Health Claims Verordnung: Wissenschaftlicher Nachweis und Beweislast bei der HCVO

Das Oberlandesgericht Düsseldorf (20 U 10/16) hat sich zum ungenügenden wissenschaftlichen Nachweis nach der geäußert. Nach Art. 5 Abs. 1 (a) HCVO ist für die Zulässigkeit gesundheitsbezogener Angaben der Nachweis der ernährungsphysiologischen Wirksamkeit anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Nachweise zu führen. Dies ist allerdings bei allgemeinen Beiträgen nicht der Fall:

Der Beitrag einer Heilpraktikerin in der Zeitschrift (…) ist von vorneherein als wissenschaftlicher Nachweis ungeeignet. Der Beitrag (…) berichtet über eine Studie an Ratten und Hunden und besagt im Zusammenhang mit der Faltenbekämpfung bei Menschen nichts. Die Studie (…) vermag über das hier beworbene Mittel nichts auszusagen. Zum einen wurde eine Dosis von 120 mg untersucht. Zum anderen weist das Landgericht zu Recht darauf hin, dass die Art der Gewinnung von Hyaluronsäure entscheidend ist. Dies zeigt bereits der Hinweis (…) der dies als besonderen Fortschritt des Mittels (…) beschreibt. Es kann aber nicht festgestellt werden, dass die in der Studie – zumal in höherer Dosierung – verwendete Hyaluronsäure mit der im Präparat der Beklagten verwendeten vergleichbar ist. Gleiches gilt für die (…) vorgelegten Studien bezüglich des Mittels (…) Die Studie von (…) erfolgte mit noch höherer Dosierung (240 mg) und ermöglicht auf die Wirkung des hier streitgegenständlichen Mittels keine Rückschlüsse.

Es fehlt damit zusammenfassend an einem wissenschaftlichen Nachweis, dass das Produkt die angepriesenen Wirkungen entfaltet. Hierfür spricht schon der (…) vorgelegte Ausdruck aus der Wikipedia (…) wo es heißt „Der Großteil der in Deutschland angebotenen hyaluronsäurehaltigen Supplemente wird für die Gelenkfunktion vermarktet; es sind Multipräparate mit anderen Nährstoffen, die oft wissenschaftlich besser dokumentiert sind.“

Zur kann ich in aller Kürze auf das OLG Hamm (4 U 17/16) verweisen:

Denn es fehlt bereits an einem – der Beklagten obliegenden (vgl. auch OLG Hamburg, Urt. v. 21.6.2012 – 3 U 97/11, BeckRS 2012, 17923; Senat GRUR-RR 2014, 84Für ein Leben in Bewegung) – Nachweis der „allgemein anerkannten“ wissenschaftlichen Absicherung eines Wirkungszusammenhangs (Art. 6 HCVO).

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Auch das OLG Köln (6 U 65/15) konnte sich der Thematik widmen und feststellen:

Die Verwendung einer gesundheitsbezogenen Angabe ist gemäß Art. 5 Abs. 1 a) HCVO nur zulässig, wenn anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Erkenntnisse nachgewiesen ist, dass die Substanz, auf die sich die Angabe bezieht, tatsächlich die entsprechende Wirkung hat, wobei nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm der Wirksamkeitsnachweis bereits im Zeitpunkt der Werbung vorliegen muss (…)

Die Darlegungs- und Beweislast für den Wirksamkeitsbeleg trägt die Beklagte. Dies folgt aus § 5 Abs. 1 a) HCVO sowie aus Art. 10 Abs. 1 HCVO als einer Verbotsnorm mit Erlaubnisvorbehalt. An der Systematik des Gesetzes ändert die Übergangsvorschrift des Art. 28 Abs. 5 HCVO nichts. Art. 25 Abs. 5 HCVO verweist vielmehr für die Übergangszeit zum einen auf die Regelungen der HCVO mit Ausnahme des Erfordernisses des Listeneintrags, also auch auf Art. 5 Abs. 1 HCVO und die weiteren Regelungen in Art. 10 HCVO, sowie zum anderen auf die einschlägigen einzelstaatlichen Vorschriften.

Bereits vor Geltung der HCVO mussten nach dem deutschem Recht Wirkaussagen für Lebensmittel wissenschaftlich hinreichend gesichert sein, § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LFGB a.F., wobei die HCVO ein noch höheres Nachweisniveau anstrebt als früher in der Praxis üblich war (s. Meiserernst/Haber, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, Art. 5 Rn. 3). Es entspricht bereits im Rahmen des allgemeinen Irreführungsverbots nach § 5 UWG der gefestigten Rechtsprechung, dass wenn in der Werbung auf die Gesundheit Bezug genommen wird, besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussage gelten, da ein großer Teil der Verbraucher geneigt ist, solchen Angaben wegen des hochgradigen Interesses an der Erhaltung der Gesundheit blindlings zu vertrauen und so die Gefahr besonders hoch ist, dass bei einer derartigen Werbung die Rationalität der Nachfrageentscheidung in Bezug auf Preiswürdigkeit und Qualität in den Hintergrund tritt (s. Köhler/Bornkamm, UGW, 33. Aufl., § 4 Rn. 1.243; § 5 Rn. 3.26., 4.181, jew. m.w.N. aus der umfangreichen BGH-Rechtsprechung).

Mit gesundheitsbezogenen Wirkaussagen darf daher generell nur geworben werden, wenn sie gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen. Kann der Werbende die wissenschaftliche Absicherung seiner Aussage nicht dartun, beruht die Irreführung im Rahmen des § 5 UWG unabhängig von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Werbeaussage jedenfalls darauf, dass sie jeder Grundlage entbehrt (vgl. Köhler/Bornkamm, UGW, 33. Aufl., § 5 Rn. 3.26; § 5 Rn. 4.183). In der Werbung für Lebensmittel waren und sind Aussagen, die sich auf die Beseitigung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten beziehen, nach deutschem Recht sogar grundsätzlich verboten, § 12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB a.F., § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB n.F. i.V.m. Art. 7 Abs. 3 LebensmittelinformationsVO (EU) 1169/2011.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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