Der Beschluss des Landgerichts Köln (14 O 291/24) behandelt die zentrale Frage, inwieweit eine Urheberangabe nach § 63 Abs. 2 Satz 2 UrhG erforderlich ist, um sich erfolgreich auf die Zitatschranke nach § 51 UrhG zu berufen. Die Entscheidung beleuchtet insbesondere die rechtlichen Anforderungen an Reaction Videos und deren Einordnung als Pastiche gemäß § 51a UrhG.
Sachverhalt
Der Antragsteller hatte in einem Antrag auf eine einstweilige Verfügung geltend gemacht, dass die Antragsgegnerin seine Werke ohne ausreichende Erlaubnis öffentlich zugänglich gemacht habe. Konkret ging es um die Nutzung von Videomaterial in Reaction Videos, die auf der Plattform „E.“ veröffentlicht wurden. Dabei wurde keine Urheberangabe gemacht. Der Antragsteller argumentierte, dass die Nutzung durch die Zitatschranke gedeckt sei, da die Videos als kreative Auseinandersetzung einzuordnen seien.
Rechtliche Analyse
1. Erforderlichkeit der Urheberangabe bei der Zitatschranke
Gemäß § 63 Abs. 2 Satz 2 UrhG ist bei der Nutzung eines Werkes im Rahmen der Zitatschranke die Angabe der Urheberschaft obligatorisch. Die Kammer betonte, dass die fehlende Angabe der Urheberschaft nicht nur eine formale Voraussetzung ist, sondern eine zentrale Bedingung, um das Zitatrecht in Anspruch nehmen zu können. Liegt kein Fall vor, in dem die Urheberangabe unmöglich ist, führt das Fehlen dieser Angabe zur Unzulässigkeit des gesamten Zitats:
Nach § 63 Abs. 2 S. 2 UrhG ist in den Fällen der öffentlichen Wiedergabe nach den §§ 46, 48, 51, 60a bis 60d, 61, 61c, 61d und 61f sowie bei digitalen sonstigen Nutzungen gemäß § 60a die Quelle einschließlich des Namens des Urhebers stets anzugeben, es sei denn, dass dies nicht möglich ist. Dies entspricht Art. 5 Abs. 3 lit. d) Alt. 1 RL 2001/29/EG („InfoSoc-RL“), wonach eine R. möglich ist für Zitate zu Zwecken wie Kritik oder Rezensionen, sofern sie ein L. oder einen sonstigen Schutzgegenstand betreffen, das bzw. der der Öffentlichkeit bereits rechtmäßig zugänglich gemacht wurde, sofern – außer in Fällen, in denen sich dies als unmöglich erweist – die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers, angegeben wird und sofern die Nutzung den anständigen Gepflogenheiten entspricht und in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist
Vorliegend ist also die Urheberangabe der Regelfall, das Weglassen dieser Angabe die Ausnahme. Dass eine solche Ausnahme hier anzunehmen ist, hat der Antragsteller nicht hinreichend vorgetragen. Die Kammer erkennt keine Unmöglichkeit der Urheberangabe.
Es ist grundsätzlich nicht davon auszugehen, dass die Pflicht zur Quellen- bzw. Urheberangabe nach § 63 Abs. 2 S. 2 UrhG wegen Unmöglichkeit deswegen schon vollständig entfällt, etwa wenn zwar ein Titel oder Publikationsorgan, nicht aber der Name des Urhebers genannt sind. Gleichwohl kann sich die Unmöglichkeit, die Quelle bzw. den Urheber zu benennen, aus dem aus § 63 Abs. 1 S. 3 UrhG stammenden Kriterium der ungenannten bzw. unbekannten Quelle ergeben. Für die Unmöglichkeit der Quellenangabe gem. § 63 Abs. 2 S. 2 UrhG trägt der Nutzer, der sich auf die Unmöglichkeit beruft, die Beweislast und muss auch konkret dazu vortragen, welche Anstrengungen er zur Ermittlung der Quelle unternommen hat. (Schricker/Loewenheim/Spindler, 6. Aufl. 2020, UrhG § 63 Rn. 18 ff.). Für die Urheberangabe kommt es – anders als für die Quellenangabe nach § 63 Abs. 2 S. 1 UrhG – nicht auf die Verkehrssitte an (Fromm/Nordemann/Dustmann, 12. Aufl. 2018, UrhG § 63 Rn. 15). Bei § 63 Abs. 2 S. 2 UrhG gelten infolge der unterschiedlichen Formulierung strengere Maßstäbe als bei Abs. 1 S. 3. Wer die Quelle nicht kennt muss daher recherchieren (Wandtke/Bullinger/Bullinger, 6. Aufl. 2022, UrhG § 63 Rn. 26). Ein Wegfall der Pflicht zur Urheberangabe kann sich etwa auch dann ergeben, wenn die genutzte Quelle diese Urheberangabe zurecht nicht verwendet hat (vgl. zu diesem Sonderfall: EuGH GRUR 2012, 166 Tz. 139 ff. – Painer/Standard).
2. Pastiche oder politische Stellungnahme?
Das Gericht lehnte die Einordnung der Reaction Videos als Pastiche ab. Ein Pastiche nach § 51a UrhG erfordert eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Originalwerk, die durch Humor, Stilnachahmung oder Hommage gekennzeichnet sein kann. Im vorliegenden Fall waren die Videos jedoch primär politische Kommentare und keine kreative oder künstlerische Reflexion. Die Kammer verwies auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Metall auf Metall V, I ZR 74/22), um die Anforderungen an den Begriff des Pastiche zu konkretisieren.
Entscheidung des Gerichts
Das LG Köln wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück, da die Voraussetzungen für die Berufung auf die Zitatschranke nicht erfüllt waren. Ohne die erforderliche Urheberangabe konnte sich der Antragsteller nicht erfolgreich auf § 51 UrhG berufen.
Fazit
Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Urheberangabe als zwingende Voraussetzung für die Nutzung eines Werkes unter der Zitatschranke. Sie zeigt außerdem, dass die rechtlichen Schranken im Urheberrecht präzise angewendet werden müssen und die Kategorien wie das Pastiche nicht unzulässig erweitert werden dürfen.
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