Vor dem Bundesgerichtshof (AK 52/21) ging es um den Verkauf eines Wärmetauschers. Dieser Verkauf stellt sich aus Sicht des Bundesgerichtshofs als Verstoß gegen ein Verkaufsverbot eines im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten unmittelbar anwendbaren Rechtsakts der Europäischen Union dar, der der Umsetzung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Variante 5, Abs. 7 Nr. 1 und Nr. 2 Alternative 1 AWG i.V.m. Art. 1 Buchst. a, Art. 2 Abs. 1 der Russland-Embargo-Verordnung (EU) Nr. 833/2014). Bereits die Einleitung macht deutlich, wie komplex allein die rechtlichen Vorgänge in diesem Bereich sind.
Aus Sicht des BGH liegt ein Verstoß gegen das Verkaufsverbot des Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (Russlandembargo-Verordnung; veröffentlicht im ABl. L 229 vom 31. Juli 2014), vor. Diese dient der Umsetzung des Sanktionsbeschlusses 2014/512/GASP des Europäischen Rates vom 31. Juli 2014 (ABl. L 229/13).
Russland-Embargo-Verordnung und Dual-Use-Verordnung
Nach Art. 2 Abs. 1 der Russland-Embargo-Verordnung ist es verboten, Güter und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck an natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Russland oder zur Verwendung in Russland zu verkaufen, zu liefern, zu verbringen oder auszuführen, wenn diese Güter ganz oder teilweise für militärische Zwecke oder an einen militärischen Endnutzer bestimmt sind oder bestimmt sein können.
Güter mit doppeltem Verwendungszweck im Sinne des Art. 2 Abs. 1 der Russland-Embargo-Verordnung sind gemäß Art. 1 lit. a) der Russland-Embargo-Verordnung (ausschließlich) die in Anhang I der Dual-Use-Verordnung aufgeführten Güter und Technologien. Die Russland-Embargo-Verordnung verbietet damit den – ansonsten nach der Dual-Use-Verordnung genehmigungspflichtigen – Verkauf von Gütern, die in der Dual-Use-Verordnung gelistet sind.
Dies gilt allerdings nur, soweit der gelistete Gegenstand im konkreten Fall ganz oder teilweise für militärische Zwecke oder für einen militärischen Endverwender bestimmt ist oder bestimmt sein kann. Voraussetzung der Strafbarkeit ist daher, dass in objektiver Hinsicht zumindest tatsächliche Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Verwendung zu militärischen Zwecken oder durch einen militärischen Endnutzer vorliegen und der Täter bei der Tatbegehung subjektiv eine solche Verwendung zumindest für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, also mit bedingtem Vorsatz handelt.
Das Tatbestandsmerkmal des Verkaufs ist mit dem Abschluss eines schuldrechtlichen Kaufvertrages über einen gelisteten Gegenstand erfüllt. Rechtlich unerheblich ist insoweit, ob es zur Erfüllung des Kaufvertrages, insbesondere zur Ausfuhr des betreffenden Gutes nach Russland, kommt! Denn: Straftatbestand (§ 18 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AWG) ist die Ausfuhr ohne Genehmigung (BGH, 3 StR 347/15). Dabei ist, da die Genehmigungspflicht auf Art. 3 Abs. 1 bzw. Art. 4 Abs. 1 Dual-Use-VO gestützt wird, auch der in dieser Verordnung definierte Ausfuhrbegriff (Art. 2 lit. b) VO (EG) 1334/2000, Art. 2 Nr. 2 VO (EG) 428/2009) maßgeblich.
Feststellungen des Gerichts
Das Gericht hat festzustellen, ob das Gerät nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme den technischen Merkmalen der entsprechenden Listenposition des jeweiligen Anhangs der Dual-Use-Verordnung entspricht. Im Hinblick auf die für eine Genehmigungspflicht nach Art. 3 Abs. 1 Dual-Use-VO erforderliche Listung des auszuführenden Gutes in Anhang I der Verordnung darf das Gericht allerdings nicht allein unter Bezugnahme auf einen Bescheid des BAFA feststellen, dass das Gut unter eine konkrete Position des Anhangs I der Dual-Use-VO fällt.
Vielmehr muss der Angeklagte es zumindest für möglich halten und billigend in Kauf nehmen, dass das Gerät Eigenschaften aufweist, die seine Listung rechtfertigen (BGH, 3 StR 347/15); die Kenntnis der Listung als solcher ist nicht zu verlangen.
Stornierte Bestellung
Storniert der Beschuldigte die Bestellung beim Hersteller und kommt es deshalb nicht zu Exportbemühungen, entfällt ungeachtet des Umstandes, dass § 18 Abs. 6 AWG die versuchte Tatbegehung unter Strafe stellt, eine Strafbarkeit des Beschuldigten im Fall 2 nach § 18 Abs. 5 Nr. 2, Abs. 6 AWG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 Halbsatz 2 der Dual-Use-Verordnung (EG) Nr. 428/2009, §§ 22, 23 StGB in Betracht (BGH, AK 52/21).
- Cybercrime in Asien - 11. September 2024
- Russische Militärische Cyber-Akteure nehmen US- und globale kritische Infrastrukturen ins Visier - 11. September 2024
- Ransomware Risk Report 2024 von Semperis - 11. September 2024