Ordnungswidrigkeit: Anordnung des Ver­falls gemäß § 29a Abs. 2 OWiG

Bei einer Ordnungswidrigkeit kann der von Erlangtem angeordnet werden, was wirtschaftlich mitunter erheblichere Bedeutung haben kann als die eigentliche Geldbuße. Dabei gilt im Grundsatz, dass nach den ge­setzlichen Vorgaben das vom Verfallsbeteiligten Er­langte exakt festzu­le­gen ist. Dies folgt auch bereits aus der Natur der Vorschrift als kondikti­onsähnlicher Maßnahme ohne pönalen Cha­rakter. Demnach muss aus den Urteilsgründen des mit der Sache befassten Gerichts unmissverständlich hervorge­hen, was als unmittel­bare „Tatbeute“ vom Täter bzw. von demjenigen, für den der Täter ge­handelt hat, wieder her­ausverlangt werden kann.

Verfall bei Ordnungswidrigkeit

Doch Vorsicht: Der wirtschaftliche Vorteil, der dem Täter oder Dritten unmittelbar aus der Ver­wirk­­lichung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit zufließen kann, kann durchaus auch in ersparten Auf­wendungen lie­gen, wie das OLG Köln hervorhebt:

Im Falle einer hier ein­schlägigen ­unterschrei­tung im Sinne des ­ent­sendungsgesetzes liegt daher der aus der Tat erlangte Vor­teil im Betrag der Un­terschreitung selbst (Göhler, aaO; OLG Stutt­gart, Die Ju­stiz 2003, 175, zit. nach BeckRS 2002, 30281071). Dass diese von dem Ge­schäfts­führer der Verfallsbeteiligten vor­sätzlich zu verantworten ist, ergibt sich zwar nicht explizit aus den Urteilsgründen, zumindest aber aus deren Ge­samt­schau. Da das Amts­ge­richt im Anschluss an die Be­schwerdeentscheidung des Landge­richts Köln vom 23.01.2009 (109 Qs 51/08) zudem von einer Einrechnung des durch die niedrige­ren Arbeit­nehmer­ko­sten erzielten Wettbewerbsvorteils ver­zichtet hat (zu dieser Möglichkeit und deren Voraussetzungen vgl. Göhler, aaO, § 29a Rn. 11, 27), er­gibt sich aus den Urteils­gründen ebenfalls von selbst, dass die Ausführungen zum Betrag der Mindest­lohn­unterschreitung gleichsam spiegelbild­lich der Dar­legung des er­langten Vor­teils dienen.

, III-1 RBs 215/11

Verfall ohne Geldbuße ist möglich

Auch sonst droht schnell Ungemach an unerwarteter Stelle: So kann die Anordnung des Verfalls insbesondere auch dann erfolgen, wenn von der Festsetzung einer Geldbuße aus Opportunitäts­gründen abgesehen wurde (dazu OLG Köln, 2 Ws 585/09). Dies ergibt sich für die Rechtsprechung sowohl aus dem Normzweck des § 29a OWiG als auch aus dem Sinngehalt der Vorschrift des § 30 Abs. 1, Abs. 5 OWiG. Alleinentschei­dend ist mit Rücksicht auf die Ver­meidung einer doppelten Inanspruchnahme damit nur, dass eine Geldbuße nicht ver­hängt wird. Dabei ist zu sehen, dass § 29a Abs. 3 S. 1 OWiG ausdrücklich eine erlaubt, die auch mit Hilfe eines Sachverständigen vorgenommen werden kann.

Ermessen bei Verfall im Ordnungswidrigkeitenrecht

Wenn ein Gericht einen Verfall bestätigt, müssen die Ur­teils­gründe erkennen lassen, dass das Amtsgericht sich mit dem Charak­ter der Verfalls­an­ordnung nach § 29a OWiG, die dem Opportu­nitätsprinzip unter­liegt, hinrei­chend auseinandergesetzt hat. Es muss im Urteil zu erkennen sein, dass das Amtsgericht das Erforder­nis einer Ermes­sensabwägung ge­sehen und dementsprechend sein ihm zustehendes Er­mes­sen ausgeübt hat. Hier gilt: Im Rahmen des § 29a OWiG gilt – anders als im Strafrecht – das Oppor­tuni­tätsprinzip, und zwar nicht allein für die Bemessung der konkreten Höhe des für ver­fallen zu er­klärenden Geldbetrags, sondern auch bereits bei der Anordnung des Verfalls selbst. Für die Ausübung des Ermessens, ob trotz Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des Verfalls eine Verfallsan­ord­nung überhaupt getroffen werden und auf welche konkrete Höhe sich diese belau­fen soll, sind allgemeine Zweck­mäßig­keits­gesichts­punkte und die Umstände des Ein­zelfalles maßgeblich. Insbesondere sind, da es keine dem § 73c StGB ver­gleich­bare Härtevorschrift gibt, im Rahmen dieser Entscheidung auch die Auswirkungen der Verfalls­an­ord­nung auf den Betroffenen zu berücksichtigen.

Als Kriterien für eine Ermessensentscheidung sind insbesondere heran zu ziehen:

  • wel­che wirt­schaft­lichen Folgen für Ver­falls­be­teilig­te zu erwarten sind
  • ob mögli­cher­weise eine unbillige Härte besteht, in die Urteilsgründe einzubeziehen gewesen. Wobei bezüglich der unbilligen Härte betrachtet werden können:
  • eine über­lange Verfahrens­dauer, die nicht der Verfallsbeteiligten und ihren Mitar­bei­tern anzulasten ist
  • ein eventuell entstehender Zinsschaden
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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