffung.
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