Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 18. September 2024 im Beschluss 3 StR 250/24 die Zulässigkeit und Verhältnismäßigkeit von Abstinenzweisen für alkoholabhängige Straftäter untersucht. Diese Entscheidung ist bedeutsam, da sie grundsätzliche Anforderungen an die Weisung zur Abstinenz im Rahmen der Führungsaufsicht und deren Vereinbarkeit mit der Suchtproblematik der Betroffenen präzisiert.
Sachverhalt
Im zugrunde liegenden Fall wurde ein Angeklagter, der seit seiner Jugend alkoholabhängig ist, unter anderem wegen räuberischen Diebstahls und anderer Delikte verurteilt. Er stand unter Führungsaufsicht und war weisungsgebunden, während dieser Zeit keinen Alkohol zu konsumieren. Der Verstoß gegen diese Weisung führte zur Verurteilung wegen Weisungsverstoßes, nachdem er an zwei Tagen Alkohol getrunken hatte. Der Angeklagte legte Revision ein, die teilweise Erfolg hatte.
Rechtliche Analyse
1. Anforderungen an die Abstinenzweisung und Hinweis auf Strafbarkeit
Der BGH betonte, dass eine Abstinenzweisung nur dann strafrechtliche Konsequenzen haben kann, wenn der Betroffene unmissverständlich darüber informiert wird, dass ein Verstoß strafbewehrt ist. Hierfür ist ein ausdrücklicher schriftlicher Hinweis im Führungsaufsichtsbeschluss notwendig, mündliche Hinweise genügen nicht. Das Fehlen einer solchen schriftlichen Information machte die Verurteilung in diesem Punkt problematisch.
2. Verhältnismäßigkeit der Abstinenzweisung bei Alkoholabhängigkeit
Der BGH äußerte erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Abstinenzweisung angesichts der Alkoholkrankheit des Angeklagten. Es wird ausgeführt, dass Abstinenzweisungen für alkoholabhängige Personen zwar nicht grundsätzlich unzulässig sind, aber oft eine unverhältnismäßige Belastung darstellen können. Einem schwer Abhängigen ist es häufig nicht zumutbar, das Konsumverlangen zu unterdrücken. Die Verhältnismäßigkeit der Abstinenzweisung ist daher sorgfältig abzuwägen, was das Landgericht versäumt hatte.
Beschluss des BGH
Aufgrund dieser Erwägungen hob der BGH die Verurteilung in Bezug auf die Verstöße gegen die Abstinenzweisung auf. Das Verfahren wurde in diesen Punkten eingestellt. Die Entscheidung verdeutlicht, dass Abstinenzweisungen im Rahmen der Führungsaufsicht nur dann zulässig sind, wenn sie für die Betroffenen verhältnismäßig und klar verständlich sind.
Fazit
Der Beschluss des BGH setzt klare Maßstäbe für den Umgang mit Abstinenzweisungen bei alkoholabhängigen Straftätern. Eine solche Weisung darf nicht pauschal erteilt werden, sondern muss unter Berücksichtigung der individuellen Suchtproblematik und der Fähigkeit des Betroffenen zur Einhaltung der Abstinenz erfolgen. Diese Entscheidung stärkt den Schutz von abhängigkeitskranken Straftätern und verpflichtet Gerichte, Weisungen zur Abstinenz kritisch und differenziert zu prüfen.
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