Werbung im Dentalmarkt

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 30. August 2024 (6 U 10/23) beleuchtet die rechtlichen Anforderungen an Werbung für Medizinprodukte, insbesondere im Hinblick auf Aussagen zur Eignung und Konformität solcher Produkte. war die Werbung eines Prophylaxepulvers, das angeblich „für alle handelsüblichen Pulverstrahlgeräte geeignet“ sei. Die Klägerin, ein Mitbewerber, hielt diese Aussage für irreführend und rügte zudem vermeintliche Defizite im Konformitätsbewertungsverfahren des beworbenen Produkts.

Sachverhalt

Die Parteien, beide Wettbewerber im Dentalmarkt, bieten Prophylaxepulver und Pulverstrahlgeräte an. Die Beklagte bewarb ihr Pulver mit der Aussage, es sei „für alle handelsüblichen Pulverstrahlgeräte geeignet“. Die Klägerin beanstandete dies als irreführend, da das Pulver in Tests angeblich Funktionsprobleme zeigte, insbesondere bei Geräten der Klägerin. Zudem warf sie der Beklagten vor, dass das Konformitätsbewertungsverfahren des Produkts unzureichend durchgeführt worden sei. Die auf Unterlassung und Schadensersatz wurde in erster Instanz abgewiesen; die Berufung blieb erfolglos.

Rechtliche Analyse

1. Irreführung gemäß § 5 UWG

a) Tatsächliche Eignung des Produkts

Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin nicht ausreichend belegen konnte, dass das Pulver der Beklagten tatsächlich ungeeignet sei. Die Tests der Klägerin hatten lediglich bei einem ihrer „High-End“-Geräte Funktionsprobleme gezeigt, während andere handelsübliche Geräte einwandfrei funktionierten.
Das Gericht betonte, dass die Aussage „für alle handelsüblichen Geräte geeignet“ nicht als absolute „Qualitätsgarantie“ zu verstehen sei. Sie impliziere lediglich eine grundsätzliche Kombinierbarkeit, die durch die vorgelegten Beweise der Klägerin nicht widerlegt wurde.

b) Fachkreise als Zielgruppe

Die Werbung richtete sich ausschließlich an Fachkreise wie Zahnärzte, die mit den rechtlichen Anforderungen an Medizinprodukte vertraut sind. Fachkreise wissen, dass die Eignung eines Produkts stets individuell geprüft werden muss und dass keine allgemeine Garantie für perfekte Funktion in jedem Gerät besteht. Dadurch sei eine Irreführung ausgeschlossen.

2. Konformitätsbewertungsverfahren

Die Klägerin argumentierte, dass die Beklagte durch die Werbung mit der Eignung eine nicht ordnungsgemäß durchgeführte Konformitätsbewertung suggeriere. Das Gericht wies dies zurück:

  • Verantwortung des Herstellers: Nach der Medizinprodukteverordnung (MDR) liegt die Verantwortung für die Konformitätsbewertung primär beim Hersteller, nicht beim Händler.
  • Nachweise der Beklagten: Die Beklagte konnte belegen, dass das Produkt über eine CE-Kennzeichnung verfügte und die entsprechenden Anforderungen erfüllt wurden.

3. Keine Unlauterkeit nach § 3a UWG (Rechtsbruch)

Auch der Vorwurf eines Rechtsbruchs wurde zurückgewiesen. Zwar gelten die Anforderungen der MDR als Marktverhaltensregelung, doch konnte die Beklagte nachweisen, dass sie ihre Händlerpflichten erfüllt hatte. Eine inhaltliche Prüfung der Konformitätspflichten des Herstellers sei nicht Aufgabe des Händlers.


Fazit und Konsequenzen

Das Urteil verdeutlicht wesentliche Grundsätze für die Werbung von Medizinprodukten:

  1. Klare Zielgruppenansprache: Fachkreise als Zielgruppe setzen ein höheres Maß an Wissen und Eigenverantwortung voraus, wodurch strengere Maßstäbe an Irreführung nicht greifen.
  2. Belegpflicht bei Irreführungsvorwürfen: Kläger müssen fundierte und belastbare Beweise vorlegen, um Aussagen wie „geeignet für alle handelsüblichen Geräte“ zu widerlegen.
  3. Einhaltung von Händlerpflichten: Händler müssen CE-Kennzeichnungen und Konformitätserklärungen überprüfen, aber keine inhaltliche Prüfung der Herstellervorgaben vornehmen.

Für Unternehmen zeigt das Urteil die Bedeutung von Transparenz und Nachweisführung in der Werbung. Es schützt Händler vor überzogenen Prüfpflichten und betont die Eigenverantwortung der Zielgruppe.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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