Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hat sich in einem aktuellen Beschluss (Az. 6 W 84/22) mit der Frage der Kerngleichheit von Verstößen im Wettbewerbsrecht befasst. Diese Entscheidung bietet wertvolle Einblicke in die rechtlichen Kriterien und die Auslegung des Begriffs der Kerngleichheit im Kontext von wettbewerbsrechtlichen Verstößen.
Sachverhalt
Der Streitfall betraf die Werbung für Matratzen auf der Plattform Amazon.de. Die Antragsgegnerin hatte für ihre Matratzen mit Bestnoten der Stiftung Warentest geworben, obwohl es besser getestete Matratzen gab und neuere Tests vorlagen, in denen ihre Matratzen schlechter abschnitten. Das Landgericht Frankfurt hatte der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, auf „Amazon.de“ für ihre Matratzen mit veralteten Testergebnissen der Stiftung Warentest zu werben.
Entscheidung des Landgerichts
Nach Erlass und Zustellung der einstweiligen Verfügung beseitigte die Antragsgegnerin die beanstandeten Angaben auf den deutschsprachigen Angebotsseiten. Auf fremdsprachigen Übersetzungen der Angebotsseiten blieben diese Angaben jedoch erhalten, was zu einem Ordnungsgeld von 10.000 € führte, das das Landgericht verhängte.
Entscheidung des OLG Frankfurt
Das OLG Frankfurt hob diese Entscheidung auf und stellte fest, dass es sich bei den fremdsprachigen Angebotsseiten nicht um kerngleiche Verstöße handelte. Der Begriff der Kerngleichheit wurde dabei in zweierlei Hinsicht erörtert:
- Prüfung der Voraussetzungen: Die Zuordnung von neuerlichen Handlungen als kerngleich scheidet aus, wenn die Voraussetzungen, unter denen diese Handlungen zu verbieten wären, nicht Gegenstand der gerichtlichen Prüfung bei Erlass des Verbots gewesen sind oder nicht sein konnten.
- Verständnis der Verkehrskreise: Bei der Beurteilung der Irreführung ist das Verständnis der allgemeinen Verkehrskreise maßgeblich. Wenn die beanstandeten Handlungen ausschließlich fremdsprachige Verkehrskreise ansprechen, bei denen die Relevanz der irreführenden Angaben für die geschäftliche Entscheidung nicht ohne Weiteres unterstellt werden kann, liegt kein kerngleicher Verstoß vor.
Analyse und rechtliche Würdigung
Die Entscheidung des OLG Frankfurt verdeutlicht, dass die Kerngleichheit nicht allein auf formale Aspekte reduziert werden kann. Vielmehr ist eine differenzierte Betrachtung erforderlich, die sowohl die inhaltlichen Unterschiede als auch die Zielgruppen der beanstandeten Werbung berücksichtigt. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), wonach die Umstände des Einzelfalls entscheidend sind.
Fazit
Die Entscheidung des OLG Frankfurt (Az. 6 W 84/22) bietet eine wichtige Klarstellung zur Anwendung des Begriffs der Kerngleichheit im Wettbewerbsrecht. Sie zeigt, dass eine differenzierte und kontextspezifische Betrachtung notwendig ist, um zu bestimmen, ob ein Verstoß als kerngleich anzusehen ist.
Unternehmen sollten daher bei der Umsetzung gerichtlicher Verbote nicht nur die unmittelbaren Anforderungen beachten, sondern auch sicherstellen, dass alle relevanten Zielgruppen und Sprachversionen der Werbung entsprechend angepasst werden, um Ordnungsmittel zu vermeiden.
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