Ob die Voraussetzungen des §21 StGB vorliegen ist bei Drogenabhängigen stets zu prüfen – selbst dann, wenn keine Anhaltspunkte für eine Tatbegehung unter akuter Betäubungsmittelbeeinflussung bestehen.
Diese klaren Worte hat das OLG Köln (lll-1 RVs 58/21) gefunden, nachdem ich eine Sprungrevision gegen eine amtsgerichtliche Entscheidung eingelegt hatte, in der ein BTM-Abhängiger wegen des Diebstahls einer Handvoll Steaks aus einem Discounter zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde.
Die Entscheidung ist eine klare Ansage in Richtung kurzer Freiheitsstrafen (dazu siehe hier) und Segelanweisung für einen sachgerechten Umgang mit BTM-Konsumenten, die teilweise für kleinste Delikte bereits Freiheitsstrafen erhalten, wenn man sich nicht wehrt:
Auch wenn eine langjährige Drogenabhängigkeit für sich genommen die Annahme einer eingeschränkten Schuldunfähigkeit nicht ohne weiteres begründet, kann doch im Einzelfall aufgrund einer auf die Verwendung harter Drogen zurückzuführenden schweren Persönlichkeitsveränderung oder einer Beeinträchtigung zur Tatzeit infolge eines akuten Rausches, starker Entzugserscheinungen oder der Angst vor solchen, die der Täter bereits als äußerst unangenehm („grausamst“) erlebt hat und die er als nahe bevorstehend einschätzt, die Einschränkung der Schuldfähigkeit in Betracht kommen (…)
Dies kann insbesondere bei Heroinkonsum die Voraussetzungen des §21 StGB begründen (…). Das Vorliegen der Voraussetzungen des §21 StGB ist daher bei Drogenabhängigen stets zu prüfen, selbst wenn keine Anhaltspunkte für eine Tatbegehung unter akuter Betäubungsmittelbeeinflussung bestehen (…).
OLG Köln, lll-1 RVs 58/21
Es zeigt sich – dies ist nicht meine erste und auch nicht meine letzte Sprungrevision dieser Art – dass gerade im Strafzumessungsrecht viel zu erreichen ist, wenn man weiss , was man tut. Ärgerlich ist, dass man sich als Verteidiger gerade beim Anwendungsbereich des §21 StGB mitunter den Mund fusselig reden kann, die Amtsgerichte aber gleichwohl gerne (entgegen der klaren OLG- und BGH-Rechtsprechung) es besser wissen wollen. Verteidiger müssen hier aber gerade bei BTM-Konsumenten den Finger in die Wunde legen, denn: Nur allzu gerne ist das wahre Problem, dass wieder einmal ein Sachverständiger für die vermeintliche Bagatelle zu aufwändig erscheint und insbesondere Monate vergehen, bis dieser Zeit hat.
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