Gesetzentwurf zur Bedrohung von Zeugen und Gerichtspersonen

Neuer Gesetzentwurf zur von Zeugen und Gerichtspersonen: Was steckt dahinter und welche Risiken birgt er für Strafverteidiger? Der vorliegende Gesetzentwurf, eingebracht durch das Land Berlin, zielt darauf ab, den Schutz von Zeugen, Zeuginnen und Gerichtspersonen vor Bedrohungen zu stärken. Anlass für den Entwurf sind vermehrte Vorfälle, bei denen Verfahrensbeteiligte – darunter Richter, Staatsanwälte, Zeugen und – bedroht oder eingeschüchtert wurden. Insbesondere in Verfahren gegen zeigt sich ein erhöhtes Risiko für Bedrohungshandlungen.

Kern des Entwurfs ist die Ergänzung des § 240 StGB () um ein weiteres Regelbeispiel, das die Nötigung von Verfahrensbeteiligten und Beweispersonen umfasst. Ziel ist es, die freie Willensbildung und die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege zu schützen. Flankierend sollen entsprechende Taten in den Katalog der §§ 100a und 100g aufgenommen werden, um Maßnahmen wie zu ermöglichen.

Kritische Analyse: Risiken für Strafverteidiger

Während das erklärte Ziel des Entwurfs – der Schutz von Verfahrensbeteiligten – nachvollziehbar ist, gibt es insbesondere für Strafverteidiger problematische Aspekte, die kritisch betrachtet werden müssen.

1. Unscharfe Formulierungen und ihre Auswirkungen auf die Strafverteidigung

Die Formulierungen im Entwurf lassen viel Spielraum für Interpretation. Die Aufnahme eines Regelbeispiels in den Nötigungstatbestand bedeutet, dass eine Strafbarkeit bereits bei der Beeinflussung der „freien Willensbildung“ von Verfahrensbeteiligten greifen kann. Dies kann zu erheblichen Unsicherheiten führen, insbesondere für Strafverteidiger, deren Aufgabe es oft ist, Zeugen und andere Verfahrensbeteiligte durch intensive Befragung und Konfrontation aus der Reserve zu locken. Solche Techniken sind gängige und notwendige Bestandteile der Strafverteidigung, um die Interessen des Mandanten zu wahren.

Die Grenzen zwischen zulässigem Verteidigungsverhalten und strafbarer Nötigung werden durch den Entwurf potenziell verschoben. Ein Strafverteidiger, der in der Verhandlung durch gezielte Fragen und verbalen Druck versucht, einen Zeugen aus der Fassung zu bringen oder eine Pause beim Gericht zu erwirken, könnte künftig riskieren, dass sein Verhalten strafrechtlich untersucht wird. Dies könnte selbst dann gelten, wenn die Methoden üblich und innerhalb der Verteidigungsrechte liegen.

2. Verschärfte Überwachung und ihre Folgen für die Verteidigung

Die geplante Aufnahme der Nötigung unter den neuen Voraussetzungen in die Kataloge der §§ 100a und 100g StPO ermöglicht es, auch Verteidigern gegenüber Überwachungsmaßnahmen zu ergreifen. Strafverteidiger könnten somit vermehrt ins Visier von Ermittlungen geraten, die ursprünglich darauf abzielen, die organisierte Kriminalität zu bekämpfen. Die Konsequenz könnte sein, dass vertrauliche Gespräche oder strategische Überlegungen zwischen Anwalt und Mandant überwacht werden, was einen massiven Eingriff in das Verteidigungsrecht darstellt.

3. Der Eindruck unzureichender sprachlicher Präzision

Der Gesetzentwurf leidet unter unscharfer und teils unpräziser Sprache, was besonders in einem so sensiblen Bereich wie dem Strafrecht problematisch ist. Unklare Definitionen, wie etwa die von „Verfahrensbeteiligten“ oder „Beweispersonen“, erweitern den Kreis der potenziell Betroffenen und lassen Interpretationsspielräume, die zu einer vermehrten strafrechtlichen Prüfung von Verteidigerverhalten führen könnten.

Dieser Mangel an sprachlicher Präzision erweckt den Eindruck, dass dem Gesetzgeber die weitreichenden Implikationen seiner Regelung nicht vollständig bewusst sind. Es stellt sich die Frage, ob bei der Ausgestaltung der Vorschriften ausreichend berücksichtigt wurde, wie eng verknüpft bestimmte Verteidigerpraktiken mit den Grundrechten der Mandanten sind.

Ausblick

Der vorliegende Gesetzentwurf mag mit guten Absichten erstellt worden sein, um den Schutz von Verfahrensbeteiligten in Strafprozessen zu erhöhen. Doch seine potenziellen Auswirkungen auf die Strafverteidigung sind erheblich und werfen ernsthafte Fragen auf. Die unscharfen Formulierungen und die damit verbundene Unsicherheit, was noch als legitime Verteidigung gilt und was bereits als Nötigung angesehen werden könnte, könnten das Recht auf eine effektive Verteidigung unterminieren.

Es bedarf daher einer sorgfältigen Abwägung und sicherlich einer umfassenden Nachbesserung des Entwurfs, um sicherzustellen, dass notwendige Verteidigerrechte nicht unangemessen eingeschränkt werden. Der Gesetzgeber sollte sich der Tragweite seiner Regelungen bewusst sein und eine präzisere, schützende und gerechte Balance finden.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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