Transitorischer Besitz und Einziehung

Die Vermögensabschöpfung bei einem nur transitorisch erlangten Besitz ist bekanntlich ausgeschlossen – wenn man sich mit der Rechtsprechung des BGH zu dem Thema tiefer beschäftigt merkt man allerdings, dass da zwischen den Senaten einiges im Argen ist. Der Grundsatz mag inzwischen klar sein, doch man scheint zunehmend Ergebnisorientiert und unkalkulierbar zu agieren, wie eine aktuelle Entscheidung zeigt:

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vermögenswert im Rechtssinne aus der Tat erlangt, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann (…). Faktische Verfügungsgewalt liegt jedenfalls dann vor, wenn der Tatbeteiligte im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen kann (…). Unerheblich ist dabei im Regelfall, ob das Erlangte beim Täter oder Teilnehmer verbleiben oder es von diesem absprachegemäß an einen anderen weitergegeben werden soll (…)

Danach erlangte der Angeklagte Verfügungsgewalt über die Erlöse aus den Betäubungsmittelgeschäften. Die Geschäfte nahm er eigenverantwortlich oder gemeinsam mit W. in seiner Wohnung vor. Die erzielten Geldbeträge verblieben dort, bis W. sie abholte. Der Angeklagte hatte daher ungehinderten Zugriff auf das Geld. Dass W. ebenfalls einen Schlüssel zur Wohnung besaß, führt zu keiner anderen Beurteilung.

BGH, 5 StR 534/19

Zivilrechtliche Fragestellungen außen vor

Ein Vermögensgegenstand oder sonstiger wirtschaftlicher Vorteil ist im Sinne des § 73 Abs. 1 Alternative 1 StGB „durch“ eine rechtswidrige Tat als Tatertrag erlangt, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zugeflossen ist, dass er seiner faktischen Verfügungsgewalt unterliegt.

Auf die zivilrechtlichen Besitz- oder Eigentumsverhältnisse kommt es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht an (zusammenfassend BGH, 3 StR 343/22). Eine solche Verfügungsmacht ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Tatbeteiligte im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehindert auf den betreffenden Vermögensgegenstand zugreifen kann.

Bei mehreren Beteiligten genügt zumindest eine tatsächliche Mitverfügungsgewalt über den Vermögensgegenstand in der Weise, dass ein ungehinderter Zugriff möglich ist. Für die Bestimmung des Erlangten im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB kommt es allein auf eine tatsächliche Betrachtung an; wertende Gesichtspunkte sind nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht zu berücksichtigen. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Beteiligte eine zunächst erlangte (Mit-)Verfügungsmacht später wieder aufgegeben hat.

Transitorischer Besitz im BtMG

Ein nur ganz kurzzeitiger Besitz zum Zwecke der Weitergabe ohne faktische Verfügungsmacht (transitorischer Besitz) begründet also noch keinen rechtserheblichen Vermögenszufluss: Gerade bei Plantagenhelfern und organisatorisch abhängigen Dealern schreit es in der Praxis regelmäßig nach der Frage transitorischen Besitzes – der BGH dagegen gibt kaum Hilfestellung und scheint sich der lebensnahen Probleme kaum mehr bewusst zu sein. Jedenfalls im Fall von überwachten Boten scheint man keine Verfügungsgewalt anzunehmen (instruktives Beispiel bei BGH, 3 StR 343/22). Verteidigern kann nur angeraten bleiben, das Thema ständig aufs Tapet zu bringen und nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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