In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 18. Januar 2024 (5 StR 590/23) ging es um die Frage der erheblichen Minderung der Schuldfähigkeit bei einem Drogensüchtigen. Der BGH hatte darüber zu befinden, ob das Landgericht die Schuldfähigkeit des Angeklagten korrekt bewertet hatte, insbesondere im Hinblick auf seine Drogenabhängigkeit und deren Einfluss auf die Steuerungsfähigkeit.
Sachverhalt
Der Angeklagte war langjährig polytoxikoman, d.h., er konsumierte verschiedene Suchtmittel. Er beging mehrere Straftaten, darunter Raub und Körperverletzung, um sich Geld für den Kauf von Drogen zu beschaffen. Dabei befand er sich teils im Zustand einer Mischintoxikation aus Alkohol und Heroin, teils litt er unter Entzugserscheinungen.
Rechtliche Analyse
Das Landgericht hatte festgestellt, dass der Angeklagte die Taten im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB begangen habe. Diese Annahme basierte auf der Beurteilung, dass seine Steuerungsfähigkeit aufgrund seiner Drogenabhängigkeit und der damit verbundenen Entzugserscheinungen erheblich beeinträchtigt war.
Der BGH widersprach dieser Einschätzung. Grundsätzlich kann eine erhebliche Minderung der Schuldfähigkeit bei Drogensüchtigen nur ausnahmsweise angenommen werden, etwa wenn der langjährige Drogenmissbrauch zu schwersten Persönlichkeitsänderungen geführt hat, der Täter unter starken Entzugserscheinungen leidet oder die Tat im Zustand eines akuten Rauschs begangen wurde:
Eine solche ist bei einem Rauschgiftsüchtigen nur ausnahmsweise gegeben, etwa wenn ein langjähriger Betäubungsmittelmissbrauch zu schwersten Persönlichkeitsänderungen geführt hat, der Täter unter starken Entzugserscheinungen leidet und durch sie dazu getrieben wird, sich mittels einer Straftat Drogen zu verschaffen, oder unter Umständen, wenn er die Tat im Zustand eines akuten Rauschs verübt. Auch die Angst vor unmittelbar bevorstehenden Entzugserscheinungen, die der Täter schon einmal als äußerst unangenehm erlitten hat, kann zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit führen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2020 – 2 StR 362/20, NStZ-RR 2021, 77, 78 mwN).
In diesem Fall stellte der BGH fest, dass die Urteilsgründe keine ausreichenden Hinweise auf solche extremen Umstände enthielten. Es fehlte an detaillierten Ausführungen zu Umfang und Dauer des Alkoholkonsums sowie zu Art und Intensität der Entzugserscheinungen, die der Angeklagte angeblich erlitt. Die bloße Angst vor bevorstehenden Entzugserscheinungen reichte demnach nicht aus, um eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit anzunehmen.
Fazit und Auswirkungen
Der BGH hob die Entscheidung des Landgerichts hinsichtlich der Strafzumessung auf und verwies den Fall zur erneuten Prüfung zurück. Diese Entscheidung unterstreicht die hohen Anforderungen, die an die Annahme einer erheblichen Minderung der Schuldfähigkeit bei Drogensüchtigen gestellt werden. Es bedarf konkreter und detaillierter Feststellungen, um eine solche Minderung zu begründen. Für die Praxis bedeutet dies, dass Gerichte bei der Bewertung der Schuldfähigkeit von Drogensüchtigen besonders sorgfältig und differenziert vorgehen müssen, um den rechtlichen Vorgaben zu genügen.
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