Werktitel und Verwechslungsgefahr: BGH schärft die Abgrenzung

Eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt hatte bereits 2009 den Titel „Nie wieder keine Ahnung“ für eine mehrteilige Wissenssendung schützen lassen und dazu eine Titelschutzanzeige im „Titelschutzanzeiger“ veröffentlicht. Später wurde der Titel für mehrere Staffeln im linearen Fernsehen genutzt, begleitet von Webinhalten und einem begleitenden Buch. Jahre später erschien bei einem Buchverlag ein Sachbuch gleichen Namens, das Grundwissen zu Politik, Wirtschaft und Kultur vermittelt. Die Rundfunkanstalt sah darin eine unzulässige Übernahme ihres Titels und machte Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend.

Kernaussagen des BGH

1. Systematik des Werktitelschutzes: Nach § 5 Abs. 1 MarkenG sind Werktitel geschäftliche Bezeichnungen. Sie schützen nach § 15 Abs. 2 MarkenG gegen eine Nutzung, die geeignet ist, eine Verwechslung mit dem geschützten Titel hervorzurufen. Grundsätzlich dienen Werktitel nur der Unterscheidung eines Werks von anderen, nicht aber der Herkunftskennzeichnung wie Marken oder Unternehmenskennzeichen. Deshalb gilt auch eine andere Prüfungslogik: Es geht nicht um eine bloße Zeichenähnlichkeit, sondern um die Frage, ob der Verkehr aufgrund der Titelverwendung die Werke selbst miteinander verwechselt.

2. Verwechslungsgefahr im engeren Sinn: Diese liegt nur vor, wenn der angesprochene Verkehr die Gefahr sieht, das eine Werk für das andere zu halten. Nach gefestigter Rechtsprechung scheidet eine solche Verwechslung regelmäßig aus, wenn sich die Werke inhaltlich oder kategorisch deutlich unterscheiden. Der BGH verweist auf die Linie, dass bei unterschiedlichen Werkkategorien (hier: Fernsehsendung vs. Sachbuch) typischerweise keine solche Verwechslung stattfindet. Nur wenn ein enger sachlicher Zusammenhang vorliegt, z. B. Buch als direkte Fortsetzung oder Adaption einer Serie, kann dies anders sein. Im Streitfall war ein solcher Zusammenhang aber nicht ersichtlich.

3. Erweiterter Schutz bei Herkunftsverwechslung: Ausnahmsweise kann ein Werktitel weitergehenden Schutz beanspruchen, wenn der Titel im Verkehr so bekannt ist, dass er als Hinweis auf eine bestimmte betriebliche Herkunft verstanden wird — etwa bei bekannten Zeitschriften oder langlebigen TV-Reihen. Der BGH betont jedoch, dass dies an strenge Anforderungen geknüpft ist: Es braucht eine hinreichende Bekanntheit und einen sachlichen Zusammenhang zwischen dem ursprünglichen Werk und dem Produkt, das den Titel übernimmt. Hier fehlte es laut BGH an beidem: Die Reichweite der Sendung und Abrufzahlen belegten keine überdurchschnittliche Bekanntheit im markenrechtlichen Sinne. Zudem handelte es sich um ein eigenständiges Sachbuch ohne institutionelle Anbindung an die Sendung.

4. Keine mittelbare Verwechslungsgefahr: Eine mittelbare Verwechslungsgefahr (z. B. durch Serienzeichen oder Familienmarke) scheidet aus, wenn der gemeinsame Titelbestandteil für sich genommen keine Serienfunktion erfüllt. Hier war „Nie wieder keine Ahnung“ kein Serienzeichen, sondern der vollständige Werktitel der Sendung. Das genügte nicht, um eine Serienzeichenwirkung zu begründen.

5. Kein Schutz nach § 15 Abs. 3 MarkenG: Auch ein Schutz wegen Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft oder Wertschätzung des Titels kommt nur bei nachgewiesener überdurchschnittlicher Bekanntheit in Betracht. Diese sah der BGH nicht als gegeben an, weshalb auch dieser Anspruch scheiterte.

Rechtsanwalt Jens Ferner, TOP-Strafverteidiger und IT-Rechts-Experte - Fachanwalt für Strafrecht und Fachanwalt für IT-Recht

Mit diesem Urteil bestätigt der BGH seine gefestigte Linie: Werktitel schützen primär das Werk, nicht den wirtschaftlichen Nimbus dahinter. Ohne tatsächliche Werknähe oder herausragende Bekanntheit bleibt der Schutzbereich eng.

Konsequenzen für die Praxis

Die Entscheidung betont die klare dogmatische Trennung zwischen Titelschutz und Markenschutz:

  • Wer lediglich den Titel eines Werks schützt, kann nur Verwechslung im engeren Werkbezug verhindern.
  • Ein umfassender wirtschaftlicher Schutz gegen Dritte erfordert die Eintragung als Marke.
  • Für Medienunternehmen heißt das: Titelschutzanzeigen sind sinnvoll, bieten aber keinen Herkunftsschutz. Bei wirtschaftlich bedeutsamen Titeln sollte zusätzlich eine Markenstrategie verfolgt werden.
Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist erfahrener Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht mit über einem Jahrzehnt Berufspraxis und widmet sich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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Rechtsanwalt Jens Ferner ist erfahrener Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht mit über einem Jahrzehnt Berufspraxis und widmet sich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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