Erschöpfung der Rechte aus einem Patent

Der BGH konnte sich etwas detaillierter zur von Rechten aus einem Patent äußern: Dabei ging es zum einen um die erschöpfende Wirkung von Vereinbarungen bei Patenten zu Mikrochips, die in anderen Komponenten verbaut werden. Davor hat man sich allerdings sehr ausführlich zur Frage des anwendbaren Rechts geäußert.

Anwendbares Recht

Die Frage, welche Wirkungen Vereinbarungen im Hinblick auf mögliche Verletzungen des Klagepatents in Deutschland im Verhältnis zu Dritten haben können, ist nach dem Recht des Schutzlandes zu beurteilen, also des Staates, für den Schutz beansprucht wird und für den Ansprüche gegen einen Dritten geltend gemacht werden.

Mit dem BGH gilt insoweit, dass nach allen in Betracht kommenden Regelungsgrundlagen die Beurteilung der Frage, unter welchen Voraussetzungen bei einer Verletzung des Schutzrechts Ansprüche gegen Dritte entstehen, grundsätzlich dem Recht des Staates unterliegt, für den der Schutz beansprucht wird. Dabei hat der BGH zuletzt offen gelassen, ob sich dieser Grundsatz bereits aus Erwägungsgrund 26 der Rom II-VO oder aus Art. 8 Rom II-VO ableiten lässt, ob er sich aus einer ungeschriebenen Kollisionsnorm des Unionsrechts ergibt oder ob die Verordnung keine Regelung über die Berechtigung am Schutzrecht enthält (BGH, X ZR 103/19).

Nach dem Recht des Schutzlandes ist danach auch die Frage zu beurteilen, ob einer Person, die aufgrund einer Vereinbarung mit dem Inhaber zur Nutzung des Rechts berechtigt ist, im Verletzungsfall eigene Ansprüche gegen die an der Vereinbarung Beteiligten zustehen. Nur so kann eine einheitliche und widerspruchsfreie Rechtsanwendung gewährleistet werden.

Die Frage, ob eine Gesellschaft bei Vertragsschluss ordnungsgemäß vertreten war, ist nach dem Gesellschaftsstatut zu beurteilen. Die Frage, welche Rechte und Pflichten die Vertragsparteien im Verhältnis zueinander in Bezug auf das betreffende Schutzrecht haben sollen, ist grundsätzlich nach dem Vertragsstatut zu beurteilen. Soweit es dagegen um die Rechtsstellung des Berechtigten gegenüber Dritten geht, ist ein Rückgriff auf Kategorien einer anderen Rechtsordnung ausgeschlossen. Diese Frage betrifft die Schutzwirkungen des Rechts im Verhältnis zu Dritten und ist daher nach dem Recht des Schutzlandes zu beurteilen.

Erschöpfung im Patentrecht

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erschöpft sich das Ausschließlichkeitsrecht aus einem Erzeugnispatent hinsichtlich derjenigen Exemplare des geschützten Erzeugnisses, die vom Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung von einem Dritten in den Verkehr gebracht worden sind.

Der rechtmäßige Erwerber und der ihm nachfolgende Dritterwerber sind berechtigt, diese Erzeugnisse bestimmungsgemäß zu gebrauchen, an Dritte zu veräußern oder Dritten zu einem dieser Zwecke anzubieten. Hat der Patentinhaber die mit dem Ausschließlichkeitsrecht verbundenen Befugnisse dadurch ausgeübt, dass er oder mit seiner Zustimmung ein Dritter den patentgeschützten Gegenstand in Verkehr gebracht hat, so besteht nach Sinn und Zweck des Patentrechts kein Anlass mehr, ihm darüber hinaus Einflussmöglichkeiten auf das weitere Schicksal des geschützten Gegenstands einzuräumen. Die Verfügung über den Gegenstand obliegt vielmehr dem Erwerber, der den Gegenstand im Verhältnis zum Patentinhaber rechtmäßig erworben hat.

Bei Erzeugnissen, die von Dritten in Verkehr gebracht werden, setzt der Eintritt der Erschöpfungswirkung nicht zwingend voraus, dass dem Dritten eine wirksame erteilt worden ist. Die Erschöpfung ist vielmehr auch in dieser Konstellation zwingende Rechtsfolge des Inverkehrbringens des patentgeschützten Gegenstands mit Zustimmung des Patentinhabers. Beschränkungen, die ein Patentinhaber in einem Lizenzvertrag hinsichtlich der Befugnis zur Benutzung der aufgrund der Lizenz in Verkehr gebrachten Erzeugnisse vereinbart, haben daher grundsätzlich keinen Einfluss auf den Eintritt der Erschöpfungswirkung.

Dabei gilt: Die Erschöpfungswirkung ist grundsätzlich auf dasjenige Erzeugnis beschränkt, das mit Billigung des Schutzrechtsinhabers in Verkehr gebracht worden ist. Sie erstreckt sich nicht ohne Weiteres auf Vorrichtungen, die ein solches Erzeugnis als eine von mehreren Komponenten enthalten.

Erschöpfung und „covenant not to sue“

Nach dem oben Gesagten führt eine Vereinbarung, in der sich der Patentinhaber verpflichtet, gegenüber dem Vertragspartner keine Ansprüche aus dem Patent geltend zu machen, grundsätzlich zur Erschöpfung in Bezug auf Erzeugnisse, die aufgrund dieser Vereinbarung in Verkehr gebracht werden. Entscheidend ist, dass der Patentinhaber hinreichend deutlich macht, dass er gegenüber seinem Vertragspartner keine Rechte aus dem Patent geltend machen wird. Mit einer wirksamen Verpflichtung dieses Inhalts bringt der Patentinhaber in einer für den Eintritt der Erschöpfungswirkung ausreichenden Weise zum Ausdruck, dass er seine Rechte in Bezug auf die Vertriebshandlungen des Vertragspartners vollständig ausgeübt hat, d.h. dass dessen Erzeugnisse mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht werden.

Aber: Ein Vertrag, in dem der Patentinhaber erklärt, keine Rechte aus dem Patent geltend zu machen, sich die Geltendmachung solcher Rechte aber ausdrücklich vorbehält, kann im Einzelfall dahin auszulegen sein, dass der Patentinhaber auf seine Rechte gerade nicht verzichten will. Denn die Zustimmung muss angesichts ihrer weitreichenden Wirkung in einer Weise zum Ausdruck gebracht werden, die einen Willen zum Verzicht auf das Recht, Dritten die Benutzung der technischen Lehre des Patents zu untersagen, zweifelsfrei erkennen lässt! Deshalb ist mit dem BGH immer sehr sorgfältig zu prüfen, ob eine Vereinbarung eine solche Zustimmung enthält. Dies ist eine Frage der Vertragsauslegung, die grundsätzlich dem Tatrichter obliegt.

Eine Erklärung dieses Inhalts ist nach dem Verständnis des BGH in der vorliegenden Entscheidung mit einem covenant not to sue typischerweise verbunden. Ein Vorbehalt von Rechten gegenüber Dritten stellt dann lediglich einen untauglichen Versuch dar, die Reichweite der Erschöpfung zu beschränken. Das bedeutet: Ein covenant not to sue führt in der Regel zur Erschöpfung der Rechte an den auf dieser Grundlage in Verkehr gebrachten Erzeugnissen. Vorliegend ging es darum:

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin mit den beiden Herstellern der Chipsätze, mit denen die angegriffenen Mobilgeräte ausgestattet sind, jeweils einen Vertrag geschlossen, in dem sie sich verpflichtet hat, Ansprüche wegen Verletzung der vom Vertrag erfassten Schutzrechte gegenüber diesen Herstellern nur für den Fall geltend zu machen, dass sie zuvor alle in Betracht kommenden Dritten in Anspruch genommen hat.

Der BGH meint nun, dass für die Frage, ob ein „covenant to be sued“ zur Erschöpfung führt, insbesondere von Bedeutung ist, ob die Vertragspartei nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge befürchten muss, von der Patentinhaberin wegen Patentverletzung in Anspruch genommen zu werden.

Die Zustimmung zum Inverkehrbringen eines Erzeugnisses kann als Zustimmung zum Inverkehrbringen einer mit diesem Erzeugnis ausgestatteten größeren Vorrichtung angesehen werden, wenn dies die einzige wirtschaftlich sinnvolle Verwendung darstellt. Die Zustimmung zum Inverkehrbringen eines Erzeugnisses kann zur Erschöpfung der Rechte an einer damit ausgestatteten größeren Vorrichtung führen, wenn alle im Patent festgelegten Merkmale und Funktionen durch das von der Zustimmung erfasste Erzeugnis verwirklicht werden und die übrigen Bestandteile der größeren Vorrichtung insoweit keine Bedeutung haben.

Auslegung am Beispiel des Vertriebs von Mikrochips

WIe oben dargestellt ist die Erschöpfungswirkung grundsätzlich auf dasjenige Erzeugnis beschränkt, das mit Billigung des Schutzrechtsinhabers in Verkehr gebracht worden ist – und erstreckt sich erst einmal nicht auf Vorrichtungen, die ein solches Erzeugnis als eine von mehreren Komponenten enthalten.

Eine abweichende Beurteilung kann sich daraus ergeben, dass bei Mikrochips die wirtschaftlich allein sinnvolle Verwendung der in Rede stehenden Chipsätze in deren Einbau in (hier: mobile) Endgeräte besteht. Dieser naheliegende Umstand kann in der Auslegung ein Aspekt dafür sein, dass die zum Vertrieb der Chipsätze erteilte Zustimmung zugleich als konkludente Zustimmung zum Vertrieb von damit ausgestatteten Mobilfunkgeräten auszulegen ist:

Dafür könnte insbesondere sprechen, dass die Zustimmung der Klägerin für deren Vertragspartner möglicherweise weitgehend sinnlos wäre, wenn sie die Chipsätze zwar vertreiben könnten, ihre Abnehmer aber darauf hinweisen müssten, dass diese nicht ihrer einzigen wirtschaftlich sinnvollen Verwendung zugeführt werden dürfen. Eine abweichende Beurteilung könnte naheliegen, wenn die Chiphersteller gegenüber ihren Abnehmern die Haftung diesbezüglich ausgeschlossen haben.

, X ZR 123/20

Aber selbst wenn Verträge mit Chipherstellern dahingehend auszulegen sind, dass ein Einbau der Chipsätze in andere Komponenten wie z.B. Mobilfunkgeräte nicht vereinbart wurde, kommt mit dem BGH eine Erschöpfung in Betracht, sofern die technischen Wirkungen des Klagepatents im Wesentlichen durch die Chipsätze hervorgerufen werden und alle anderen Komponenten der Endgeräte insoweit keine entscheidende Bedeutung haben:

Eine solche Wirkung kommt allerdings nicht schon dann in Betracht, wenn der Einbau in Mobilfunkgeräte die einzige wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit zur Verwendung der Chipsätze darstellt. Erforderlich ist vielmehr, dass sich die Zustimmung des Patentinhabers der Sache nach auf das Inverkehrbringen der Gesamtvorrichtung bezieht.

Die Zustimmung zum Inverkehrbringen einzelner Bestandteile kann dem allenfalls dann gleichstehen, wenn diese Bestandteile alle im Patent vorgesehenen Funktionen erfüllen. Im Streitfall könnte dies anzunehmen sein, wenn alle in Patentanspruch 9 definierten Eigenschaften und Funktionen durch die von der Vereinbarung mit den Chipherstellern gedeckten Chipsätze verwirklicht werden und den übrigen Bestandteilen der angegriffenen Mobilfunkgeräte insoweit keine Bedeutung zukommt.

Bundesgerichtshof, X ZR 123/20
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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