Schattenwirtschaft der Daten: Kritische Analyse privater Überwachung durch Social Media und Video-Streaming

Die undurchsichtige Welt der Daten: Im September 2024 wurde ein Bericht der US-amerikanischen Federal Trade Commission (FTC) veröffentlicht – und bietet einen beunruhigenden Einblick in die Praktiken der Datenverarbeitung von neun großen Social-Media- und Video-Streaming-Diensten, darunter Meta, TikTok, Amazon und Twitter.

Die Untersuchung zeigt auf, wie die grenzenlose Erfassung und Monetarisierung persönlicher Daten durch diese Unternehmen eine digitale Schattenwirtschaft geschaffen hat. Diese Unternehmen betreiben umfassende Überwachung, die nicht nur kommerziell genutzt wird, sondern auch staatlichen Stellen zur Verfügung stehen kann – mit tiefgreifenden Folgen für die Privatsphäre und die individuelle Freiheit.

Datenhunger der Tech-Giganten

Die Analyse der FTC zeigt, dass die untersuchten Unternehmen eine Vielzahl an Daten erheben – nicht nur über ihre eigenen Nutzer, sondern auch über Nicht-Nutzer. Diese Daten umfassen persönliche Informationen, Interessen, Verhaltensmuster und Aktivitäten, sowohl auf als auch außerhalb der Plattformen. Besonders problematisch ist die Kombination aus direkt erhobenen und passiv gesammelten Daten, die oft durch zusätzliche Informationen aus externen Quellen wie Datenbrokern ergänzt werden.

In vielen Fällen können die Unternehmen nicht einmal alle erfassten Datenpunkte benennen oder vollständig offenlegen, mit welchen Drittparteien diese Informationen geteilt werden. Dies schafft eine undurchsichtige, kaum kontrollierbare Überwachungsmaschinerie.

Die kommerzielle Überwachung: Werbung und Algorithmen

Ein zentrales Element der Datenverarbeitung durch Social-Media-Plattformen ist die personalisierte Werbung, die durch invasive Tracking-Technologien wie versteckte Pixel unterstützt wird. Diese Technologien überwachen jede Aktivität der Nutzer, oft ohne deren Wissen oder ausdrückliche Zustimmung. Die FTC warnt vor den Risiken dieser Praxis, da Nutzer oft nicht nachvollziehen können, wie ihre Daten zur Erstellung hochgradig gezielter Werbekampagnen genutzt werden.

Besonders besorgniserregend ist die Anwendung von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz (KI), um das Verhalten der Nutzer vorherzusagen und zu beeinflussen. Diese Systeme stützen sich nicht nur auf Daten, die Nutzer direkt angeben, sondern auch auf Informationen, die durch ihre Interaktionen und Verhaltensweisen auf der Plattform gesammelt und aus externen Quellen abgeleitet werden. Dies betrifft sogar Nicht-Nutzer, die sich nie aktiv bei diesen Diensten angemeldet haben, aber dennoch getrackt werden.

Die Macht der Algorithmen: Mehr Engagement, weniger Kontrolle

Die Unternehmen setzen Algorithmen und KI zur Monetarisierung ihrer Plattformen ein, indem sie Inhalte empfehlen, die die Nutzer möglichst lange beschäftigen. Diese Systeme fördern nicht nur das Engagement, sondern tragen auch zur psychischen Belastung der Nutzer bei, insbesondere bei Jugendlichen. Inhalte, die potenziell schädlich oder gefährlich sind, werden oft durch Algorithmen bevorzugt, weil sie hohe Interaktionsraten erzeugen.

Der Mangel an Transparenz, Kontrolle und Erklärung dieser Algorithmen führt zu erheblichen Datenschutzbedenken. Nutzer haben in der Regel keine Möglichkeit, die über sie gesammelten Informationen einzusehen, falsche Daten zu korrigieren oder den Entscheidungsprozessen der Algorithmen zu widersprechen. Diese Intransparenz und die fehlende Kontrolle über persönliche Daten schaffen eine Machtasymmetrie zwischen den Nutzern und den Unternehmen.

Die Schattenseiten für Kinder und Jugendliche

Besonders alarmierend sind die Auswirkungen dieser Praktiken auf Kinder und Jugendliche. Während der Schutz für Kinder unter 13 Jahren durch das COPPA-Gesetz (Children’s Online Privacy Protection Act) gesichert ist, werden Teenager oft wie Erwachsene behandelt. Ihre Daten werden auf die gleiche Weise erfasst und genutzt, ohne dass zusätzliche Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Viele Unternehmen behaupten, sie hätten keine minderjährigen Nutzer, da die Registrierung für Kinder angeblich nicht möglich sei – eine Annahme, die weit von der Realität entfernt ist.

Schattenwirtschaft der Daten: Kritische Analyse privater Überwachung durch Social Media und Video-Streaming - Rechtsanwalt Ferner

Es ist offenkundig, dass die aktuellen Datenpraktiken eine Gefahr für die Privatsphäre darstellen. Ohne strenge regulatorische Maßnahmen wird die digitale Schattenwirtschaft weiter florieren. Verbraucher haben das Recht auf Transparenz und Kontrolle über ihre Daten, und es liegt an den politischen Entscheidungsträgern, eine Datenschutzinfrastruktur zu schaffen, die den Missbrauch persönlicher Daten durch private und staatliche Akteure verhindert. Aber auch die Nutzer sollten anfangen zu überlegen, ob das, was man hergibt noch in Relation zu dem steht, was man vermeintlich bekommt.

Illusion der Selbstregulierung

Der Bericht der FTC legt nahe, dass die Selbstregulierung der Tech-Industrie im Bereich gescheitert ist. Ohne klare gesetzliche Rahmenbedingungen haben Unternehmen nahezu freie Hand, so viele Daten wie möglich zu sammeln und kommerziell zu nutzen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verbesserung des Datenschutzes, wie etwa umfassende Datendeletion und die Einführung strengerer Kontrollmechanismen für KI-Algorithmen, sind dringend notwendig.

Darüber hinaus wirft der Bericht die Frage auf, wie Staaten diese umfassende Überwachung nutzen könnten. In Zeiten zunehmender staatlicher Überwachungstechnologien besteht die Gefahr, dass Regierungen auf die gewaltigen Datenmengen zugreifen, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen – sei es zur Verbrechensbekämpfung oder zur Kontrolle von Dissens.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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