Umsatzsteuerbetrug im Onlinehandel

In einem Urteil mit weitreichender Bedeutung für den Onlinehandel und die Bekämpfung von entschied der (BGH, 1 StR 213/19) am 14. Oktober 2020 über einen Fall, in dem durch europaweiten Onlinehandel in Millionenhöhe hinterzogen wurde. Die Entscheidung beleuchtet sowohl die technische Durchführung solcher Straftaten als auch die rechtlichen Konsequenzen, insbesondere im Hinblick auf steuerstrafrechtliche Maßnahmen wie die von Taterträgen und die Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung der Steuerhinterziehung.

Der Sachverhalt: Umsatzsteuerbetrug durch Onlinehandel

Im Zentrum des Falls stand ein international tätiger Händler, der über verschiedene Onlineplattformen Waren in die Europäische Union – etwa aus – verkaufte. Dabei nutzte er ein komplexes Netzwerk aus Briefkastenfirmen, um seiner Verpflichtung zur Abführung der Umsatzsteuer systematisch zu entgehen. Der Angeklagte meldete die Verkäufe gegenüber den Finanzbehörden entweder gar nicht oder nur unvollständig und setzte dabei falsche Rechnungen ein, die entweder keine Umsatzsteuer auswiesen oder diese fälschlicherweise als abgeführt deklarierten.

Durch diese Vorgehensweise gelang es ihm, Millionenbeträge an Umsatzsteuer zu hinterziehen. Die Finanzbehörden wurden durch Verdachtsmeldungen und internationale Kooperationen auf die Vorgänge aufmerksam, woraufhin es zu einer umfangreichen strafrechtlichen Untersuchung kam.


Steuerrechtliche und steuerstrafrechtliche Probleme

1. Systematische Umsatzsteuerhinterziehung

Der zentrale Tatbestand war die Umsatzsteuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO. Der Angeklagte machte falsche Angaben zu steuerlich relevanten Tatsachen, indem er die tatsächlichen Umsätze nicht erklärte oder falsch deklarierte. Besonders problematisch war die Nutzung internationaler Strukturen, da diese die Überprüfung durch nationale Behörden erschwerten.

Der BGH stellte klar, dass es sich bei den hinterzogenen Beträgen um steuerliche Taterträge handelt, die im Rahmen des § 73 StGB einzuziehen sind. Dies betraf nicht nur den unmittelbar hinterzogenen Betrag, sondern auch die Vorteile, die durch die fortgesetzte Nutzung des Systems erzielt wurden.

2. Europäische Mehrwertsteuerregelungen

Die Entscheidung betraf auch die korrekte Anwendung der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Der BGH hob hervor, dass der Angeklagte bewusst die Prinzipien des sogenannten Bestimmungslandprinzips verletzte, wonach Umsatzsteuer in dem Land zu entrichten ist, in dem der Endverbrauch stattfindet. Der systematische Verstoß gegen dieses Prinzip stellte eine schwerwiegende Verletzung der steuerrechtlichen Pflichten dar.

3. Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung

Ein zentraler Punkt der BGH-Entscheidung war die Differenzierung zwischen versuchter und vollendeter Steuerhinterziehung. Die Vollendung tritt ein, wenn der steuerliche Schaden tatsächlich eintritt, etwa durch die Verkürzung der Steuer oder die Erlangung eines unrechtmäßigen Steuervorteils. Die Grenze zum Versuch wurde bei den Fällen gezogen, in denen die falschen Angaben zwar gemacht, die Steuer aber noch nicht verkürzt wurde.

4. Einziehung von Taterträgen

Der BGH bestätigte die Verpflichtung zur Einziehung der durch die Taten erzielten Vermögensvorteile. Er betonte, dass die Einziehung gemäß § 73 StGB zwingend ist und auch komplexe Strukturen nicht vor der Abschöpfung schützen. Dabei hob er hervor, dass die Einziehung der vollen Summe der hinterzogenen Umsatzsteuer unabhängig davon erfolgen kann, ob der Angeklagte diese vollständig zu seinem eigenen Vorteil genutzt hat oder ob Teile in den Strukturen „verloren“ gingen.

5. Internationale Zusammenarbeit und Verjährungsfragen

Da der Fall grenzüberschreitend war, war die internationale Zusammenarbeit ein wesentlicher Faktor. Der BGH stellte klar, dass die steuerstrafrechtliche durch die Ermittlungen unterbrochen wurde und somit die längeren Verjährungsfristen gemäß § 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB galten. Dies verhinderte, dass der Angeklagte von den Zeitabläufen profitierte.

6. Besondere Schwere der Schuld

Aufgrund der hohen Schadenssumme und der systematischen Vorgehensweise wurde die Schuld des Angeklagten als besonders schwer bewertet. Dies führte zu einer von mehreren Jahren. Der BGH hob hervor, dass die insbesondere bei systematischen und großangelegten Steuerhinterziehungen ein klares Signal der Abschreckung setzen muss.


Fazit

Das Urteil des BGH in der Sache 1 StR 213/19 zeigt die Komplexität moderner Steuerhinterziehung im Onlinehandel und die Herausforderungen, denen sich die Justiz bei der Verfolgung solcher Taten gegenübersieht. Die Entscheidung setzt wichtige Maßstäbe für die strafrechtliche Bewertung von Umsatzsteuerbetrug, die Einziehung von Taterträgen und die Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung. Gleichzeitig unterstreicht sie die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit und zeigt auf, wie der Rechtsstaat auf grenzüberschreitende Straftaten reagiert.

Diese Entscheidung hat nicht nur präventiven Charakter, sondern auch erhebliche Auswirkungen auf die Praxis, indem sie die steuerstrafrechtlichen Konsequenzen und die Durchsetzungsmöglichkeiten deutlich aufzeigt.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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