Zulässigkeit eines Teilurteils: Wann ist ein Teilurteil zulässig? Entsprechend § 301 Abs. 1 ZPO ist durch das Gericht durch Teilurteil zu entscheiden, wenn
- von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder nur ein Teil eines Anspruchs oder
- bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif ist.
Grundsätzliches zur Zulässigkeit eines Teilurteils
Neben der Teilbarkeit des Streitgegenstandes als Grundvoraussetzung ist für den Erlass eines Teilurteils erforderlich, dass die Entscheidung über den betreffenden Teil des Klagebegehrens von der Entscheidung über den übrigen noch anhängigen Teil des Streitgegenstandes unabhängig ist.
Dabei darf über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, durch Teilurteil durch das Gericht nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht. Weiterhin gilt mit dem BGH (BGH, IX ZR 63/06), dass die Entscheidung über den Teil des Rechtsstreits, über welchen durch Teilurteil entschieden werden soll, unabhängig davon sein muss, wie über den Rest des noch anhängigen Streitgegenstandes entschieden wird.
Ein Teilurteil darf nach ständiger Rechtsprechung insbesondere nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist, selbst wenn davon nur eine Vorfrage betroffen wäre (BGH, VIII ZR 42/10; OLG Hamm, 5 U 85/14): Ein Teilurteil darf also nur ergehen, wenn die Gefahr widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist. Eine solche Gefahr besteht insbesondere dann, wenn in dem Teilurteil über eine Frage entschieden wird, die sich im weiteren Verfahren über die übrigen Ansprüche oder Anspruchsteile erneut stellt oder stellen kann. Dies gilt auch, soweit es um die Möglichkeit einer abweichenden Beurteilung bloßer Urteilselemente geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden.
Es genügt also eine Präjudizialität dergestalt, dass der durch Teilurteil entschiedene und der noch anhängige Anspruch von gemeinsamen Vorfragen abhängen. Es genügt auch, dass eine widersprechende Entscheidung (erst) durch eine spätere Änderung der Beurteilung durch das erkennende Gericht oder eine abweichende Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht entstehen kann. Dies gilt auch für den Fall widersprechender Entscheidungen alleine infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht, die ausgeschlossen sein muss (siehe BGH, II ZR 121/16 und VI ZR 437/14).
Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen kann dabei durch Feststellungsaussprüche ausgeschlossen werden! Durch die Feststellung von Vorfragen, die die materiell-rechtliche Verzahnung der verschiedenen Ansprüche oder Anspruchsteile bewirken, kann die Möglichkeit eines Widerspruchs zwischen Teil- und Schlussurteil ausgeräumt werden (BGH, II ZR 121/16 und VII ZR 25/11 sowie VII ZR 223/11).
Wann ist eine Widerklage rechtsmissbräuchlich erhoben
Und ist davon abzuweichen, wenn die Widerklage rechtsmissbräuchlich erhoben worden ist? Das Oberlandesgericht Köln, 16 U 3/18, bestätigt diesen Gedanken und hat entschieden, dass ein Teilurteil über eine Klage trotz nicht entscheidungsreifer Widerklage und der Gefahr widersprechender Entscheidungen ausnahmsweise dann zulässig ist, wenn die Erhebung der Widerklage rechtsmissbräuchlich war. Allerdings braucht es hierfür besondere Faktoren – da nämlich die „Flucht in die Widerklage“ als solche nicht unter die Präklusionsvorschrift des § 296 ZPO fällt! Um die Annahme einer Rechtsmissbräuchlichkeit zu begründen genügt es daher mit dem OLG Köln nicht, nur festzustellen, dass die kurz vor dem ersten Verhandlungstermin eingereichte Widerklage (angeblich) nur der Verzögerung des Prozesses gedient habe:
Zwar hat das Landgericht zutreffend erkannt, dass in der Rechtsprechung und Literatur ein Teilurteil über eine Klage trotz nicht entscheidungsreifer Widerklage und der Gefahr widersprechender Entscheidungen ausnahmsweise für zulässig erachtet wird, wenn die Erhebung der Widerklage rechtsmissbräuchlich ist (BGH NJW 1987, 3139 sowie BGH Urteil vom 23.04.1986, VIII ZR 93/85, NJW 1986, 2257, 2258 am Ende und BGH Beschluss vom 20.09.2016, VIII ZR 247/15, NJW 2017, 491 Rn 21 (im Ergebnis jeweils offen gelassen); OLG Köln, Urteil vom 06.09.2000, 11 U 261/99, OLGR Köln 2001, 71, 74, zitiert nach juris; OLG Frankfurt Urteil v.om 16.11.2014- 11 U 27/04, BeckRS 2005, 669 Rn 13; LG Gießen, Urteil vom 20.02.2002, 1 S 365/01, NJW-RR 2003, 381; LG Berlin NJOZ 2005, 49; Zöller-Feskorn, ZPO, 32. Auflage 2018, § 301 Rdnr. 10). Als typischer Beispielsfall gilt im Anschluss an die zitierte Entscheidung BGH NJW 1987, 3139 die Erhebung einer Widerklage zur Ausschaltung missliebiger Zeugen oder zur reinen Prozessverschleppung (…)
Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass die sog. „Flucht in die Widerklage“ als solche nicht unter die Präklusionsvorschrift des § 296 ZPO fällt und als grundsätzlich zulässiges Mittel zur Verhinderung der Zurückweisung der zu ihrer Begründung vorgetragenen Behauptungen im Wege der Präklusion anerkannt ist (vgl. allgemein Zöller-Greger, ZPO, 32. Auflage 2018, § 296 Rdnr. 42; zur Widerklage vgl. BGH NJW 1986, 2257, zitiert nach juris Rn 23) und zur Klageerweiterung und Klageänderung BGH, Beschluss vom 20.09.2016, VIII ZR 247/15, NJW 2017, 491). Im konkreten Fall wurde die Widerklage überdies nicht in einem fortgeschrittenen Verfahrensstadium, sondern noch vor dem ersten Haupttermin erhoben.
Dabei gibt das OLG Köln wertvolle Hinweise, wie man den gesamten Verlauf berücksichtigen soll, wenn man mit einem Rechtsmissbrauch argumentieren möchte:
Auch aus dem übrigen Prozessverhalten lässt sich nicht begründen, dass die Beklagte in unangemessener Weise das Verfahren zu verzögern versucht hätte: Stellungnahmefristen wurden nicht nur auf Antrag der Beklagten, sondern auch auf Antrag der Klägerin verlängert. Die zeitliche Verzögerung aufgrund der von der Beklagten beantragten Terminsverlegungen belief sich auf ca. einen Monat und damit auf einen – im Verhältnis zur Gesamtprozessdauer erster Instanz – noch recht überschaubaren Zeitraum. Gegen ein ausschließlich auf Prozessverzögerung angelegtes Vorgehen spricht schließlich auch der Umstand, dass die Beklagte mit der Widerklage Forderungen erheblichen Umfangs in den Rechtsstreit eingeführt hat und damit ein recht hohes Kostenrisiko im Unterliegensfall eingegangen ist, das durch eine Zeitverzögerung wirtschaftlich kaum aufgewogen werden könnte. Angesichts dessen gibt auch der Umstand, dass die von der Beklagten vorgelegte Schlussrechnung auf den 15.07.2015 datiert ist, keinen Anlass für die Annahme einer Rechtsmissbräuchlichkeit, zumal die Beklagte vorträgt, dass ihre Schlussrechnung tatsächlich erst später erstellt worden sei.
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