Verwertung von Luftbildaufnahmen – Datenschutz versus Gemeinwohlinteressen

Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf hat mit Beschluss vom 17. Februar 2025 (Az. 29 L 3128/24) eine Entscheidung getroffen, die grundsätzliche Fragen des Datenschutzrechts und der staatlichen Datenerhebung aufwirft. Im Zentrum des Verfahrens stand die Frage, ob eine Gemeinde im Rahmen ihrer Abwasserbeseitigungspflicht Luftbildaufnahmen von Privatgrundstücken anfertigen und auswerten darf, ohne dass die betroffenen Eigentümer dem zugestimmt haben.

Während die Antragstellerin in der Erhebung und Verarbeitung dieser Daten einen unzulässigen Eingriff in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung sah, bejahte das Gericht die Rechtmäßigkeit der behördlichen Maßnahme und wies den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ab. Die Entscheidung ist ein weiterer Beitrag zur fortschreitenden Klärung der Frage, inwieweit behördliche Befliegungen zur Verwaltungspraxis gehören dürfen und welche datenschutzrechtlichen Grenzen dabei zu beachten sind.

Sachverhalt

Die Antragstellerin, eine Grundstückseigentümerin in Nordrhein-Westfalen, wandte sich gegen die Verwendung von Luftbildaufnahmen, die im Rahmen einer gemeindlichen Befliegung zur Ermittlung der bebauten und befestigten Flächen ihres Grundstücks angefertigt worden waren.

Die Stadt hatte im März 2022 das gesamte Gemeindegebiet mit einer stereophotogrammetrischen Kamera aus der Luft vermessen lassen. Die dabei gewonnenen digitalen Orthofotos dienten der Aktualisierung der Flächenangaben zur Erhebung von Niederschlagswassergebühren. Grundlage der Berechnung ist die versiegelte Fläche eines Grundstücks, da von dieser aus Regenwasser in das öffentliche Abwassersystem geleitet wird.

Die Antragstellerin argumentierte, dass eine derartige Erhebung und Verarbeitung von Daten ohne ihre Zustimmung unzulässig sei. Sie machte insbesondere geltend, dass es an einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage für die Maßnahme fehle. Zudem berief sie sich auf ihr Recht auf Löschung der Daten nach Art. 17 .

Rechtliche Bewertung

1. Verarbeitung personenbezogener Daten – Anwendbarkeit der DSGVO

Das VG Düsseldorf stellte zunächst klar, dass es sich bei den angefertigten Luftbildern um im Sinne der -Grundverordnung (DSGVO) handelt. Zwar zeigten die Orthofotos primär sachbezogene Informationen wie Gebäudeumrisse und befestigte Flächen. Allerdings ergab sich der Personenbezug aus der Georeferenzierung der Daten, die eine eindeutige Zuordnung zum jeweiligen Grundstückseigentümer ermöglichten.

Damit unterfällt die Datenerhebung und -verarbeitung grundsätzlich den Regelungen der DSGVO, insbesondere dem allgemeinen Verbot der Verarbeitung personenbezogener Daten ohne Rechtsgrundlage oder Einwilligung des Betroffenen gemäß Art. 6 Abs. 1 DSGVO.

2. Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. e DSGVO

Das Gericht prüfte sodann, ob die Verarbeitung der Daten auf eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage gestützt werden konnte. Die Stadt berief sich dabei auf Art. 6 Abs. 1 Buchst. e DSGVO, wonach eine Datenverarbeitung rechtmäßig ist, wenn sie „zur Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt“.

Das VG Düsseldorf bejahte dies mit Verweis auf die gemeindliche Abwasserbeseitigungspflicht gemäß § 46 Landeswassergesetz NRW (LWG NRW). Nach dieser Vorschrift sind die Gemeinden verpflichtet, das auf ihrem Gebiet anfallende Abwasser zu beseitigen, was auch die Erhebung von Gebühren zur Finanzierung der Infrastruktur umfasst.

Da die Höhe der Niederschlagswassergebühren von der Größe der versiegelten Flächen auf privaten Grundstücken abhängt, sei es notwendig, aktuelle und verlässliche Daten über die Beschaffenheit der Grundstücke zu erheben. Die Luftbildaufnahmen dienten somit einem legitimen öffentlichen Zweck.

3. Verhältnismäßigkeit und Datenschutzrechtliche Abwägung

Ein zentraler Streitpunkt war die Frage, ob die Maßnahme verhältnismäßig war, insbesondere ob mildere Mittel zur Verfügung gestanden hätten, um die notwendigen Informationen zu gewinnen.

Das Gericht stellte fest, dass eine direkte Begehung der Grundstücke durch Behördenmitarbeiter einen stärkeren Eingriff in die Grundrechte der Antragstellerin dargestellt hätte, da dadurch auch sensible Einblicke in nicht öffentlich einsehbare Bereiche möglich gewesen wären. Die Befliegung sei demgegenüber die weniger intrusive Maßnahme.

Zudem wies das Gericht darauf hin, dass die verwendete Auflösung der Luftbilder (sieben mal sieben Zentimeter pro Pixel) keine detaillierte Wiedergabe von Gegenständen oder Personen ermögliche. Auch eine Identifikation von Bewohnern sei nicht möglich.

Damit verneinte das VG einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Antragstellerin und sah den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als gewahrt an.

4. Kein Anspruch auf Löschung der Daten nach Art. 17 DSGVO

Die Antragstellerin machte geltend, dass sie ein Recht auf Löschung der gesammelten Daten habe, da deren Verarbeitung unrechtmäßig erfolgt sei.

Das Gericht widersprach diesem Antrag und stellte fest, dass eine unrechtmäßige Verarbeitung nicht vorliege, da die Stadt auf eine taugliche gesetzliche Grundlage zurückgreifen konnte. Art. 17 Abs. 1 Buchst. d DSGVO setzt aber voraus, dass eine Löschung nur dann verlangt werden kann, wenn die Verarbeitung „unrechtmäßig“ war.

Da das Gericht die Verarbeitung für rechtmäßig hielt, fehlte es an der zentralen Voraussetzung für einen Löschungsanspruch.

Rechtsanwalt Ferner zu Drohnen und Verwertung von Luftbildaufnahmen – Datenschutz versus Gemeinwohlinteressen

Bedeutung der Entscheidung

Das Urteil des VG Düsseldorf stellt einen wichtigen Präzedenzfall für die Nutzung von Luftbildaufnahmen durch Kommunen dar. Es bestätigt, dass solche Befliegungen zur Erhebung gebührenrelevanter Daten unter bestimmten Voraussetzungen mit dem Datenschutzrecht vereinbar sind. Gleichzeitig verdeutlicht die Entscheidung, dass personenbezogene Daten nicht zwingend mit direkten Aufnahmen von Personen verbunden sein müssen. Auch Grundstücksdaten können als personenbezogen gelten, wenn sie mit anderen Informationen verknüpft werden.

Für Grundstückseigentümer bedeutet das Urteil, dass sie sich gegen derartige Maßnahmen nur dann erfolgreich wehren können, wenn sie nachweisen können, dass eine unrechtmäßige Verarbeitung oder eine unverhältnismäßige Erhebung vorliegt.

Ausblick

Das VG Düsseldorf hat klargestellt, dass Gemeinden zur Erfüllung ihrer Abwasserbeseitigungspflicht digitale Luftbilder aus Befliegungen nutzen dürfen, solange eine ausreichende gesetzliche Grundlage vorliegt und die Maßnahme verhältnismäßig ist.

Die Entscheidung zeigt, dass der Datenschutz im Verwaltungsrecht keine absolute Schranke darstellt, sondern stets einer Interessenabwägung unterliegt. Während die Antragstellerin einen Eingriff in ihre informationelle Selbstbestimmung geltend machte, betonte das Gericht das übergeordnete öffentliche Interesse an einer effizienten kommunalen Infrastrukturplanung.

Der Fall verdeutlicht, dass sich die Rechtsprechung zunehmend mit der Digitalisierung und den sich daraus ergebenden Konflikten zwischen Datenschutz und staatlichen Aufgaben auseinandersetzen muss. Es bleibt abzuwarten, ob in Zukunft noch strengere Anforderungen an solche Maßnahmen gestellt werden oder ob das Urteil als Richtschnur für ähnliche Fälle dient.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybersecurity & Softwarerecht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft.Als Softwareentwickler bin ich in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

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Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung.
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