Arbeitszeiterfassung: Bekanntlich hat der EUGH entschieden, dass Arbeitgeber ein System zur Arbeitszeiterfassung vorhalten müssen: Doch wie muss dies ausgestaltet sein? Erste Rechtsprechung zeigt, dass die Anforderungen einerseits nicht allzu hoch sind, andererseits aber Ernst genommen werden müssen.
Dazu auch: Biometrische Arbeitszeiterfassung datenschutzrechtlich zulässig?
Was muss ein System zur Arbeitszeiterfassung bieten
Mit den Worten des EUGH (C-55/18) ist ein System zur Arbeitszeiterfassung zu folgendem in der Lage – womit zugleich klargestellt ist, dass ein solches System
den Arbeitnehmern ein besonders wirksames Mittel [bietet], einfach zu objektiven und verlässlichen Daten über die tatsächlich geleistete Arbeitszeit zu gelangen (…)
EUGH, C-55/18
Man kann hieraus also schliessen, dass ein Arbeitszeiterfassungssystem nach der nunmehr vorliegenden Rechtsprechung des EuGHs folgende Kriterien bieten muss
- „objektiv“
- „verlässlich“
- „zugänglich“
Rechtsprechung zur Auslegung
Zumindest liegt nun erste Rechtsprechungen Form einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Emden (2 Ca 94/19) vor. Dabei stellt das Arbeitsgericht klar:
Das Attribut „objektiv“ dürfte dahingehend zu verstehen sein, dass die Erfassung und Aufzeichnung in einer Art und Weise erfolgen muss, die es dem Arbeitnehmer möglich macht, die geleistete Arbeitszeit mithilfe der Aufzeichnungen objektiv nachzuweisen (…).
Das Merkmal „verlässlich“ ist wohl dahingehend zu verstehen, dass die Dokumentation der Arbeitszeit zuverlässig geschieht und etwaige Manipulationen ausgeschlossen sind (…).
Schließlich müssten die Aufzeichnungen dem Arbeitnehmer auch „zugänglich“ sein; er muss die Möglichkeit haben, die Dokumente einzusehen und im Bedarfsfalle im Prozess als Beweismittel nutzen können (…).
Dies sind erste Anhaltspunkte, wobei vor allem die Objektivität ein schwierigeres Kriterium ist also zuerst zu Erwarten sein könnte: Es geht um das Problem, dass restlos die gesamte Arbeitszeit erfasst werden muss, was durchaus auf der Hand liegt. Das bedeutet, auch der eigentlichen Tätigkeit vorgelagerte Arbeitszeiten, wie etwa notwendige Anfahrts- und Rüstzeiten, müssen erfasst werden.
Der hier betroffene Arbeitgeber versuchte etwa, Arbeitszeiten mit einem Bautagebuch nachzuweisen – das aber reicht nicht, da hier gerade diese vorgelagerten Tätigkeiten nicht erfasst werden:
Soweit der Kläger beispielsweise als Beifahrer mit zur Baustelle gefahren ist, handelte es sich allerdings um Arbeitszeit. „Arbeit“ im vergütungsrechtlichen Sinne ist auch die vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann, er also weder eine Pause im Sinne des Arbeitszeitgesetzes noch Freizeit hat
Man merkt also, dass in der Tat besser ein eigenständiges und dann vollständiges System vorgehalten wird, mit dem sichergestellt ist, dass tatsächlich jeder noch so geringe Zeitaufwand des Arbeitnehmers, der als Arbeitszeit zu qualifizieren ist, dokumentiert wird.
- Captagon im deutschen Strafrecht: Ein Überblick - 8. Oktober 2024
- Perfctl: Neue, heimtückische Malware, die Millionen von Linux-Servern bedroht - 7. Oktober 2024
- Datenschutzverstöße durch E-Mail-Weiterleitung: Haftungsrisiken für Geschäftsführer - 6. Oktober 2024