Fahrtenbuchauflage und Voraussetzungen für Anordnung von Fahrtenbuch: Mit § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen – wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.
In diesem Beitrag erfahren Sie mehr über die Fahrtenbuchauflage und zu den Voraussetzungen für die Anordnung des Führens von einem Fahrtenbuch. Zur Dauer der Fahrtenbuchauflage finden Sie hier einen Beitrag.
Voraussetzungen für Fahrtenbuchauflage
Anordnung von Fahrtenbuch: Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für eine Fahrtenbuchauflage sind dann erfüllt, wenn die Bußgeldbehörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu ermitteln – obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Ob die Aufklärung angemessen war, richtet sich danach, ob die Bußgeldbehörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können.
Rechtmäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage
Grundsätzlich gilt: Die Rechtmäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage beurteilt sich nach § 31 a StVZO. Nach dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge – auch Ersatzfahrzeuge – die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen eine Verkehrsvorschrift nicht möglich war.
Ermittlungsmaßnahmen bei Fahrtenbuchauflage
Zu den danach angemessenen Ermittlungsmaßnahmen gehört in erster Linie, dass der Fahrzeughalter möglichst umgehend – im Regelfall innerhalb von zwei Wochen – von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten kann und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann.
Eine solche Benachrichtigung begründet für den Halter eine Obliegenheit, zur Aufklärung des mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes so weit mitzuwirken, wie es ihm möglich und zumutbar ist. Dazu gehört es insbesondere, dass er den bekannten oder auf einem vorgelegten Lichtbild erkannten Fahrer benennt oder – insbesondere etwa auch, wenn der Fahrer auf dem Foto nicht zu erkennen ist – zumindest den möglichen Täterkreis eingrenzt und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigten fördert.
Verwaltungsgericht Aachen, 10 K 1615/18
Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Bußgeldbehörde können sich im Weiteren an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten, wobei ein Betrieb vorsorgen muss, um den Fahrer benennen zu können.
Mangelnde Mitwirkung des Fahrzeughalters
Lehnt der Fahrzeughalter erkennbar die Mitwirkung an der Ermittlung der für den Verkehrsverstoß verantwortlichen Person ab und liegen der Bußgeldbehörde auch sonst keine konkreten Ermittlungsansätze vor, ist es dieser regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (dazu nur OVG NRW, 8 B 774/19). Dabei hindert ein Zeugnisverweigerungsrecht nicht die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage.
Die Fahrtenbuchauflage kann sehr belastend sein im Alltag – aber auch durchaus ein zu zahlender Preis in einer Gesamtabwägung. Es macht durchaus Sinn, prüfen zu lassen, ob die Anordnung der Fahrtenbuchauflage rechtmäßig war. Aber ab einem bestimmten Punkt muss man schlicht abwägen, ob die Kosten eines Verfahrens noch im Verhältnis stehen.
Jens Ferner
StrafverteidigerLehnt der Fahrzeughalter dabei erkennbar die Mitwirkung an der Ermittlung der für den Verkehrsverstoß verantwortlichen Person ab und liegen der Bußgeldbehörde auch sonst keine konkreten Ermittlungsansätze vor, ist es dieser regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (Verwaltungsgericht Aachen, 10 L 1280/19). Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage erfordert dabei keine Kausalität zwischen der fehlenden Mitwirkungshandlung des Halters und der Nichtfeststellbarkeit des Fahrzeugführers:
Aber auch im Fall einer anderen Bewertung, liegt ein Ermessensfehler nicht vor. Das Gericht teilt nämlich nicht die Auffassung einer einschränkenden Auslegung bei fehlender Kausalität zwischen dem Verhalten des Fahrzeughalters und dem Misserfolg der Feststellung des Fahrzeugführers. Weder der Wortlaut noch der Zweck der Vorschrift gebieten diese Einschränkung. Der Wortlaut des § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO enthält gerade nicht das Erfordernis, dass die Nichtfeststellbarkeit des Fahrzeugführers auf der mangelnden Mitwirkungsbereitschaft des Halters beruht. Die Anordnung der Fahrtenbuchauflage hat den Zweck, künftig sicher zu stellen, dass bei einer weiteren Verkehrszuwiderhandlung der verantwortliche Fahrzeugführer im Hinblick auf die kurze Verjährung rechtzeitig ermittelt werden kann. Die Fahrtenbuchauflage stellt somit eine Maßnahme der Gefahrenabwehr dar und hat keinen Strafcharakter. Der Kläger hat selbst vorgetragen, dass sein Fahrzeug nicht nur von ihm allein genutzt werde und er deshalb den Fahrer nicht benennen könne. Damit hat er genau den Umstand beschrieben, der durch ein Fahrtenbuch verhindert werden soll. Die Führung eines Fahrtenbuchs ist deshalb nicht allein deswegen ausgeschlossen, dass die gebotenen Ermittlungsbemühungen der Behörde trotz Mitwirkung des Fahrzeughalters gleichwohl erfolglos geblieben sind (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 10.11.2007 – 8 B 1042/07 -, juris Rn. 6; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage, 2009, § 31 a StVZO Rn. 4).
VG Göttingen (1 A 210/09)
Ermessen der Behörde bei Anordnung von Fahrtenbuchauflage
Die Behörde hat bei Anordnung der Fahrtenbuchauflage das durch § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO eingeräumte Ermessen (§ 114 VwGO) auszuüben – was gerichtlich prüfbar ist. Dabei kann man vertreten, dass das Ermessen in den Fällen eingeschränkt und die Auferlegung eines Fahrtenbuches nicht gerechtfertigt ist, in denen das Verhalten des Fahrzeughalters für den Misserfolg der Ermittlungen nicht ursächlich gewesen ist, weil er das ihm Zumutbare und Mögliche zur Aufklärung beigetragen hat (vgl. VG Augsburg, Au 3 K 08.437; VGH Baden-Württemberg, 10 S 962/90). Voraussetzung ist aber, dass auch ausreichend mitgewirkt wurde (siehe oben).
Im Zuge des Ermessens bei der Anordnung der Fahrtenbuchauflage gibt es übrigens keine schematische Fahrtenbuchauflage bei Bagatellen. So hat das OVG Niedersachsen mit sehr deutlichen Worten festgestellt, dass bei Bagatellverstößen keine schematische Fahrtenbuchauflage über Gebühr angezeigt ist:
Konkrete Gründe, die gerade eine neunmonatige Fahrtenbuchauflage angezeigt erscheinen lassen oder solche die neben der „Schwere der Zuwiderhandlung“ zu Lasten der Klägerin ins Gewicht fallen, ergeben sich daraus nicht. Soweit der Beklagte insoweit auf seine Verwaltungspraxis verweist, wonach bei einem mit einem Punkt im Verkehrszentralregister einzutragenden Verkehrsverstoß in aller Regel eine Fahrtenbuchauflage für die Dauer von neun Monaten vorgesehen werde, reicht dies nicht aus. Eine an die Schwere des Verstoßes angelehnte Schematisierung der Ermessenspraxis ist ohne Zweifel im Sinne einer Gleichbehandlung zulässig. Eine an die Schwere des Verstoßes angelehnte Schematisierung der Ermessenspraxis ist ohne Zweifel im Sinne einer Gleichbehandlung zulässig. Die bloße Bezugnahme auf diese internen Vorgaben reicht aber, gerade wenn – wie hier – „nur“ ein mit einem Punkt zu bewertender Verkehrsverstoß vorliegt und zudem – wie im Bescheid selbst dargelegt – zu Gunsten des Fahrzeughalters zu berücksichtigen ist, dass es sich um einen Erstverstoß handelt, nicht aus, um eine Dauer von neun Monaten zu begründen.
OVG Niedersachsen, 12 LB 318/08
2-Wochen-Frist bei Fahrtenbuchauflage
Gerne thematisiert wird, ob ein ursächliches Ermittlungsdefizit der Behörde vorliegt, wenn die vorgesehene 2-Wochen-Frist der Anhörung des Fahrzeughalters vor Anordnung der Fahrtenbuchauflage überschritten wird. Aber eine Überschreitung der Zwei-Wochen-Frist ist für die fehlgeschlagene Ermittlung des Verantwortlichen für den Verkehrsverstoß mit der ständigen Rechtsprechung nicht ausschlaggebend.
Denn auch nach Ablauf der so genannten Zwei-Wochen-Frist besteht für den Halter die Obliegenheit, an der Aufklärung des mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes so weit mitzuwirken, wie es ihm möglich und zumutbar ist:
Diese – in der Rechtsprechung entwickelte – Frist für die Benachrichtigung des Fahrzeughalters ist keine starre Grenze und kein formales Tatbestandsmerkmal. Sie dient vielmehr dazu sicherzustellen, dass der jeweilige Fahrzeughalter die sein Fahrzeug betreffenden Vorgänge noch aus der Erinnerung heraus zuverlässig beantworten kann und es ihm dann möglich ist, auf dieser Grundlage gegebenenfalls seine Verteidigung in dem Ordnungswidrigkeitenverfahren einzurichten.
Verwaltungsgericht Aachen, 10 K 1615/18
Eine verspätete Anhörung steht der Auferlegung einer Fahrtenbuchauflage daher dann nicht entgegen, wenn der Fahrer nicht ermittelt werden kann, weil der Halter erkennbar nicht so weit mitwirkt, wie es ihm trotz des verstrichenen Zeitraums noch möglich und zumutbar ist. Außerdem gilt die Zwei-Wochen-Frist nicht für Fallgestaltungen, in denen auch eine spätere Anhörung zur effektiven Rechtsverteidigung genügt. Ihre Nichteinhaltung ist überdies unschädlich, wenn feststeht, dass die Rechtsverteidigung des Fahrzeughalters durch dessen verzögerte Anhörung nicht beeinträchtigt worden ist und man die Voraussetzungen für die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage dennoch annehmen würde.
Anordnung der Fahrtenbuchauflage nach langer Zeit
Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage ist nicht automatisch unverhältnismäßig, nur weil zu viel Zeit zwischen Verkehrsverstoß und Auflage liegt – so das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen (12 LB 19/13). Dabei ist dieser Gedanke so falsch nicht, wie das Gericht feststellte, denn
Zwar ist denkbar, dass für die Rechtmäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage der zwischen der Begehung der Verkehrsordnungswidrigkeit und der Anordnung der Fahrtenbuchauflage verstrichene Zeitraum relevant sein kann […] und eine Fahrtenbuchauflage als Mittel der Gefahrenabwehr nach Ablauf eines erheblichen Zeitraums als unverhältnismäßig anzusehen ist.
Aber es gibt hier keinen festen Zeitraum oder eine „Formel“. Welche Zeitspanne ausschlaggebend ist, ist vielmehr nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beantworten. Dabei sind die Dauer der notwendigen Ermittlungen, die Geschäftsbelastung der betroffenen Behörde und das Verhalten des Fahrzeughalters zu berücksichtigen – aber man lässt ausser Acht, welche Zeit durch die rechtliche Gegenwehr „verloren“ ging. Hier kam man auf 18 Monate – und das Gericht stellte klar
Anhaltspunkte dafür, dass die Fahrtenbuchanordnung zwischenzeitlich funktionslos geworden sein oder eine Verwirkung vorliegen könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Seien es nun 18 Monate oder 16 Monate (so eine frühere Entscheidung): Eine Fahrtenbuchauflage kommt weiterhin in Betracht.
Gerichtliche Prüfung der Fahrtenbuchauflage
Eine Fahrtenbuchauflage kann jederzeit gerichtlich geprüft werden, da es sich um einen Dauerverwaltungsakt handelt – und so kann auch später noch festgestellt werden, ob das Bedürfnis für die Fahrtenbuchauflage noch besteht. Alleine, das nichts weiter geschehen ist reicht hierfür aber nicht aus. Das Verwaltungsgericht Koblenz (4 K 215/14.KO) hat sich zur gerichtlichen Prüfung der Fahrtenbuchauflage nochmals treffend geäußert:
Bei der Fahrtenbuchauflage handelt es sich allerdings um einen Dauerverwaltungsakt, der auch noch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung rechtmäßig sein muss. Änderungen des entscheidungserheblichen Sachverhalts wie beispielsweise der Wegfall einer Gefahrenlage können für die Aufrechterhaltung der Fahrtenbuchauflage rechtserheblich sein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Februar 1989 – 7 B 18/89 -, NJW 1989, 1624; Urteil vom 17. Dezember 1982 – 7 C 3/80 -, nach juris; Urteil vom 13. Oktober 1978 – VII C 77.74 -, NJW 1979, 1054). Für eine solche Änderung des entscheidungserheblichen Sachverhalts ist jedoch hier nichts ersichtlich und auch nichts vorgetragen. Die bloße verkehrsrechtliche Unauffälligkeit des von ihr gehaltenen Fahrzeuges über einen Zeitraum von rund eineinhalb Jahren recht hierfür nicht aus. Das ergibt sich zum einen daraus, dass die Fahrtenbuchauflage als Maßnahme der vorbeugenden Gefahrenabwehr auch noch nach Ablauf diese Zeitraumes auf den Fahrzeughalter dergestalt einwirken kann, dass er künftig bei der Feststellung des Fahrzeugführers im Falle eines Verkehrsverstoßes mitwirkt und er zur Erfüllung seiner Aufsichtspflichten bei Fahrzeugüberlassung angehalten wird.
Sprich: Man kann sich durchaus wehren und auch noch durch die mündliche Verhandlung Änderungen zwingend berücksichtigen lassen – dass einfach nur bisher sonst nichts weiter Aufgefallen ist, reicht aber gerade nicht aus.
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