Der 3D-Druck gilt als Hoffnungstechnologie moderner Militärlogistik. Ersatzteile on demand, direkt im Feld gefertigt – was wie Science-Fiction klingt, hat längst Einzug in internationale Streitkräfte gehalten. Auch die Bundeswehr will hier nicht zurückstehen. Doch der Weg zum digitalen Ersatzteildrucker auf dem Gefechtsfeld verläuft holpriger, als es die jüngste Berichterstattung vielleicht vermuten lässt.
Zwischen strategischer Vision und planerischer Realität
Die Idee hinter dem 3D-Druck im militärischen Bereich ist bestechend einfach: Statt auf langwierige Lieferketten zu setzen, soll defektes Gerät direkt vor Ort repariert werden können – durch additive Fertigung der benötigten Komponenten. Besonders bei veralteten Systemen, deren Ersatzteile nicht mehr verfügbar sind, eröffnen sich so neue Versorgungsoptionen. Die Bundeswehr hat das Potenzial erkannt und investiert seit einigen Jahren in entsprechende Technologie.
Allerdings ist der 3D-Druck keine Plug-and-Play-Lösung. Ohne Konstruktionsdaten und Fertigungsrechte nützen selbst die besten Drucker wenig. Genau hier liegt laut Bundesrechnungshof das Problem: In einem Bericht vom Mai 2025 wird der Bundeswehr eine erstaunlich planlose Vorgehensweise attestiert.
Kritik des Bundesrechnungshofs: Millionen ohne Wirkung
Die Vorwürfe sind gravierend: Die Bundeswehr habe 3D-Drucker im Wert von über 3 Millionen Euro beschafft, ohne über die nötigen Konstruktionsdaten oder Fertigungsrechte für Ersatzteile zu verfügen. In zentralen Datenbanken seien lediglich zehn relevante Datensätze hinterlegt. Ein systematischer Plan zur Integration des 3D-Drucks in bestehende Beschaffungsverfahren sei nicht erkennbar.
Auch die ministeriellen Vorgaben seien unklar geblieben: Statt klare Ziele und Verantwortlichkeiten zu definieren, bleibe das Projekt vage und unverbindlich. Der Bundesrechnungshof kommt zu dem Schluss: Das Potenzial des 3D-Drucks werde verspielt, weil grundlegende Voraussetzungen nicht geschaffen wurden. Die Technik sei bislang „weitgehend wirkungslos“ – das Fazit: teuer, ineffizient, konzeptlos:
Ihre Waffensysteme und Geräte nutzt die Bundeswehr oft über Jahrzehnte. Deshalb muss sie ihre Versorgung mit Ersatzteilen schon beim Kauf berücksichtigen. In ihren Beschaffungsverträgen spielt der 3D-Druck bislang keine Rolle. Unabhängig davon, ob die Bundeswehr selbst druckt oder die Industrie damit beauftragt, benötigt sie Konstruktionsdaten und Fertigungsrechte. Die Bundeswehr hält nur für zehn Ersatzteile die 3D-Druck-Konstruktionsdaten in einer zentralen Datenbank bereit. Sie beschaffte dennoch für 3,4 Mio. Euro 3D-Drucker, die sie nun kaum nutzen kann. Die Investition ist daher – abgesehen von Einzelfällen z. B. auf Schiffen – bisher weitgehend wirkungslos. Dennoch plant die Bundeswehr, weitere 3D-Drucker für 15 Mio. Euro zu kaufen (…)
Das Ziel, den 3D-Druck bis zum Jahr 2030 vollumfänglich zu nutzen und die eigene Logistik zu verbessern, kann das BMVg so nicht erreichen. Es lässt das Potenzial des 3DDrucks ungenutzt und handelt unwirtschaftlich. Das BMVg sollte unverzüglich darauf hinwirken, dass die Bundeswehr Forderungen zum 3D-Druck in ihre Beschaffungsverträge aufnimmt. Dazu muss es Vorgaben machen und dafür sorgen, dass die Bundeswehr diese umsetzt.
Aus Zusammenfassung und Fazit des Berichts des Bundesrechnungshofs (Kapitel 1405 Titel 554 10)
Einen Monat später: Jubelmeldung im Handelsblatt
Umso bemerkenswerter wirkt der Ton im Handelsblatt-Artikel vom Juni 2025: Dort ist vom 3D-Druck als „strategischer Antwort“ auf fragile Lieferketten die Rede. Vom erfolgreichen Test auf Fregatten, der Herstellung von Halterungen auf hoher See und der robusten Verwendbarkeit im afghanischen Wüstensand. 3D-Drucker, die per Fallschirm im Einsatzland landen – ein modernes Heldennarrativ der Wehrtechnik.

Das alles mag auch stimmen und auf keinen Fall will ich hier kritisch in Richtung von Bundeswehr und 3D-Technik allgemein verstanden werden – doch was auffällt, ist das vollständige Fehlen jeglicher Auseinandersetzung mit dem Bundesrechnungshofbericht. Keine Erwähnung der massiven Kritik, keine Relativierung der strategischen oder haushalterischen Schwächen. Stattdessen ein glänzendes Technikporträt mit Industriebezug, das so wirkt, als sei der 3D-Druck bei der Bundeswehr schon längst gelebte Praxis. Die Wahrheit ist komplexer.
Zwischen PR und Realität: Eine Frage der Einordnung
Sicher: Die additive Fertigung hat Potenzial, keine Frage. Auch ist nachvollziehbar, dass sich in einem Pilotprojekt nicht alle Versprechen sofort einlösen lassen. Doch der Widerspruch zwischen nüchternem Berichtswesen und euphorischer Presseerzählung wirft Fragen auf: Warum erscheint ein PR-Artikel derart kurz nach einer solch deutlichen Rüge? Warum fehlen jegliche Bezüge zur Kritik? Warum dominiert die Darstellung des technisch Machbaren über die Reflexion der institutionellen Mängel?
All das muss nicht notwendigerweise skandalös sein – aber es hinterlässt einen Beigeschmack. Es zeigt: Zwischen politischer Ambition, militärischer Realität und öffentlicher Kommunikation klaffen mitunter Welten. Wer sich ein realistisches Bild machen will, kommt nicht umhin, beide Seiten zu lesen – und kritisch einzuordnen.
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