Die Übernahme eines Unternehmens birgt nicht nur Chancen, sondern auch Risiken. Das Verwaltungsgericht Braunschweig (8 B 125/24) hat in einem aktuellen Beschluss wichtige Grundsätze zur Haftung des Erwerbers für steuerliche Altverbindlichkeiten des Veräußerers formuliert. Für Entscheidungsträger im Management ist dieses Urteil ein Anlass, die eigene Unternehmensstrategie bei Übernahmen zu überdenken. Im Mittelpunkt stehen drei zentrale Aussagen des Gerichts:
- Erwerber haften unter bestimmten Voraussetzungen für steuerliche Altverbindlichkeiten.
- Die Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB hängt nicht davon ab, ob das Gewerbe als Handelsgewerbe weitergeführt wird.
- Steuerbehörden dürfen unter bestimmten Bedingungen ergänzende Haftungsbescheide erlassen.
Sachverhalt
Im vorliegenden Fall hatte ein Erwerber eine Fahrschule übernommen, die zuvor als Unternehmergesellschaft (UG haftungsbeschränkt) firmierte. Der Veräußerer hatte in der Vergangenheit erhebliche Gewerbesteuerrückstände angehäuft, die durch Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarungen teilweise beglichen wurden. Nach der Übernahme stellte die zuständige Steuerbehörde fest, dass weitere Steuerforderungen auf Grundlage einer Außenprüfung entstanden waren. Der Erwerber wurde daraufhin durch einen Haftungsbescheid nach § 25 HGB und § 75 AO zur Zahlung herangezogen.
Der Erwerber wandte ein, dass er die Fahrschule als Einzelunternehmer und nicht als Kaufmann betreibe, sodass eine Haftung nach § 25 HGB nicht möglich sei. Außerdem argumentierte er, dass die Steuerforderungen durch den ersten Haftungsbescheid abschließend geregelt worden seien.
Analyse der entscheidenden Aussagen
1. Erwerberhaftung für steuerliche Altverbindlichkeiten
Das Gericht stellte fest, dass der Erwerber gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB für sämtliche im Betrieb begründeten Verbindlichkeiten des Veräußerers haftet. Dazu zählen auch steuerliche Altverbindlichkeiten wie Gewerbesteuer. Entscheidend ist, dass das Unternehmen im Kern unverändert fortgeführt wurde, wozu insbesondere die Übernahme von Geschäftsräumen, Kundenstamm, Mitarbeitern und Inventar beiträgt.
Bedeutung für das Management:
Beim Unternehmenskauf sollte geprüft werden, ob Altverbindlichkeiten bestehen, insbesondere steuerliche Schulden. Eine umfassende Due Diligence und die klare vertragliche Abgrenzung der Haftungspflichten sind essenziell, um Überraschungen zu vermeiden.
2. Keine Weiterführung als Handelsgewerbe erforderlich
Nach Ansicht des Gerichts ist es für die Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB unerheblich, ob der Erwerber das Unternehmen als Handelsgewerbe im Sinne des HGB weiterführt. Entscheidend ist lediglich, dass der Veräußerer ein Handelsgewerbe betrieb. Der Zweck dieser Norm liegt im Schutz des Rechtsverkehrs, der bei einer nahtlosen Unternehmensfortführung weiterhin von der Bonität des ursprünglichen Inhabers ausgehen darf.
Bedeutung für das Management:
Auch wenn das erworbene Unternehmen künftig in vereinfachter Form betrieben wird, kann die Haftung greifen. Ein Rückzug auf Argumente wie die eigene Kleinunternehmereigenschaft reicht nicht aus, um sich der Haftung zu entziehen.
3. Ergänzende Haftungsbescheide sind zulässig
Das Gericht erklärte, dass ein ergänzender Haftungsbescheid neben einem bereits bestandskräftigen ersten Bescheid erlassen werden darf, wenn neue Tatsachen – etwa durch eine Außenprüfung – die Erhöhung der Steuerschuld rechtfertigen. Dies verstößt nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, solange die nachträgliche Erhöhung auf bislang unbekannten Fakten beruht.
Bedeutung für das Management:
Selbst nach dem Erlass eines ersten Haftungsbescheides können weitere Forderungen entstehen. Unternehmen sollten sich auf mögliche Nachforderungen vorbereiten und Steuerprüfungen eng begleiten, um rechtzeitig auf neue Erkenntnisse zu reagieren.
Fazit
Das Urteil des VG Braunschweig unterstreicht, wie wichtig eine sorgfältige Planung und Prüfung bei Unternehmensübernahmen ist. Für das Management bedeutet dies:
- Transparenz bei Verbindlichkeiten schaffen: Die vollständige Ermittlung der steuerlichen Situation des Zielunternehmens ist entscheidend.
- Vertragliche Sicherungen einbauen: Haftungsfragen sollten im Kaufvertrag klar geregelt und durch Garantien des Veräußerers abgesichert werden.
- Langfristige Risiken bedenken: Die Möglichkeit ergänzender Haftungsbescheide zeigt, dass auch nach der Übernahme unerwartete Forderungen entstehen können.
Dieses Urteil bietet wertvolle Orientierung, die nicht überrascht: Zu kaufende Unternehmen gehören durchleuchtet, vollständig.
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