Bei einer Ordnungswidrigkeit kann der Verfall von Erlangtem angeordnet werden, was wirtschaftlich mitunter erheblichere Bedeutung haben kann als die eigentliche Geldbuße. Dabei gilt im Grundsatz, dass nach den gesetzlichen Vorgaben das vom Verfallsbeteiligten Erlangte exakt festzulegen ist. Dies folgt auch bereits aus der Natur der Vorschrift als kondiktionsähnlicher Maßnahme ohne pönalen Charakter. Demnach muss aus den Urteilsgründen des mit der Sache befassten Gerichts unmissverständlich hervorgehen, was als unmittelbare „Tatbeute“ vom Täter bzw. von demjenigen, für den der Täter gehandelt hat, wieder herausverlangt werden kann.
Verfall bei Ordnungswidrigkeit
Doch Vorsicht: Der wirtschaftliche Vorteil, der dem Täter oder Dritten unmittelbar aus der Verwirklichung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit zufließen kann, kann durchaus auch in ersparten Aufwendungen liegen, wie das OLG Köln hervorhebt:
Im Falle einer hier einschlägigen Mindestlohnunterschreitung im Sinne des Arbeitnehmerentsendungsgesetzes liegt daher der aus der Tat erlangte Vorteil im Betrag der Unterschreitung selbst (Göhler, aaO; OLG Stuttgart, Die Justiz 2003, 175, zit. nach BeckRS 2002, 30281071). Dass diese von dem Geschäftsführer der Verfallsbeteiligten vorsätzlich zu verantworten ist, ergibt sich zwar nicht explizit aus den Urteilsgründen, zumindest aber aus deren Gesamtschau. Da das Amtsgericht im Anschluss an die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Köln vom 23.01.2009 (109 Qs 51/08) zudem von einer Einrechnung des durch die niedrigeren Arbeitnehmerkosten erzielten Wettbewerbsvorteils verzichtet hat (zu dieser Möglichkeit und deren Voraussetzungen vgl. Göhler, aaO, § 29a Rn. 11, 27), ergibt sich aus den Urteilsgründen ebenfalls von selbst, dass die Ausführungen zum Betrag der Mindestlohnunterschreitung gleichsam spiegelbildlich der Darlegung des erlangten Vorteils dienen.
Oberlandesgericht Köln, III-1 RBs 215/11
Verfall ohne Geldbuße ist möglich
Auch sonst droht schnell Ungemach an unerwarteter Stelle: So kann die Anordnung des Verfalls insbesondere auch dann erfolgen, wenn von der Festsetzung einer Geldbuße aus Opportunitätsgründen abgesehen wurde (dazu OLG Köln, 2 Ws 585/09). Dies ergibt sich für die Rechtsprechung sowohl aus dem Normzweck des § 29a OWiG als auch aus dem Sinngehalt der Vorschrift des § 30 Abs. 1, Abs. 5 OWiG. Alleinentscheidend ist mit Rücksicht auf die Vermeidung einer doppelten Inanspruchnahme damit nur, dass eine Geldbuße nicht verhängt wird. Dabei ist zu sehen, dass § 29a Abs. 3 S. 1 OWiG ausdrücklich eine Schätzung erlaubt, die auch mit Hilfe eines Sachverständigen vorgenommen werden kann.
Ermessen bei Verfall im Ordnungswidrigkeitenrecht
Wenn ein Gericht einen Verfall bestätigt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass das Amtsgericht sich mit dem Charakter der Verfallsanordnung nach § 29a OWiG, die dem Opportunitätsprinzip unterliegt, hinreichend auseinandergesetzt hat. Es muss im Urteil zu erkennen sein, dass das Amtsgericht das Erfordernis einer Ermessensabwägung gesehen und dementsprechend sein ihm zustehendes Ermessen ausgeübt hat. Hier gilt: Im Rahmen des § 29a OWiG gilt – anders als im Strafrecht – das Opportunitätsprinzip, und zwar nicht allein für die Bemessung der konkreten Höhe des für verfallen zu erklärenden Geldbetrags, sondern auch bereits bei der Anordnung des Verfalls selbst. Für die Ausübung des Ermessens, ob trotz Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des Verfalls eine Verfallsanordnung überhaupt getroffen werden und auf welche konkrete Höhe sich diese belaufen soll, sind allgemeine Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte und die Umstände des Einzelfalles maßgeblich. Insbesondere sind, da es keine dem § 73c StGB vergleichbare Härtevorschrift gibt, im Rahmen dieser Entscheidung auch die Auswirkungen der Verfallsanordnung auf den Betroffenen zu berücksichtigen.
Als Kriterien für eine Ermessensentscheidung sind insbesondere heran zu ziehen:
- welche wirtschaftlichen Folgen für Verfallsbeteiligte zu erwarten sind
- ob möglicherweise eine unbillige Härte besteht, in die Urteilsgründe einzubeziehen gewesen. Wobei bezüglich der unbilligen Härte betrachtet werden können:
- eine überlange Verfahrensdauer, die nicht der Verfallsbeteiligten und ihren Mitarbeitern anzulasten ist
- ein eventuell entstehender Zinsschaden
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