In zwei richtungsweisenden Entscheidungen des Landgerichts (LG) Nürnberg-Fürth (Az. 12 Qs 1/24 und Az. 12 Qs 2/24) wurden wesentliche Fragen des Strafprozessrechts im Zusammenhang mit der Zeugnisverweigerung von Berufsgeheimnisträgern und den Voraussetzungen eines Durchsuchungsbeschlusses geklärt. Diese Beschlüsse beleuchten die komplexen rechtlichen Rahmenbedingungen und bieten wertvolle Einblicke in die Handhabung von Durchsuchungen und Zeugenrechten im strafrechtlichen Kontext.
Entscheidung I: Az. 12 Qs 1/24
Sachverhalt
Im ersten Fall erließ das Amtsgericht Nürnberg einen Durchsuchungsbeschluss, nachdem der Angeklagte wegen versuchter Steuerhinterziehung vor Gericht stand und sein Steuerberater, Zeuge H, die Aussage verweigerte. Der Steuerberater berief sich auf § 55 StPO und argumentierte, seine Geschäftsführerin habe ihm die Aussage untersagt. Der Richter ordnete eine Durchsuchung der Räumlichkeiten der Steuerberater- und Rechtsanwalts-GmbH an, bei der der Zeuge H angestellt war, und verbot ihm, das Gerichtsgebäude zu verlassen oder zu telefonieren.
Rechtliche Analyse
Die richterliche Anordnung, das Gerichtsgebäude nicht zu verlassen, wurde als unzulässig erklärt, da sie lediglich die sich aus § 248 Satz 1 StPO ergebende Zeugenpflicht umsetzte. Die Anweisung war notwendig, um die Vernehmung des Zeugen zu sichern und die Durchsuchung zu unterstützen. Die Untersagung des Telefonierens wurde als notwendig erachtet, um die Durchsuchung nicht zu gefährden. Diese Maßnahmen waren verhältnismäßig und angemessen, um den Fortgang des Verfahrens zu gewährleisten und mögliche Verdunkelungsmaßnahmen zu verhindern.
Entscheidung II: Az. 12 Qs 2/24
Sachverhalt
Im zweiten Fall legte die Steuerberater- und Rechtsanwalts-GmbH gegen die Durchsuchung Beschwerde ein, da sie die Durchsuchung als rechtswidrig ansah. Die GmbH argumentierte, dass die Durchsuchung auf das Auffinden beschlagnahmefreier Gegenstände gerichtet gewesen sei und der Mandant nur den angestellten Steuerberater, nicht aber die gesamte GmbH von der Schweigepflicht entbunden habe. Das Gericht verwarf die Beschwerde als unbegründet.
Rechtliche Analyse
Das Gericht stellte fest, dass die Voraussetzungen für eine Durchsuchung nach § 103 StPO vorlagen, da relevante Unterlagen in den Räumen der GmbH vermutet wurden. Die Entbindung des Steuerberaters von der Schweigepflicht erstreckte sich auch auf die GmbH, da die Entbindung eines Berufsgeheimnisträgers unteilbar ist und sich auch auf mitwirkende Personen erstreckt. Die Beschlagnahmefreiheit war daher nicht gegeben, da die Unterlagen nicht beschlagnahmefrei waren. Die Maßnahmen waren verhältnismäßig und notwendig, um den Sachverhalt aufzuklären und mögliche Verdunkelungsmaßnahmen zu verhindern.
Fazit
Die Entscheidungen des LG Nürnberg-Fürth verdeutlichen die strengen Anforderungen und umfangreichen rechtlichen Überlegungen, die bei der Durchsetzung von Durchsuchungsbeschlüssen und der Zeugnisverweigerung von Berufsgeheimnisträgern berücksichtigt werden müssen.
Die Gerichte betonten die Unteilbarkeit der Schweigepflichtentbindung und die Notwendigkeit verhältnismäßiger Maßnahmen zur Sicherstellung der Verfahrensziele. Diese Urteile sind bedeutend für die Praxis, da sie klare Richtlinien für den Umgang mit Durchsuchungen und Zeugenrechten im strafrechtlichen Verfahren liefern.
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